Bericht: Informationsveranstaltung zum Frachtdiebstahl
Die Anwesenden, die aus der Transportbranche, aus der Versicherungsbranche und aus dem Anwaltsbereich kamen, begrüssten daher die Informationsveranstaltung sehr und regten eine Folgeveranstaltung in den nächsten drei Jahren an.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Beat Schlumpf, dem Fachbereichsleiter der Studiengänge Logistik, Betriebstechnik sowie Technischer Kundendienst und ausserdem Inhaber der GSL Consulting GmbH, dessen grosse, mehr als 30-jährige Erfahrung im Logistikbereich an den von ihm nach jedem Referat eingestreuten praktischen Beispielen aus seiner Berufserfahrung deutlich wurde.
I. Vorstellung der ABB Technikerschule
In seinem Grusswort stellte der Rektor der ABB Technikerschule (ABBTS), Kurt Rubeli, die Bildungseinrichtung vor. Da dort Logistik als Studiengang angeboten wird, widmet sich die ABBTS neben dem Unterricht auch in Fachveranstaltungen praktisch bedeutsamen Problemen aus dem Logistikbereich. Insbesondere verwies er auf die hervorragende Ausstattung der Schule, deren Dozenten sämtlich aus der Praxis kommen und so die Gewähr bieten, dass der Unterricht nicht verschult und theoretisch, sondern lebendig und praxisnah gestaltet wird.
II. Betäuben, stehlen, betrügen – die praktischen Erscheinungsformen des Ladungsdiebstahls
In das Thema der Tagung leitete Pascal Müller, Leiter Schaden Transport- und Kunstversicherungen bei der Helvetia-Versicherung, ein. Er wies zunächst auf das Problem hin, dass Frachtdiebstähle zwar ein dramatisch wachsendes Problem darstellen, gleichwohl aber darüber wenig nach aussen dringt – nicht sehen, nicht sprechen, nicht hören sei die Losung. Vielfach wollen Spediteure nicht, dass solche Probleme bekannt werden; sie wollen aufzeigen, dass sie ohne Probleme arbeiten. Es sei aber sehr notwendig, dass das Thema häufiger besprochen werde.
Sodann stellte er die verschiedenen Erscheinungsformen des Frachtdiebstahls vor: Beim "Around the Corner Theft" lotst ein angeblicher Angestellter des Empfängers den Fahrer zu einem ausserhalb des Betriebsgeländes liegenden Abladeplatz; beim Trickdiebstahl holt, angeblich im Auftrag des Sendungsempfängers, ein LKW-Fahrer die Ware ab und stiehlt diese; bei Frachtenbörsen bewerben sich Scheinfirmen um ausgeschriebene Transporte – statt die Ware zum Empfänger zu transportieren, unterschlagen sie diese. Ferner kommt Veruntreuung durch Angestellte der beauftragten Transportfirma vor.
Auch spektakuläre, hollywoodreife Fälle beleben die ereignisreichen Vorkommnisse: Diebe pirschen sich an den vor ihnen fahrenden LKW heran, öffnen diesen bei voller Fahrt und entwenden die Ware. Ein spektakuläres Video zeigte einen solchen Vorfall, der sich in Deutschland ereignete und auch Aufnahmen der rumänischen Polizei zeigten die Täter live bei ihrem lebensgefährlichen Diebstahl.
Die weitaus grösste Zahl deliktischer Handlungen beanspruchen die "Planenschlitzer-Fälle", bei denen die Planen abgestellter LKW aufgeschlitzt und Waren entwendet werden. Dem Schlaf des Fahrers wird gelegentlich mit Betäubungsgas nachgeholfen. Was aber überrascht, ist die eher selten vorkommende Gewaltausübung.
