Siri Anesi
Siri Anesi hat an der Uni Luzern Rechtswissenschaften studiert und 2017 erfolgreich abgeschlossen
Stand des Interviews: Januar/Februar 2019
Du hast dein Studium an der UniLu abgeschlossen – was machst du momentan beruflich? Ich absolviere gerade ein Praktikum am Regionalgericht Landquart, welches ich am 7. Januar begonnen habe. Anschliessend möchte ich gerne die Anwaltsprüfung ablegen, wofür ich jetzt schon Anwaltskolloquien, also kantonale Vorlesungen, besuche.
Weshalb hast du dich für die Uni Luzern und deine Studienrichtung entschieden? Die Studienrichtung stand bei mir seit dem Gymi fest. Mich interessiert vor allem das Strafrecht und auch dessen psychologische Aspekte. Was die Uni angeht: Als ich das erste Mal zur Besichtigung in Luzern war, fand die Infoveranstaltung noch im alten Gebäude statt. Es wurde aber bekanntgegeben, dass der Umbau und die Zentralisierung geplant sind. Alles in einem Gebäude zu haben, war für mich extrem praktisch, ausserdem konnte beim Neubau auch auf einen verbesserten barrierefreien Zugang geachtet werden. Logistisch konnte ich es am Ende nicht besser haben – gewohnt habe ich unter der Woche in einem Studio im Paraplegikerzentrum Nottwil.
Hattest du irgendwelche Ängste vor dem Studienbeginn? Eigentlich nicht. Ich denke, zwei Sachen haben mich sehr beruhigt: Von zuhause weggegangen war ich schon für das Gymi, ich habe im Appenzell ein Internat besucht und dort alles selbstständig gemeistert. Ausserdem war ich überzeugt, dass ich mich an der Uni gut zurechtfinden würde. Ich war am Eröffnungstag dabei und habe mir vorab schon einen Einblick verschafft.
Was waren für dich die grössten Hürden im Studium, gerade wenn man auf einen Rollstuhl angewiesen ist? Trotz der eigentlich guten Bauweise hat mir die eine oder andere Anlage Schwierigkeiten bereitet. So ist zum Beispiel die Mensa für Personen im Rollstuhl nicht sehr geeignet, da etwa die Essensausgabe und die Kasse hoch angesetzt sind. Auch mit den Zugängen im Untergeschoss, die durch schwere Feuerschutztüren führen, hatte ich so meine Mühe – alleine sind diese sehr schwer zu öffnen. So musste meistens jemand dabei sein, wenn ich einen Hörsaal betreten wollte, was für mich nicht ideal war. Auch die knapp bemessenen Pausen zwischen den Kursen stellten für mich ein Problem dar.
Was war die positivste/negativste Erfahrung deines Studiums? Schwierig zu sagen… Ein Minus haben vielleicht die Exkursionen während dem Studium dargestellt; schlicht und einfach wegen der Tatsache, dass oft nicht abgeklärt wurde, ob die Ausflugsziele auch barrierefrei zugänglich sind. Das hat mir die Teilnahmen erschwert oder verunmöglicht. Als besonders positiv würde ich das Studium an sich bewerten – Aufbau, Organisation und Inhalte haben mir sehr gepasst. Auch, dass der Studiladen im Gebäude war und das Material fürs nächste Semester schon tiptop bereit war, habe ich sehr geschätzt. Insgesamt war alles sehr stimmig, mein Studium einfach «lässig».
Wie reagierten deine Kommiliton*innen oder Dozierende auf deine Beeinträchtigung? Eigentlich haben alle immer sehr gut reagiert, das liegt wohl auch daran, dass man im Studium schon etwas älter ist. Ich habe meine Mitstudierenden immer als sehr hilfsbereit wahrgenommen, auch mit den Dozierenden habe ich keine schlechten Erfahrungen gemacht. Bei etwas Aussergewöhnlichem bin ich auf sie zugegangen, sonst war meine Beeinträchtigung auch gar nicht allzu sehr ein Thema. Hin und wieder bin ich auch zu spät gekommen, was daran lag, dass die kurze Pause schlicht nicht gereicht hat, vom 4. Stock ins EG zu kommen und auch noch aufs WC zu gehen. Negative Rückmeldungen habe ich deswegen aber nie bekommen. An der Uni ist eben viel Eigenverantwortung gefragt – das hat mir sehr gut gepasst.
Wo hat die Uni deinen Studi-Alltag erleichtert? Ich habe mir schon in vielen Bereichen unter die Arme gegriffen gefühlt. Wie gesagt ist das Gebäude gut zugänglich, mit dem Lift kommt man eigentlich überall hin. Die rollstuhlgängigen WCs im Erdgeschoss habe ich ebenfalls sehr geschätzt, schade war hin und wieder, dass diese gerne mal fremdbenutzt wurden. Ausserdem ist die Uni sehr gut erschlossen, und die Rollstuhlparkplätze direkt vor dem Gebäude machen es nochmals leichter. Auch, wenn wir zwischenzeitlich mal vier Leute mit Rollstuhl bei drei Parkplätzen waren...Aber zum Glück drückten die Parkwächter*innen von der Post da ein Auge zu, nachdem wir die Sachlage erklärt hatten.
Hast du einen Nachteilsausgleich in Anspruch genommen? Ja, ich habe einen Nachteilsausgleich beantragt und erhalten. Ich durfte die Zeit, in der ich auf die Toilette musste, nacharbeiten – das waren ca. 15 Minuten. Bei der Verbundsprüfung hätte ich ebenfalls länger Zeit gehabt, das habe ich aber nicht in Anspruch genommen.
Wo kann sich die Universität Luzern bezüglich Barrierefreiheit noch verbessern? Einen hätte ich gerade in puncto Nachteilsausgleich: Ich finde es mühsam, dass für jede Prüfung die Formulare für den Ausgleich von Neuem eingereicht werden müssen. In meinem Fall ändert sich ja weder in der Art des Ausgleichs noch am Grund dafür etwas, und der Papierkram ist aufwändig. Darum habe ich am Ende auch keinen Nachteilsausgleich mehr in Anspruch genommen, da es mir den Aufwand schlicht nicht wert war. Auf einige andere Sachen – zum Beispiel die Organisation von Ausflügen und die Bauweise der Mensa – habe ich bereits hingewiesen. Eine letzte Sache betrifft die Plätze in den Hörsälen: Personen mit Rollstuhl können sich nur zuhinterst oder zuvorderst platzieren. Im zweiten Fall bist du dann schon mal ziemlich alleine, wenn sich deine Kolleg*innen nicht zu dir setzen. Ganz oben hingegen ist es schwieriger, ganz nach vorne zu sehen oder alles zu verstehen.
Was würdest du anderen Studierenden mit einer Beeinträchtigung oder einer chronischen Krankheit mit auf den Weg geben? Was würdest du anders machen? Dass ich es sehr empfehlen kann, an der Uni Luzern zu studieren. Und einen anderen, ganz einfachen Tipp würde ich auf den Weg geben: Mit Fragen kommt man weiter! Frag um Hilfe, nach alternativen Möglichkeiten – eine Lösung findet sich praktisch immer.
Update Stand Mai 2021: Siri Anesini hat ihr Praktikum am Regionalgericht Landquart beendet und sich danach voll auf die Anwaltsprüfungen konzentriert. Momentan steckt sie mitten in der Prüfungsphase um Rechtsanwältin zu werden und danach neue berufliche Herausforderungen anzunehmen.