Bericht: Die Export Compliance-Verantwortung des Spediteurs
Sowohl die breit gefächerten Themenschwerpunkte der Referate als auch die aus verschiedenen Branchen stammenden Teilnehmer, bspw. von kleinen und grossen Speditionsunternehmen, Versicherungen, Verbänden und Kanzleien, versprachen die praxisorientierte Compliance-Tagung in der Leuchtenstadt informativ und abwechslungsreich zu gestalten. Im Mittelpunkt stand der erfolgreiche Umgang mit Export Compliance-Risiken als Wettbewerbsvorteil.
Herausforderungen bei Exportkontrollen
Die Exportkontrollen für Speditions- und Logistikunternehmen standen im Einführungsreferat von Jürgen Boehler-Royett Marcano im Vordergrund. Als Chef für Dual Use Licensing am Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Bern versorgte er die Teilnehmenden mit Informationen aus direkter Quelle.
Zu Beginn ging der Referent den Fragen nach warum es Exportkontrollen überhaupt benötigt, wie die Ziele jener aussehen und welche Akteure beim Export involviert sind. Demnach werden durch Exportkontrollen dem Aussenwirtschaftsverkehr eines Landes/eines Wirtschaftsraumes rechtliche Beschränkungen auferlegt (Handelskontrollen), um die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (Nonproliferation) und darüber hinaus eine unkontrollierte Verbreitung von konventionellen Rüstungsgütern zu verhindern. Ferner dienen sie auch der Terrorismusprävention. Gesamthaft dienen sie daher den wesentlichen Sicherheitsinteressen eines Landes bzw. Wirtschaftsraumes und folglich der Sicherung eines friedlichen Zusammenlebens der Völker. Die beteiligten Akteure sind zum einen Wirtschaftsakteure (bspw. Spediteur und Logistiker) und zum anderen nationale und internationale Akteure.
Besonderes Augenmerk wurde anschliessend auf die Aufgaben der SECO Trade Control gelegt, welche den (/die Gesuche um) Export von Gütern auf Übereinstimmung mit den verschiedenen nationalen und internationalen Regimen, Richtlinien, Gesetze und Verordnungen zur Vermeidung von Proliferation zu untersuchen. Insbesondere ermitteln und prüfen sie die Endempfänger sowie die Endverwendung der Güter.
Des Weiteren ist in diesem Sektor die Unterscheidung zwischen Exportkontrollen und Sanktionen von Bedeutung, da sich Exportkontrollen auf Güter, Software und Technologien bezieht, während sich Sanktionen auf Länder, Personen, Unternehmen und Organisationen sowie Güter beziehen können. Die Ziele sind zudem bei Exportkontrolle völkerrechtlich verbindliche Massnahmen zu treffen und gegenseitige internationale Unterstützung zu fördern, während Sanktionen auf den Schutz der Menschenrecht, Vermeidung von Terrorismus und die Reduktion von militärischem Potenzial zielt. Anschliessend ging der Referent auf die messbaren (Strafen) und nicht messbaren Risiken (Reputationsschaden) im Falle einer Non-Compliance ein. Im Folgenden zeigte Boehler-Royett Marcano explizit die Pflichten des Spediteurs in einer Gegenüberstellung zu jenen des Exporteuers (Absenders) nach Güterkontrollverordnung (GVK) und Embargogesetz (EmbG) auf sowie deren strafrechtliche Verantwortung nach Güterkontrollgesetz (GKG) und EmbG.
Verantwortung und Haftung des Spediteurs
Für den Einstieg seines Referat zur Verantwortung und Haftung des Spediteurs gegenüber Versender und Empfänger wählte Prof. Dr. iur. Andreas Furrer, LL.M., Ordinarius an der Universität Luzern, Direktor der KOLT und Rechtsanwalt bei MME Legal | Tax | Compliance anschauliche Beispiele von Unternehmen und Händlern, welche Embargos oder Exportbeschränkungen missachteten und daraufhin zur Rechenschaft gezogen wurden. Im Anschluss gab der Referent einen Überblick zu den Rechtsquellen im Bereich des Exports, d.h. Embargogesetze, Güterkontrollgesetzgebung und Richtlinien zur Ausfuhr von Kriegsmaterial. Besonders betonte er zudem die extraterritoriale Wirkung von ausländischen Rechtsordnungen wie bspw. der USA oder EU und deren Folgen.