Sodann zeigte der Referent auf, wie sich die einzelnen Begehungsformen im Schadensverlauf bei der Helvetia-Versicherung manifestieren und verwies dabei auf eine Untersuchung der International Road Traffic Union aus dem Jahr 2006, die ebenfalls statistisches Material enthält. Die erschreckende Zahl, wonach in 65% der Fälle Insiderwissen verwendet wird, zeigt wie wichtig der sorgfältige Umgang mit sensiblen Informationen ist. Wohl aus Sorge um das Image ihres Unternehmens haben 30% der Fahrer den Diebstahl nicht der Polizei gemeldet.
Besonders erschreckend ist, dass die Aufklärungsquote bei lediglich 2% liegt – wohl auch der Tatsache geschuldet, dass die Polizei der Entwicklung hinterherhinkt: Nur sechs EU-Länder verfügen über spezielle Polizeikräfte gegen Transportkriminalität. Deutschland gehört nicht dazu. Hier besteht also Handlungsbedarf, zumal jährlich Waren in Höhe von 10 bis 15 Milliarden Euro gestohlen werden und die daraus resultierenden Folgeschäden (Produktionsausfall, Wiederbeschaffung etc.) viermal höher liegen als der Diebstahlschaden selbst.
Schliesslich schilderte der Referent, welche Warengruppen besonders betroffen sind: hochwertige und leicht absetzbare Güter wie etwa IT, Unterhaltungselektronik, aber auch Medikamente, die auf dem Schwarzmarkt extrem hohe Preise erzielen. Es besteht indes auch ein Trend hin zum Diebstahl billiger und deswegen schlecht gesicherter Ware. Diebstahls-Hotspots in Europa seien die Niederlande gefolgt von Belgien.
III. Ladungsdiebstahl – wer zahlt?
Der Verfasser dieser Zeilen, Thorsten Vogl, hatte das Vergnügen, sich mit der materiell-rechtlichen Seite der Frachtdiebstähle auseinanderzusetzen. Hier gilt es, sich im "Paragraphen-Dschungel" zurechtzufinden – ist ein nationales Recht anwendbar oder findet eine Transportrechtskonvention Anwendung? Je nachdem ist die Haftung unterschiedlich geregelt. Inwieweit kann (und sollte) die Haftung vor diesem Hintergrund vertraglich geregelt werden? Es wurden die verschiedenen Regelungsmodelle (kraft Gesetzes begrenzte oder unbegrenzte Haftung, Regelung im Vertrag insbesondere durch Allgemeine Geschäftsbedingungen wie die AB Spedlogswiss) dargestellt.
Vertieft wurde die Frage der Überwindung der Haftungsgrenzen nach der CMR behandelt. Da diese dann nicht gelten, wenn der Frachtführer vorsätzlich oder in einer nach dem Recht des Gerichtsorts dem Vorsatz gleichgestellten Form gehandelt hat, wird die Frage, wann ausserhalb des Vorsatzes eine unbeschränkte Haftung besteht, international sehr unterschiedlich behandelt – anders als nach anderen Transportrechtskonventionen (CIM, CMNI, Warschauer Übereinkommen), die autonome Definitionen enthalten –, so dass je nach Gerichtsstaat es sich als leicht bis fast unmöglich erweist, die Haftungsgrenzen zu überwinden.
An einem praktischen Beispielsfall wurde aufgezeigt, wie typischerweise der Argumentationsverlauf im Rahmen eines Prozesses sein wird und welche Bedeutung dem detektivischen Spürsinn der geschädigten Partei zukommt, die etwaige Einwände des Frachtführers, wie etwa, er habe nicht anders handeln können, weil die Lenkzeit überschritten gewesen und ein anderer Parkplatz als die dunkle unbewachte Haltebucht nicht auffindbar gewesen sei, mit eigenen Argumenten entkräften muss: Nach Auskunft des Systems TRANSPark der IRU (International Road Transport Union) wären sehr wohl Parkplätze frei gewesen, die Route hätte anders geplant werden müssen, um sicheren Parkraum zu erreichen etc.
