Saskia Weidmann
MA Weltgesellschaft und Weltpolitik | Stv. Programmverantwortliche "Task Force for Dealing with the Past and Prevention of Atrocities", EDA | * 1983
Alles beginnt mit der Sehnsucht – so fängt ein Gedicht von Nelly Sachs an. Welche Sehnsucht bewog dich zu deiner Studienwahl? Seit jeher bin ich unglaublich gerne gereist und habe die neuen Eindrücke wie ein Schwamm aufgesogen. Dabei war ich auch immer neugierig auf die Sprache, Geschichte und die Hintergründe der jeweiligen Orte und deren Bewohner. Später kombinierte sich diese Neugierde mit dem Interesse an der internationalen Politik. So begab ich mich schliesslich auf einen spannenden Studienweg, der mich von Genf über Bern nach Luzern führte. Das interdisziplinäre Masterstudium «Weltgesellschaft und Weltpolitik» vereinte meine Interessen auf eine wunderbar flexible Art und Weise und bot gleichzeitig praktische Erfahrungen durch das obligatorische Praktikum.
Auf welches Engagement während deines Studiums bist du besonders stolz? Mein Praktikum auf der Schweizerischen Botschaft in Kuwait und meine Forschungsreise nach Beirut für meine Masterarbeit. In Kuwait lernte ich mehr als in manchen Vorlesungen und in Beirut konnte ich alle im Studium erworbenen theoretischen Kenntnisse praktisch anwenden und umsetzen – eine lang ersehnte Genugtuung für all die Mühen während des Studiums.
Welcher Tätigkeit gehst du heute nach? Heute arbeite ich auf der Abteilung für Menschliche Sicherheit bei der Politischen Direktion des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Genauer bin ich stellvertretende Programmverantwortliche bei der "Task Force for Dealing with the Past and Prevention of Atrocities".
"Ich habe mein Ziel erreicht, auf sinnvolle Weise in der internationalen Politik tätig zu sein."
Welche Aspekte bereiten dir dabei am meisten Freude? Ich habe mein Ziel erreicht, auf eine sinnvolle Art und Weise in der internationalen Politik tätig zu sein. Am meisten Freude bereiten mir die interessanten Dossiers. Meine Arbeit ist aus inhaltlicher Sicht unglaublich spannend, bereichernd sind jedoch auch die Begegnungen und die intensive Teamarbeit.
"Eine dicke Haut ist in meinem Beruf wichtig."
Was sind die Schattenseiten deines Berufs? In der internationalen Politik muss man sich bewusst sein, dass man insbesondere im Bereich der menschlichen Sicherheit oft mit tiefen Abgründen, Schicksalen und nicht selten ausgesprochenen Grausamkeiten konfrontiert wird. Viel Optimismus, ein gutes Gespür fürs Abstrahieren sowie ein intellektueller Umgang mit der Materie helfen zwar, die Notwendigkeit für eine dicke Haut ist jedoch nicht zu unterschätzen. Weiter ist mein aktueller Beruf, wie viele andere, mit sehr viel Administration, einem sehr hohen Arbeitstempo und einer grossen Verantwortung verbunden.
Auf welche an der Uni erworbenen Fähigkeiten bist du am meisten angewiesen? Durch die intensive Auseinandersetzung mit verschiedensten politischen Dokumenten und Texten bin ich schnell im Interpretieren und Entschlüsseln. Ausserdem kommt mir die während des Studiums ausgeprägte Recherchearbeit häufig zugute. Aber am wichtigsten sind – und dies ist ein entscheidendes Kriterium in der Bundesverwaltung – die verschiedenen Sprachen. Ich arbeite in einem Umfeld, das stark von der französischen und der deutschen Sprache geprägt ist, kommuniziere jedoch mit Partnern in der ganzen Welt auch auf Englisch und Spanisch. Während des Studiums habe ich zudem Arabisch gelernt.
"Heute gilt es, flexibel und offen gegenüber neuen Anstellungsmöglichkeiten zu sein."
Wie verlief dein Berufseinstieg? Zunächst sehr unbefriedigend. Ich kellnerte, wie schon während des Studiums, dann hielt ich mich mit kleineren Stellen über Wasser. Unter anderem als Publisherin beim EDA, als Regieassistenz bei einem befreundeten Regisseur und als Assistentin eines Art Directors in London. Als Praktikantin kam ich dann schliesslich zur Abteilung für Menschliche Sicherheit des EDA. Und ich hatte Glück. Nach einem Jahr als Praktikantin ergab sich die derzeitige Stellvertretung bei der Task Force.
Wo siehst du dich in fünf Jahren? Abgesehen davon, dass es insbesondere für Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler immer anders kommt als man denkt, ist in meinem Interessenbereich das eindeutige Berufsbild überholt. Es gibt mittlerweile unzählige verschiedene Profile, die sich aus Studium, Praktika und den unterschiedlichsten beruflichen und persönlichen Erfahrungen zusammensetzen. Ausserdem sind Arbeitnehmende heute zu einem stärkeren Grad gezwungen, flexibel und offen gegenüber neuen Anstellungsmöglichkeiten zu sein. Demzufolge sehe ich mich als berufstätige und selbstständige Arbeitnehmerin, die in ihrer eigenen Nische ihr Potential an Erfahrungen und Fähigkeiten voll auszuschöpfen versucht.
(Stand des Interviews: Mai 2016)