Rechtliche Hürden für den Palettentausch – praxisnah erklärt
1. Wirksamkeit der Anwendung deutschen Rechts
Die Voraussetzungen für die Anwendungen deutschen Rechts müssen bei den ausländischen Auftragnehmern vorliegen (Lugano-Übereinkommen [EFTA-Staaten] oder Brüssel I–VO (EG) Nr. 44/2001 [EU-Staaten]).
2. Prüfung des Inhalts der entsprechenden Klauseln des Vertrags
Hier gilt, dass ein Palettentausch – gleich in welcher Form auch immer – nur bei einer entsprechenden Vereinbarung durchzuführen ist, da es an einer gesetzlichen Regelung oder an sonstigen verbindlichen Normen oder an einem Handelsbrauch fehlt.
Zunächst ist zu klären, ob aus der Klausel eindeutig hervorgeht, wie der Palettentausch durchgeführt werden und welche Pflichten der Auftragnehmer erfüllen soll.
a) Ohne Einsatz eigener Paletten
Sollen nur Paletten an der Beladestelle übernommen und an einer bestimmten Abgabestelle abgegeben oder zur Abholung bereit gehalten werden? („Palettentausch mit Rückführungsverpflichtung“; möglicherweise aber auch „Einfacher Palettentausch“, wenn es an einer klaren Rückführungsregelung fehlt.)
b) Mit Einsatz eigener Paletten
Soll ein „Doppeltausch“ durchgeführt werden, d.h. soll der Auftragnehmer „eigene“ Paletten an der Beladestelle bei Übernahme der beladenen Paletten zum Transport abgeben und zum Ausgleich dieses „Palettendarlehens“ an seinen Auftraggeber die vom Empfänger zurückzugebenden Paletten gleicher Menge, Art und Güte behalten dürfen?
c) Tauschrisiko
Soll es – unabhängig davon, ob ein „Palettentausch mit Rückführungspflicht“ oder ein „Doppeltausch“ vereinbart ist – zu Lasten des Auftragnehmers gehen, wenn der Empfänger keine oder nicht vertragsgerechte Paletten zurückgibt oder zur Rücknahme anbietet? (Palettentausch mit Übernahme des Tauschrisikos)
d) Qualitätsrisiko
Soll der Auftragnehmer verpflichtet sein, seinem Auftraggeber immer Paletten einer bestimmten Qualität zurückzugeben, und zwar unabhängig davon, welche Paletten er selbst vom Empfänger erhält? (Übernahme des Qualitätsrisikos)
3. Prüfung der Wirksamkeit der entsprechenden Palettenklauseln
a) Grundsätzliches
Da die Prüfung der Palettenklausel(n) im Einzelfall schwierig sein kann, können hier nur allgemeine Hinweise für die Praxis erfolgen.
b) Allgemeine Voraussetzungen
Es ist immer erforderlich, dass die Klauseln bereits bei Vertragsschluss einbezogen werden. Klauseln, die erst danach von einer Partei einseitig eingebracht werden, z.B. als Bedingungen auf später ausgehändigten Papieren (Musterfall: Palettenschein) – werden nur dann Vertragsinhalt, wenn die Parteien sich auf ihre spätere Einbeziehung geeinigt haben.
c) Inhaltliche Prüfung
aa) Abgrenzung Individualvereinbarung / AGB-Klauseln
Das deutsche Recht unterscheidet zwischen Individualvereinbarungen und vorformulierten, von einer Seite eingebrachten Bedingungen (AGB-Klauseln).
a‘ Individualabreden: Individualvereinbarungen setzen voraus, dass die Parteien über die zu regelnden Punkte gesprochen haben, beide die Möglichkeit hatten, ihre Auffassung darzulegen und es dann zu einer Einigung kam. Das muss derjenige beweisen, der sich auf solche Vereinbarungen beruft. Durch Individualabreden können auch weitreichende vertragliche Pflichten vereinbart werden. Es darf aber nicht gegen gesetzliche Pflichten verstossen werden (§ 134 BGB), die Grenzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sind einzuhalten und es darf keine Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) vorliegen. Insbesondere dürfen z.B. keine Knebelungsverträge, bei den die wirtschaftliche Zwangslage der anderen Seite oder ihre Unerfahrenheit ausgenutzt wird, geschlossen werden. Individualabreden kommen im Tagesgeschäft fast nie vor und sind oftmals auch nicht beweisbar. In der Praxis wird, ausser bei Grossprojekten, die ausgehandelt werden, im Regelfall mit von einer Seite vorformulierten Klauseln, also Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), gearbeitet.
