Bundesgericht
Internationaler Geltungsbereich der Chauffeurverordnung ARV 1 (6B_1151/2015)
X. geriet als Führer eines Reisebusses mit deutscher Zulassung im Kanton Nidwalden in eine Verkehrskontrolle. Gestützt auf die Auswertung des Fahrtenschreibers erliess die Staatsanwaltschaft Nidwalden einen Strafbefehl und sprach X. des vorsätzlichen Überschreitens der täglichen Höchstarbeitszeit, des mehrfachen fahrlässigen Nichteinhaltens der vorgeschriebenen Lenkpausen sowie des fahrlässigen Nichteinhaltens der täglichen Ruhezeiten schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse.
X. erhob Einsprache gegen den Strafbefehl. Das Kantonsgericht Nidwalden sprach X. frei. Das Obergericht Nidwalden hingegen sprach X. schuldig. Das Bundesgericht wies die Beschwerde von X. ab (Urteil 6B_1151/2015 vom 21. Dezember 2016).
X. machte vor Bundesgericht im Wesentlichen geltend, die ARV 1 (Chauffeurverordnung) sei nicht auf Verstösse anzuwenden, die mit einem im Ausland immatrikulierten Fahrzeug auf ausländischem Staatsgebiet begangen worden seien (E. 3). Das Bundesgericht hielt demgegenüber fest, dass Art. 56 SVG das Territorialitätsprinzip durchbreche. Unter anderem gestützt auf Art. 56 SVG habe der Bundesrat die ARV 1 erlassen. Ausserdem sei im internationalen Verkehr das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Strassenverkehr beschäftigten Fahrpersonals zu berücksichtigen (AETR).
Sowohl die Schweiz, wo die Verstösse festgestellt wurden, als auch Deutschland und Polen, wo der Beschwerdeführer die Verstösse begangen hatte, seien Vertragsparteien des AETR.Gemäss Bundesgericht gelangt das AETR bei internationalen Transporten von ausländischen Chauffeuren in der Schweiz direkt zur Anwendung. Weder der Ort der Widerhandlung noch die Fahrzeugimmatrikulation oder der Wohnsitz des Fahrzeugführers seien für die Zuständigkeit der Strafverfolgung ausschlaggebend. Auch im Ausland begangene Verstösse gegen das AETR beziehungsweise die ARV 1 könnten von den schweizerischen Strafverfolgungsbehörden verfolgt und bestraft werden. Dies hatte gemäss Bundesgericht zur Folge, dass die Bestimmungen der ARV 1 auch in einem Fall zur Anwendung gelangten, in dem die Widerhandlungen mit einem ausländischen Fahrzeug auf ausländischem Staatsgebiet begangen wurden. Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden konnten deshalb die Verstösse gemäss Art. 21 ArV 1 sanktionieren (vgl. zum Ganzen E. 3.1).
Fristlose Entlassung des Lastwagenchauffeurs nach Verkehrsunfall (4A_625/2016)
A. (Beschwerdeführer) war Lastwagenchauffeur der B. GmbH (Beschwerdegegnerin). Eines frühen Morgens fuhr A. mit dem Lastwagen der Beschwerdegegnerin mit einer Geschwindigkeit von mindestens 11 km/h über ein Stoppsignal hinaus und kollidierte mit einem korrekt fahrenden Personenwagen. Der Lenker des Personenwagens musste ins Spital gebracht werden. Der Personenwagen erlitt Totalschaden. Die Polizei entzog A. auf der Unfallstelle den Führerausweis. Noch am selben Tag kündigte die B. GmbH das Arbeitsverhältnis mit A. fristlos. Das Ansehen des Unternehmens habe Schaden genommen und A. sei der Führerausweis entzogen worden. Im Betrieb sei kein alternativer Arbeitsplatz vorhanden gewesen. Später wurde A. wegen grober Verkehrsregelverletzung schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe und einer Verbindungsbusse verurteilt. Als Administrativmassnahme wurde A. der Führerausweis für drei Monate entzogen.A. reichte Klage wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung ein. Der Gerichtspräsident des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland erkannte im Wesentlichen, dass die Kündigung nicht gerechtfertigt war, sprach aber keine Entschädigung nach Art. 337c Abs. 3 OR zu. Gegen diesen Entscheid erhob A. Berufung. Das Obergericht des Kantons Bern bejahte das Vorliegen eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung und wies die Klage ab. Das Bundesgericht wies die Beschwerde von A. ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 4A_625/2016 vom 9. März 2017).Vor Bundesgericht machte A. insbesondere geltend, der Unfall sei ein singulärer Vorfall in seiner gesamten Karriere als Berufschauffeur gewesen. Er sei nicht zu schnell gefahren und habe weder unter Alkohol- noch Drogeneinfluss gestanden. An Schlafmangel habe A. nicht gelitten und er habe vor dem Stoppsignal abgebremst, jedoch das entgegenkommende Fahrzeug übersehen (E. 2.2., 4 und 6.1). Der Unfall müsse als Verwirklichung eines Risikos gesehen werden, das seiner Arbeitstätigkeit als Berufschauffeur inhärent sei. Es stelle sich die Frage, ob stets ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gegeben sei, wenn sich ein inhärentes Berufsrisiko verwirkliche (E. 5.1.1).
Das Bundesgericht hielt dagegen, die Vorinstanz habe das Berufsrisiko berücksichtigt und sich mit der Stellung und Verantwortung von A. als Berufschauffeur auseinandergesetzt. Die Vorinstanz habe bundesrechtskonform erkannt, dass die Verfehlung des Beschwerdeführers nicht mit einem "inhärenten" Berufsrisiko bagatellisiert werden könne. Gerade Berufschauffeure müssten aufgrund ihrer Erfahrung und des klar erhöhten Betriebsrisikos ihres Fahrzeuges besonders aufmerksam sein. An ihr Verhalten dürften diesbezüglich besonders strenge Anforderungen gestellt werden (E. 5.1.2 und. 6.3).
Das Bundesgericht warf A. eine schwere Verletzung seiner Sorgfaltspflichten vor, da er sich als Berufschauffeur bei Verrichtung seiner Arbeitsleistung mit einem Lastwagen über eine wichtige Verkehrsvorschrift wie ein Stoppsignal vorsätzlich hinweggesetzt habe. Dieses Fehlverhalten habe sich unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis ausgewirkt. Die Verfehlung sei objektiv geeignet gewesen, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage, dass sich A. bei der Arbeit an die Regeln des Strassenverkehrs halte, tiefgreifend zu erschüttern. Trotz der kurzen Kündigungsfrist von einem Monat sei es der B. GmbH nicht zuzumuten gewesen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Dies insbesondere auch deshalb, weil kein alternativer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe (vgl. zum Ganzen E. 6.3).
Die beiden Urteilszusammenfassungen sind bereits auf Swissblawg, dem grössten Blog zum Schweizer Wirtschaftsrecht, erschienen.