Im Folgenden erläuterte Prof. Furrer die Haftungsvoraussetzungen im Exportkontrollrecht. Vorweg wurde die Tatsache festgehalten, dass die Aktivitäten der Handelnden (Verkauf, Vermittlung und Handel, Lieferung, Datentransfer, Ausfuhr, Einfuhr) und nicht die Funktion derer (Exporteur, Spediteur oder Frachtführer) massgebend sind. Ein Spediteur kann sich nach Schweizer Recht als direkt handelnde Person wie auch als Gehilfe strafbar machen. Bei einem überwiegenden Anteil der Export-Aktivitäten hat der Spediteur zwar lediglich die Stellung als Gehilfe, jedoch kann er bei gewissen Aktivitäten (Vermittlung von Waren, Lieferung, Ausfuhr, Einfuhr, usw.) auch als Haupttäter in Frage kommen. Überschattet wird die Kategorisierung als Haupttäter oder Gehilfe von unbestimmten Rechtsbegriffen (inter-)nationaler Rechtsordnungen.
US and European Export Control Regimes
Ausgehend vom Lotus-Prinzip erklärte David Hayes, Direktor von David Hayes Export Controls, Leicester die extraterritorialen Wirkungen der EU- und USA-Exportgesetzgebung. Die extraterritoriale Wirkung der EU Sanktionsgesetzgebung betrifft EU-Mitgliedern sowie Flugzeuge und Schiffe unter der Flagge eines EU-Staates. Darüber hinaus verfügen gewisse EU-Länder über eine extraterritoriale Wirkung ihrer Gesetze in Bezug auf die Vermittlung von militärischen Gütern, sofern ein eigener Bürger beteiligt ist. Die extraterritoriale Wirkung der US-Exportgesetzgebung ist noch weitergehender, da ihre Exportregulierung unbegrenzt extra-territoriale Wirkung aufweist, auch für Nicht-US Personen ausserhalb der USA. Im Folgenden veranschaulichte Hayes die Bedeutung der „See through“-Rule und „De Minimis“-Regelung.
Überbindung der Compliance-Verantwortung
Der nächste Vortrag von Dr. iur. Juana Vasella, Co-Direktorin der Kompetenzstelle für Transport- und Logistikrecht der Universität Luzern sowie Rechtsanwältin bei MME Legal | Tax | Compliance gab den Teilnehmenden einen Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen der vertraglichen Überbindung der Compliance-Verantwortung. Die Compliance als relativ neue Regelungsmaterie stelle die Unternehmen vor die Frage, man damit umgehe: Schafft man eine interne Compliance-Abteilung, outsourct man das Gebiet an einen Externen oder wählt man einen Mittelweg mit Teiloutsourcing und interner Kontrollstelle. Beide Varianten verfügen sowohl über Vorteile als auch über Nachteile. So begibt sich eine Unternehmung, die outsourct in die Abhängigkeit eines Dritten, welcher nicht die Loyalität und das Wissen über die Unternehmung aufweisen kann, wie eine interne Compliance-Abteilung. Je nach Unternehmen (Grösse, Organisation, Kultur, aktuelle Geschäftspolitik) kann zudem der Kostenfaktor entscheidend sein.
Grundsätzlich ist jedoch zu beachten, dass nicht alle Verantwortung übertragen werden kann. Denn Oberaufsicht, Sorgfaltspflichten und Dokumentations-/Nachweispflichten obliegen weiterhin nach Gesetz der Unternehmung, welche diesen Bereich auslagert. Es gibt zur Zeit zwar keine spezielle Regelung für den Transportrechtsbereich, jedoch lohnt sich ein Blick zur Richtlinien zum Outsourcing bspw. im Finanzbereich. Nicht zu Vernachlässigen ist des Weiteren die Ausgestaltung des „Mandatsvertrages“ zwischen dem Unternehmen und dem externen Compliance-Beautragten, weshalb die Referentin einige Vorschläge für eine Ausgestaltung liefert und auf die Herausforderungen beim Verfassen hinweist.