Auch auf das Mitverschulden des Auftraggebers wurde hingewiesen: Wer zusätzlich zu bezahlende Sicherheitsmassnahmen unterlässt oder ablehnt und so die Diebstahlsgefahr erhöht, kann für einen Teil oder den ganzen Schaden verantwortlich gemacht werden.
IV. Rechtliche Durchsetzung von Forderungen infolge Frachtdiebstahl
An die Ausführungen seines Vorredners knüpfte Yann Moor, Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Prof. Giger & Partner in Zürich, an. Er zeigte auf, wie sehr die richtige Prozesstaktik den Ausgang eines Schadenersatzprozesses entscheidend beeinflussen kann.
Nach einer Einführung in die Rechtslage nach der CMR stellte der Referent anhand von zahlreichen Beispielsfällen aus der internationalen Rechtsprechung dar, wie uneinheitlich die Gerichte in verschiedenen Staaten entscheiden, wenn es um die Nichtgeltung der CMR-Haftungsgrenzen infolge eines dem Vorsatz dort gleichgestellten Tatbestands geht. Das führe zu dem Phänomenen des "forum shopping" – der Anwalt, dem die Wahl zwischen mehreren Gerichtsständen zukommt, macht die Klage in dem Staat anhängig, in dem für seinen Mandanten die besten Erfolgsaussichten bestehen.
Zudem wurde das "forum running" erläutert – kurz gefasst: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer zuerst eine Klage an dem ihm erfolgversprechendsten Gerichtsort anhängig macht, hindert seinen Gegner an einer zweiten Klage bei anderen Gerichten. Anhand der negativen Feststellungsklage wurde aufgezeigt, dass die Sperrwirkung einer solchen negativen Feststellungsklage international nicht einheitlich bewertet wird. Schweizerische und österreichische Gerichte lassen, sofern eine negative Feststellungsklage erhoben wurde, keine weitere Klage zu. Anders die deutsche Rechtsprechung, die hierfür zu Recht vom EuGH kritisiert wurde.
V. Versicherungslösungen
Auch Karim Drai, Global Insurance Brokers, Muttenz, wies eingangs seines Referats auf die starke Zunahme der Frachtdiebstähle hin. Die Transported Asset Protection Association (TAPA) weist für den Zeitraum Januar bis August 2016 1146 Vorfälle aus; im gleichen Zeitraum des Vorjahres wurden nur 471 Fälle registriert. Durchschnittlich ist ein Warenwert von ca. 93.000 Euro betroffen. Die meisten Diebstähle ereignen sich in Grossbritannien, gefolgt von den Niederlanden, Deutschland und Schweden. 45% aller Vorfälle ereignen sich auf unbewachten Parkplätzen.
Mit diesen Hinweisen auf die Statistik zeigte der Referent auf, welche Schäden im Einzelnen entstehen können. Dabei ist der Wert der Ware selbst nur ein Schadensposten. Zu denken ist an die nutzlos gezahlte Fracht, an Folgeschäden infolge Nichtauslieferung, mögliche Zusatzaufwendungen wie Reproduktionskosten, bei der Spedition anfallende Zollforderungen, beim Frachtführer anfallende Kosten für Reparatur und Ausfall des beschädigten Fahrzeugs und im schlimmsten Falle Heilungskosten bei Verletzungen des Fahrers. Dabei wurde verdeutlicht, welche Versicherung jeweils welche Schäden abdeckt.
Wichtig war der Hinweis auf die Schadenstragung im Einzelfall – je nachdem wer haftet, bleibt der Schaden an dem einen oder dem anderen Beteiligten hängen. Hatte der Frachtführer sich richtig verhalten, auf einem bewachten Parkplatz geparkt, den LKW korrekt gesichert und Weisungen des Auftraggebers befolgt, handelt es sich für ihn um ein unabwendbares Ereignis – er zahlt nichts. Dann hat der Empfänger den Schaden selbst zu tragen. Entsprechend müssen alle Parteien daran denken, diese Risiken, gerade wenn sie sich bei wertvollen Gütern in einem existenzbedrohenden Bereich bewegen, abzudecken.
