Erfahrungsbericht
von Nadine Furrer
Die intensive Vorbereitungswoche
Während der Einführung zum Seminar werde ich mir bewusst, wie aufwändig und lebensecht die Simulation sein wird. Im Gebäude der Generalsstabsschule in Kriens sind verschiedene Vertreter der Universität sowie der Höheren Kaderausbildung der Armee anwesend und bereiten uns auf die kommenden zwei Wochen vor. Für besonderen Realismus an der Übung werden Vertreter/innen des Bürgenstock Resorts, der Luzerner Polizei sowie eine Vielzahl weitere Rollenspieler/innen sorgen. Geleitet wird die Übung von Patrick Hofstetter und Reto Wegmann von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern.
Zu Beginn wird uns in einem ausführlichen Briefing das Szenario und unsere damit verbundene Aufgabe erklärt: Die Konfliktparteien eines Bürgerkrieges sollen sich unter der Vermittlung der UNO und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) im Bürgenstock Resort zu einer Friedenskonferenz treffen. Die fiktive Konfliktsituation und deren Akteure wird uns detailliert anhand von Factsheets, Karten und Beziehungsdiagrammen aufgezeigt. Wir sind insgesamt neun Teilnehmende, drei aus dem MAS in Effective Leadership und sechs Studierende des Masterseminars. Gemeinsam bilden wir das Organisationskomitee einer Friedenskonferenz. Wir sind für die Organisation des gesamten Anlasses zuständig – von der Unterbringung der Konferenzteilnehmer über den Ablauf der Konferenz bis zur Medienarbeit.
Unsere Aufgabe und deren Rahmenbedingungen sind klar, der Weg zum Ziel eines möglichst reibungslosen Ablaufs der Konferenz jedoch offen. Als erstes ist von uns die Verteilung von Rollen und Aufgaben im Team gefragt. Nach einigen Diskussionen haben wir diesen ersten wichtigen Schritt hin zu einem einsatzfähigen Team vollzogen und starten mit den Aufgaben. Schon bald ist klar, dass es unzählige Schnittpunkte gibt, die verlangen, dass wir uns immer wieder untereinander absprechen. Wir diskutieren, feilschen an Ideen und machen uns schliesslich an die Organisation. Viel Zeit bleibt nicht, denn die nächsten festgelegten Termine müssen eingehalten werden. Gefragt sind eine gute und effiziente Zusammenarbeit, das Umgehen mit Zeitdruck sowie oft auch innovative und kreative Ansätze für die Bewältigung von Herausforderungen.
Gefragt sind eine gute und effiziente Zusammenarbeit, das Umgehen mit Zeitdruck sowie innovative und kreative Ansätze
Die ersten Tage sind lang, denn die Vorbereitungen für die Friedenskonferenz sind sehr umfangreich und stellen auch unsere Ausdauer auf die Probe. Die regelmässigen Inputs von Coach Rolf Born unterstützen uns darin, täglich besser zu werden und als Team weiter zu wachsen. Durch seine jahrelange berufliche Erfahrung in Politik und Privatwirtschaft hat er für uns viele wertvolle Tipps auf Lager.
Die 2. Woche - die Simulation läuft
Am Montag der zweiten Woche gilt es ernst: Die ersten Beteiligten der Konferenz reisen an. Es handelt sich um Medienschaffende und die Belegschaft des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Julia, unser Head of Guests & Room Services, quartiert die Gäste in die Zimmer des Resorts ein, erste Konfliktsituationen müssen gelöst werden. Sprachspezialisten der Armee sorgen dafür, dass auch die Vertreter/innen der russischen Delegation sehr authentisch wirken. Am zweiten Tag der Simulationswoche koordinieren wir die Anreise der Konferenzteilnehmer/innen, die ersten Verhandlungen finden statt. Im Pressesaal führen wir eine eigene Medienkonferenz durch und werden dabei von Profi-Journalist/innen mit Fragen gelöchert.
Im weiteren Verlauf der Simulation geschieht immer wieder Unverhofftes: Besonders in Erinnerung blieb mir der Moment, als plötzlich eine Leiche im Wellness-Bereich auftauchte. Unsere Pläne wurden dadurch ganz schön durcheinandergebracht. Die Telefonlinien mit dem EDA liefen heiss und es gelang uns in dieser heiklen Situation immerhin für 30 Minuten, alle Konferenzteilnehmer/innen im grossen Lake View Raum zu behalten. Nebenbei wurde die Koordination mit der Polizei sichergestellt und die Transporte wurden anders disponiert. Bei Thierry, unserem Head of Food & Beverage, war einmal mehr Improvisation gefordert, um unseren Gästen während der Wartezeit Verpflegung auf angemessenem Niveau bieten zu können. In solchen Situationen heisst es, möglichst ruhig bleiben, nach Aussen Ruhe ausstrahlen und den Ansprüchen unserer Gäste und Auftraggeber im Sinne eines Fünf-Sterne-Hauses gerecht werden.
Begleitet von weiteren Abklärungen, Planänderungen und Konfliktgesprächen geht unsere Woche schnell vorbei. Nach dem Ende der Simulation ist der letzte Tag den persönlichen Präsentationen gewidmet, wo wir unsere Erfahrungen der beiden Wochen mit den Inhalten früherer Seminare und Vorlesungen in Verbindung bringen und unsere «Lessons Learned» für die Zukunft vorstellen. Noch einmal haben wir die Möglichkeit, einander Feedback zu geben. Nachdem dieser letzte Meilenstein geschafft ist, lassen wir das Seminar bei einem Bier ausklingen.
Rückblick und Reflexion
Das Seminar Leadership ist in vielerlei Hinsicht aussergewöhnlich und ermöglicht einen besonderen Blick auf seine eigenen Fähigkeiten sowie ein gezieltes und sehr praxisnahes Training von Führungskompetenzen in anspruchsvollen Situationen. Als sehr belebend empfand ich dabei die enge Teamarbeit, sie erfordert und fördert die Prozesse der Zusammenarbeit. Das Seminar verlangt ausserdem ausgeprägte Fähigkeiten im Bereich Problemanalyse; Prozesse müssen laufend ausgewertet und angepasst werden, strategisches Denken hilft bei der Antizipation. Zudem ermöglichte mir das Seminar einen vertieften Einblick in mein Arbeitsverhalten und regte zur Selbstreflektion an. Diese Form des experimentellen Lernens hat mir sehr zugesagt. Die gewonnenen Erkenntnisse durch die eigene Reflektion sowie die persönlichen Inputs der Übungsleitung und anderen Simulationsteilnehmenden waren sehr wertvoll.
Das Seminar ermöglichte mir einen vertieften Einblick in mein Arbeitsverhalten und regte zur Selbstreflektion an
Eine Erkenntnis daraus, die ich direkt in meinem Job umsetzen kann, ist die Wichtigkeit des regelmässigen Austauschs innerhalb eines Teams. Durch kurze Briefings stellten wir die Kommunikation untereinander sicher und wussten stets, wer an was dran war oder wer gerade Unterstützung brauchte. Aufbereitete Informationen sollten zudem einfach lesbar und verständlich sein, so dass Aufgaben jederzeit voneinander übernommen werden können. Bei den zahlreichen unerwarteten Situationen, die häufig auch Stress auslösten, war es wichtig einen kühlen Kopf zu bewahren. Engpässe mussten situativ gelöst werden. Die Ansätze konnten pragmatisch oder auch kreativ sein, vorteilhaft war jedoch, dass sie von Anfang an durchdacht waren.