Erwartungen des Verladers und des Frachtführers an die Export Compliance
Im ersten Referat nach der Mittagspause stellte Erika Stobbe, von der Compliance Officer Industry, Engery, Huba Control AG sowie Siemens Schweiz AG das Compliance System der Siemens Schweiz AG vor. Letztere ist durch einen medienträchtigen Korruptions-Skandal in 2006 wachgerüttelt worden, was die Unternehmung dazu anregte das Compliance-Konzept der AG komplett umzustrukturieren und auszubauen, insbesondere auch die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern (wie bspw. Spediteure). Diese bergen für Unternehmen ein grosses Compliance-Risiko. Aus diesem Grund hat Siemens ein Due Dilegence Prüfung für externe Beziehungen eingeführt. Des Weiteren haben sie für Lieferanten einen Code of Conduct entwickelt, den alle mit ihnen in einer Beziehung stehende Lieferanten unterzeichnen müssen, um Nachhaltigkeit, Beachtung der Gesetze und Grundrechte einzuhalten und Korruption und Kinderarbeit zu verbieten.
Im Vortrag des Legal Counsel der Swiss International Air Lines Ltd., Martin Hensel, thematisierte dieser die Anforderungen, welche die Luftfrachtführer an die (Export-)Spediteure haben. Diese sind vor allem Sorgfalt und Voraussicht bzgl. ihrer Ware sowie die Vorschriften beim Export. Nur wenn ein Spediteur rechtzeitig Exporthindernisse erkennt, kann einen reibungsloser und gesetzeskonformer Ablauf des Transportes garantieren werden. Konkret bedeutet dies, dass der Spediteur die Ware daraufhin untersucht, ob diese in Länder geliefert werden, welche CH-, UN- oder US-Embargos unterliegen und ob eine exportrechtliche Genehmigungspflicht für die Güter besteht. Das Vorbereiten und zur Verfügung stellen der nötigen Informationen und Papiere gehört ebenfalls zur ihren Aufgaben. Gesamthaft sei festzuhalten, dass der Spediteur bei Zweifeln über die Zielbestimmung der Ware Rückfragen tätigen, Abklärungen einholen und eine gewisse Vorsicht walten lassen soll.
Technisches Know-How und Chancen im Bereich der Compliance
Peter Henschel, Managing Director Compliance bei MME Legal | Tax | Compliance, und Thomas Koller, Sales Director von Amber Road Switzerland AG, verbanden ihr Know-How im Bereich der Best Practice des technischen Angebots zur Sicherstellung der Compliance in der Exportkontrolle im vorletzten Referat. In einem in einen theoretischen und praktischen Teil aufgeteiltes Referat erklärten den Umgang mit dem Internen Compliance Programm (ICP). Dieses bietet Unternehmen, die Export betreiben eine Reihe von interessanten und den Alltag vereinfachenden Funktionen: Management Verantwortung & Compliance im Export; Aufbauorganisation; Ablauforganisation; Klassifizierung von Gütern; Software und technischer Dokumente; „Know your customer“, End-User und End-Use check; Transaktionsprüfung (Lizenzen, Embargos/Sanktionen, Red-Flags); Dokumentation, Training und Audits. Insbesondere anhand von Beispielen direkt in dem entwickelten System konnte den Teilnehmern verdeutlicht werden, wie dieses Programm funktioniert und welchen Nutzen es für eine exportierende Unternehmung haben kann.
Chancen der Compliance
Zum Abschluss konnte Prof. Dr. rer. pol. Christian Hauser vom PRME Business Integrity Action Center, Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur, aufzeigen, dass Compliance neben Herausforderungen auch Chancen hervorbringt. Ausgehend von einer Darstellung, warum Korruptionsbekämpfung benötigt wird und welche Bedeutung diese seit Einführung/Verstärkung hatte, wurde ersichtlich, welche Auswirkungen sie vor allem auf die Reputation von Unternehmen hat. Es ist ein Umdenken von Unternehmen zu fördern, welches Abstand von der Haltung „haltet uns Ärger vom Hals“ gewinnt und durch den Ansatz der „wir wollen integre Geschäfte machen“ ersetzt. In der heutigen Gesellschaft ist es das Einhalten von Regeln, Gesetzen und Richtlinien ein Qualitätsmerkmal geworden. Nur mit integren Unternehmen möchte man auch auf längere Zeit Geschäfte machen und als festen Partner erhalten.
In der abschliessenden Diskussionsrunde konnten einzelne Themen der Referate nochmals genauer betrachtet und vorhandene Fragen geklärt werden, so dass die Teilnehmer mit vielen lehrreichen Informationen in den Feierabend entlassen werden konnten.
Theresa Ruppel, MLAW, wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Privatrecht, Universität Luzern, sowie Mitarbeiterin der Kompetenzstelle für Logistik- und Transportrecht KOLT