Die verschiedenen Varianten – keine Haftung des Frachtführers, limitierte Haftung des Frachtführers, vollumfängliche Haftung des Frachtführers etc. – wurden durchgespielt und aufgezeigt, wie sich in den jeweiligen Fällen die Schadenstragung der beteiligten Personen darstellt. Das Referat schloss mit Hinweisen, was allgemein im Vorfeld des Transportes und im Rahmen der Transport-, der Speditionshaftpflicht- und der Frachtführerhaftpflichtversicherung zu beachten ist.
VI. Schwachstellenanalyse – wie kann durch Technik und geschulte Mitglieder das Diebstahlsrisiko minimiert werden?
Nach einer Kaffeepause, welche die Teilnehmer zu angeregten Diskussionen nutzten, referierte Beat Schlumpf, Fachbereichsleiter für Logistik, Betriebstechnik und Technischen Kundendienst an der ABB Technikerschule über die Kernfrage, wo im Betrieb Diebstahlsrisiken bestehen und wie man diese verhindern kann.
Gemäss Schweregrad der Vorkommnisse zu unterscheiden sind die Entwendungen, bei denen eine unerwartete Gelegenheit ausgenutzt wird und es meistens um Kleinsendungen geht, die für den persönlichen Gebrauch oder das familiäre Umfeld entwendet werden, sei es durch eigene Angestellte, durch Subunternehmer oder Abholer. Wichtig ist, die Angestellten über regelmässig vorzulegende Strafregisterauszüge zu überprüfen, aber auch Kontrollen zu veranlassen.
Beim Diebstahl arbeiten die Diebe oftmals mit dem Unternehmen verbundenen Personen zusammen; bisweilen werden Komplizen eigens in das Unternehmen eingeschleust und/oder es agieren ganze Diebesbanden. Die Täter arbeiten selten alleine. Der Diebstahl kann während der gesamten Lieferkette erfolgen und wird oft erst viel später festgestellt. Die Ware wird selektiv im Hinblick auf einen späteren Verkauf gewählt; Diebstähle werden unter anderem durch gezielte Falschangaben in den Transportdokumenten verschleiert.
Abhilfemassnahmen sind Zusammenarbeit mit Polizei und Transportversicherer, Prozesse auf Sicherheitsmängel überprüfen, Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeitenden und deren Verhalten kennen, schnelle Durchlaufzeiten/Routen sind vorab zu bestimmen, Schnittstellen zwischen Mitarbeitenden, Lager und Servicedienstleister müssen beachtet werden – insbesondere bei "Ware in Transit", nur Fahrzeuge dürfen ins Areal gelassen werden, welche vorher kontrolliert und identifiziert wurden.
Am einschneidendsten ist die organisierte Kriminalität. Auch hier handeln Diebesbanden in Zusammenarbeit mit oftmals bewusst in das Unternehmen eingeschleusten Personen, die nicht nur stehlen, sondern den Verkauf und alle anderen notwendigen Vorgehensweisen organisieren. Die Tätigkeit organisierter Banden ist meist auf den Diebstahl grösserer Mengen über längere Zeiten ausgelegt.
Zwecks Abhilfe ist empfohlen: Einstellung eines Sicherheitsmitarbeiters, alle Unregelmässigkeiten müssen im Detail geklärt bzw. aufgeklärt werden: Aufbau eines Reporting, systematische Erfassung, damit Diebstahlmuster erkennbar werden, periodische Inspektionen, es muss der Zugang der Mitarbeitenden zu Informationen überprüft werden, TAPA-Sicherheitsstandards sollten eingeführt werden, regelmässige Sicherheitsaudits müssen stattfinden.