b‘ AGB-Klauseln: Für AGB-Klauseln gelten wesentlich engere Grenzen. Sie dürfen nicht überraschend oder mehrdeutig bzw. unklar sein (§ 305c BGB) und die andere Seite nicht einseitig benachteiligen. Im kaufmännischen Bereich – und um den geht es bei Fracht- und Speditionsverträgen in aller Regel (ausgenommen im Umzugsbereich, der hier nicht behandelt werden soll) – ist die Generalklausel des § 307 BGB heranzuziehen. Nach § 307 Abs. 2 BGB sind Klauseln in AGB unwirksam, wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen werden soll, nicht vereinbar sind. Für den Palettentausch gibt es nach deutschem Recht, wie bereits erwähnt, aber keine gesetzlichen Regelung und auch kein allgemein anerkanntes Leitbild. Hinzukommt, dass die verschiedenen Formen des Palettentausches sehr unterschiedliche Pflichten für den Auftraggeber beinhalten, so dass für jede dieser Tauschformen eine eigene Prüfung vorzunehmen ist.
bb) Generelle Übersicht über unwirksame AGB-Klauseln
Folgende Klauseln in AGB werden nach herrschender Rechtsauffassung grundsätzlich als unwirksam angesehen:
- Verpflichtung zur Übernahme des Tauschrisikos.
- Verpflichtung zur Übernahme des Qualitätsrisikos (unter Beachtung des Grundsatzes, dass kein Beteiligter der Palettentauschkette bessere Paletten herauszugeben hat, als ihm selbst übergeben wurden).
- Verpflichtung zur generellen Rückführung von Paletten an die Beladestelle oder eine bestimmte Abgabestelle unabhängig davon, ob der Umweg zur Ablieferung der Leerpaletten mehr als 15 % der bezahlten Frachtstrecke beträgt.
- Verpflichtung zur Zahlung überhöhter Pauschalbeträge bei Nichtrückgabe oder verspäteter Rückgabe von Paletten, soweit die andere Seite nicht die Möglichkeit haben soll, nachzuweisen, dass nur ein geringer Schaden entstanden ist.
4. Worauf sollte weiter geachtet werden?
a) Doppeltausch
Diese Tauschform, die viele Vorteile bringen kann, sollte seitens des eingesetzten Verkehrsunternehmens nur dann vereinbart werden, wenn es auch in der Lage ist, eigene Leerpaletten in geeignet Art, Güte und Menge an der Ladestelle abzugeben, ansonsten sind Probleme vorprogrammiert. Die vertragswidrige Nichtabgabe von Paletten an der Beladestelle kann nicht dadurch kompensiert werden, dass das Verkehrsunternehmen keine Tauschpalettten an der Entladestelle annimmt.
b) Verhalten bei Nichttausch oder nicht vertragsgerechtem Tausch durch Empfänger
Enthält die Palettenklausel Ausführungen dazu, wie sich der Frachtführer verhalten soll, wenn der Empfänger
- die Herausgabe von Tauschpaletten ablehnt (mit oder ohne Angebot der Übergabe eines Palettenscheins),
- nicht gebrauchsfähige Paletten zur Herausgabe anbietet oder
- verlangt, dass die Tauschpaletten an einem anderen Ort (Verzögerung mehr als eine Stunde), z.B. bei einem Dienstleister, abgeholt werden sollen?
c) Verjährung von Palettenforderungen
Auch auf der Transportebene zwischen Auftraggeber und eingesetztem Verkehrsunternehmen – gilt auch für das Verhältnis zwischen Spediteur und (Unter-)Frachtführer – dürfte nach neuerer Auffassung, angelehnt an die BGH-Rechtsprechung zu vergleichbaren Abreden (z.B. BGH, TranspR 2006, 451 und Knorre, in: Knorre/Demuth/Schmid, Transportrechtshandbuch, 3. Aufl., Bd. III, Rdnr. 1000 ff.), die dreijährige Verjährungsfrist gelten. Palettenscheinklauseln, die eine geringere Gültigkeit des Palettenscheins festlegen, berühren die Verjährungsfrist nicht.
d) Paletten(gut-)Scheine
Das sind zunächst Quittungen über den Nichttausch von Paletten zumeist verbunden mit einem Herausgabeversprechen. Zur Einlösung müssen sie im Original vorgelegt werden. Der Ausstelle ist jedoch nicht berechtigt zu verlangen, dass sie schon vorab im Original zugeschickt werden.
e) Empfehlung der Dokumentation der Palettenvorgänge an der Be- und Entladestelle
Dazu sollte ein geeignetes Papier, z.B. der „Kölner Lademittelbegleitschein“, verwendet werden. Hierbei handelt es sich um ein vom Autor entwickeltes Transportpapier zur Dokumentation der Palettenvorgänge an der Belade- und Entladestelle. Eine Dokumentation möglichst mit Angaben der Gründe für Abweichungen vermeidet die Schwierigkeiten einer nachträglichen Aufklärung, die oftmals nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich sollten Dokumentationsvermerke jeweils von beiden Seiten abgezeichnet werden.
Jürgen Knorre, Fachanwalt für Transport- und Speditionsrecht, Andörfer Rechtsanwälte, Köln