Menschen oder Maschinen am Steuer?

An der diesjährigen «MA RWP Lecture» referierte Peter G. Kirchschläger, Professor für Theologische Ethik an der Universität Luzern, über Digitalisierung und Künstliche Intelligenz». Zwar gebe es Potenziale, doch auch viele Risiken, denen zu begegnen sei.

 

Bild: ©istock.com/metamorworks

Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger beschäftigt sich in seiner Forschung unter anderem mit ethischen Fragen der Digitalisierung, Automatisierung, Maschinisierung und Robotisierung. In seinem am 16. Oktober gehaltenen öffentlichen Vortrag «Menschen oder Maschinen am Steuer?» führte er zunächst aus, weshalb er die Bezeichnung «Künstliche Intelligenz» ungeeignet findet: Diese suggeriere eine Vergleichbarkeit mit menschlicher Intelligenz. Die sogenannten KI könne jedoch dem menschlichen Denken nicht in allen Bereichen – vor allem auf Ebene der emotionalen und sozialen Intelligenz – «gleich» werden. Sie könne zwar menschliches Verhalten imitieren, es fehle ihr aber in sozialen Interaktionen an Authentizität wie auch an Moralfähigkeit, sie könne etwa keine «echten» Gefühle empfinden. Bei KI handele es sich um datenbasierte Systeme, die anhand grosser Datenmengen trainiert werden, darüber hinaus aber kein eigenes Wissen selbst generieren und – anders als Menschen – nicht selbstständig zu moralischen Einsichten gelangen könnten. Aus diesem Grund spricht Peter G. Kirchschläger anstelle von KI von «datenbasierten Systemen» (DS) und warnte gleichzeitig vor einem «Übervertrauen» in diese Technologie.

Referent Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger und Anna Holm, Studentin des Masterstudiengangs Religion – Wirtschaft – Politik, die den Anlass moderierte.

Regulierungsinstanz gefordert

In den vergangenen Jahren ist die Digitalisierung global in enormem Tempo vorangeschritten. Seit der ersten Version von OpenAIs Programm «ChatGPT» Ende 2022 ist nicht nur der Wissenschaftsbetrieb in Bewegung geraten. Datenbasierte Systeme gewinnen in fast allen Arbeitsbereichen und gesellschaftlichen Feldern an Bedeutung. Kirchschläger nannte einige Beispiele für die positiven Potenziale solcher Systeme z.B. für die Forschung und Medizin. Er wies aber auch auf Gefahren und negative Entwicklungen hin. So käme es u.a. beim Abbau der dazu nötigen Rohstoffe zu enormen Klimabelastungen und Menschenrechtsverletzungen. Auch dem Menschenrecht auf Datenschutz und Privatsphäre werde regelmässig zuwidergelaufen, und eine grosse Gefahr bestehe in den Möglichkeiten der Nutzung datenbasierter Systeme für wirtschaftliche und politische Manipulation.

Peter G. Kirchschläger fordert deshalb die Einrichtung einer Internationalen Agentur für datenbasierte Systeme (IDA) die bei der UNO angesiedelt ist und als Regulierungsinstanz ähnlich der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sicherstellt, dass datenbasierte Systeme zur Einhaltung der Menschenrechte als Minimalstandard verpflichtet und ihre negativen Potenziale eingeschränkt werden. Es gibt bereits mehrere Vorschläge für eine solche Aufsichtsbehörde, und – so betonte Kirchschläger am Ende seines Vortrages – jede und jeder Einzelne könne sich via eine eingerichtete Website über menschenrechtsbasierte DS informieren und die Schaffung einer IDA ideell unterstützen.

PDF-Download des Vortrags
 

Zwischen Religion, Wirtschaft und Politik

In der Reihe «MA RWP Lectures» findet seit 2020 einmal jährlich ein Vortragsabend mit Diskussion statt. Die Referate, die im Anschluss jeweils auch gedruckt und digital publiziert erhältlich sind, vermitteln ein akademisch abgestütztes interdisziplinäres Wissen und geben Denkanstösse dazu, wie sich Individuen an den Schnittfeldern von Religion, Wirtschaft und Politik einbringen können. Sie richten sich an Studierende sowie ein darüber hinausreichendes breiteres Publikum. Im Kern geht es um ein persönliches Angebot zur Orientierung und Lebensführung, mit dem (junge) Menschen sich auseinandersetzen können, um für sich selbst herauszufinden, wie ein Miteinander in einer konfliktreichen Umwelt und Zeit gelingen kann.

Veranstalter der «MA RWP Lectures» ist das Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik (ZRWP). Es handelt sich hierbei um eine gemeinsame Einrichtung der Universitäten Basel, Fribourg, Lausanne, Luzern und Zürich sowie des Collegium Helveticum. Sie wird von der Universität Luzern aus koordiniert.

Mehr Informationen

Dr. Silvia Martens, Koordinatorin des Zentrums für Religion, Wirtschaft und Politik (ZRWP) und Studienberaterin des Joint Degree Masterstudiengangs Religion – Wirtschaft – Politik