Ferner bedarf es der eingehenden Schulung der Mitarbeiter, insbesondere um das Sicherheitsbewusstsein bei den Mitarbeitenden zu schärfen: Sensibilisierung für Sicherheitsthemen fördern, sorgfältiges Arbeiten einfordern, Entwendung/Diebstahl stets melden, auch wenn es nur um einen geringem Warenwert geht, Unregelmässigkeiten und Sicherheitsmängel sofort mitteilen, Prozesse schulen: Sicherheitszonen, Türen sind immer geschlossen zu halten, sofern nicht gerade geladen/entladen wird.
Beim Strassentransport müssen Fahrer sowie das Personal, das mit der Ware in Kontakt kommt, gut überprüft werden. Das Equipment muss in gutem Originalzustand ohne Modifikationen sein. Es bedarf klarer Vorgaben für Pausen. Fahrer sollen nicht über die Ladung sprechen; von der geplanten Route soll nicht abgewichen werden. Ein Transport von Waren mit hohem Wert über das Wochenende ist zu vermeiden. Lastwagen sollen eindeutig mit einer Zahlenkombination identifiziert werden. Insbesondere im Transit sind Plomben (Seals) einzusetzen und auf Transportdokumente ist zu achten.
Auch muss diebstahlsvermeidende Technik eingesetzt werden: Schliesssyssteme, die im Lastwagen angebracht sind und sich von aussen nicht sichtbar öffnen/schliessen lassen mit Fernbedienung, GPS-Satellitenüberwachung, RFID-Tracking, Alarmsysteme, automatische Nummernschilderkennung sowie Vorhängeschlösser mit Echtzeitmonitoring und Tracking.
Zum Abschluss gab der Referent einen Einblick in die Entwicklung weiterer Techniken, die dereinst zum Einsatz kommen werden: Gesichtserkennung, Tippverhaltensbiometrie (Dateneingabe), Detektoren, überwachte Wegstrecken.
VII. Frachtenbörsen – modernes Frachtkostenmanagement
Andreas Wittwer gab in seinem Vortrag einen Einblick, wie sein Unternehmen über die Einrichtung einer Frachtenbörse den Transport von und zu den neun in der EU bestehenden Produktionsstandorten seines Unternehmens günstig organisiert hat.
Um die Gefahren der Warenunterschlagung zu minimieren und sicherzustellen, dass die Kooperationspartner seriös sind, wurden diese vor Vergabe von Aufträgen registriert. Dem Registrierungsprozess ging eine eingehende Prüfung, ob eine Scheinfirma vorliegt sowie eine Bonitätsprüfung voraus. Nur an entsprechend überprüfte und registrierte Transportunternehmen wurden die Transportaufträge vergeben. Gegebenenfalls erfolgten Einschränkungen bei der Vergabe, etwa indem nur bestimmte Versandstandorte oder nur bestimmte Länder für einen einzelnen Frachtführer freigegeben oder Beschränkungen auf bestimmte Einkaufsarten vorgenommen wurden.
Hatte somit ein Frachtführer in bestimmten Bereichen Probleme, bekam er in diesen Bereichen keine Aufträge. Die Durchführung bzw. die Qualität der Transport-Dienstleistung wurde ständig überprüft; ggf. erfolgte aufgrund des Prüfergebnisses eine Anpassung der Bedingungen für einzelne Transportunternehmen.
VIII. Technische Sicherungseinrichtungen zum Ladungsschutz
Einen Überblick über die technischen Sicherungseinrichtungen zum Ladungsschutz gab Marina Morawietz von den Basler Versicherungen. Eingangs ihres Referates machte sie deutlich, dass Frachtdiebstahl das grösste Risiko in der Lieferkette darstellt – Tendenz steigend.
Bereits die Wahl der Transportmittel selbst ist entscheidend, wobei die Güterspezifika ebenso zu berücksichtigen sind wie Standortspezifika. Die Standortspezifika zu bestimmen helfen Systeme wie FreightWatch, SECULOG oder Eurowatch. Bei den Sicherungseinrichtungen gibt es solche, die rein mechanisch funktionieren, solche im elektronischen Bereich und IT-gestützte Systeme.
Zu den neutralen Sicherungen zählen – ganz einfach – die neutrale Verpackung, die vermeidet, dass Diebe den Warenwert erkennen können, Stahlbolzensiegel, feste LKW-Aufbauten, aber auch etwa die Intelligent Banknote Neutralization, bei der das Öffnen des Behältnisses dazu führt, dass sich Farbe und oder Klebstoff über die Banknoten ergiesst und diese so unbrauchbar macht. Zu den elektronischen Sicherungseinrichtungen gehört die Überwachung durch Kameras am Fahrzeug selbst oder auf bewachten Rastplätzen, GPS-Peilsender, RFID-Wearables für die Zugangskontrolle, RFID-Inventarkontrolle und auch Tracker. Software-Sicherungseinrichtungen stellte die Referentin anhand des Sytems PositionLogic vor. Neben dem Tracking ging sie auf die sichere Routenplanung und Telematik ein. Auch die zahlreichen weiteren Software-Sicherungseinrichtungen, die es auf dem Markt gibt, wurden kurz erwähnt.
Zu Recht betonte die Referentin aber auch, dass stets der "Faktor Mensch" beachtet werden muss, was die bereits im Referat von Beat Schlumpf erwähnten Präventions-, Informations- und Interventionsmassnahmen erforderlich macht. Hierfür gibt es Standards: Service Level Agreements, Vorgaben der Versicherer und die TAPA-Zertifizierung.
Dieses Stichwort leitete über zu den Anforderungen, die die Versicherung im Rahmen der Police an ihre Kunden stellt. Im Rahmen der Standard-Warenversicherung gibt es lediglich Empfehlungen; erst bei diebstahlsgefährdeten Gütern ab 200.000 CHF Warenwert macht die Versicherung konkrete Vorgaben für Sicherheitsstandards. Mit Bezug auf Grosskunden, bei denen besonders hohe Werte transportiert werden, gibt es für den Einzelfall entworfene Vorgaben. Die Anforderungen steigen so mit Warenwert und Diebstahlsgefahr. Welche Sicherungen die Versicherung verlangt, verdeutlichte die Referentin sodann an einem Auszug aus den Sicherheitsbestimmungen der Bâloise.
Der Vortrag endete mit der etwas pessimistischen Feststellung: "Ein Restrisiko bleibt immer bestehen. Die Diebe sind uns immer einen Schritt voraus."
IX. Erhöhung der Sicherheit durch Standards und Zertifikate
Zum Abschluss der Veranstaltung gab Stefan Wolf aus der Geschäftsleitung der Qualinet Consulting AG einen Einblick, wie durch Standards und Zertifikate die Sicherheit in der Lieferkette erhöht werden kann. Er stellte dar, was ein Unternehmen im Rahmen der Prozessorganisation beachten muss und wie sich im Laufe der Zeit die Prozessorganisation in Unternehmen entwickelt und verändert hat. Unterschätzt wird das Erfordernis der Kundenzufriedenheit – der Eintritt einer Versicherung hilft nichts, wenn der Kunde mit der Leistung des Transportunternehmens unzufrieden ist. Diebstahlsvorbeugende Massnahmen sind deswegen auch unter diesem Aspekt wichtig.
Dieser Beitrag wird in einer leicht erweiterten Fassung in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift "Strassenverkehr/Circulation routière" (SV 01/2017) erscheinen.
Ass.iur. Thorsten Vogl, Vizepräsident Swisscham Africa (Handelskammer Schweiz-Afrika), Mitglied des Vorstands der Ständigen Schweizerischen Schiedsgerichtsorganisation (SGO) Zürich, Dozent für allgemeine Rechtskunde sowie für Transport- und Logistikrecht an der ABB Technikerschule Baden (AG), Ehrenmitglied der Association pour l’unification du droit en Afrique (UNIDA), Paris