Ende der "Ära ADSp" – Rechtsunsicherheit im deutschen Speditionsrecht
Die ADSp hatten in Deutschland eine grosse Bedeutung. 94 Prozent der bundesdeutschen Speditionen und 86 Prozent der verladenden Wirtschaft nutzten diese AGB in ihren Verträgen (Stand: 1999). Der Grund lag darin, dass die grossen Interessensverbände diese AGB jeweils gemeinsam ausgehandelt und zur Anwendung empfohlen haben (für die Verlader: Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Handelsverband Deutschland (HDE) Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL); für die Spediteure: Deutscher Speditions- und Logistikverband e.V. (DSLV)).
Zu den ADSp gibt es eine jahrzehntelange umfangreiche Lehre und Rechtsprechung, was erheblich zur Rechtssicherheit beigetragen hat. Dabei wurde aber auch kritisiert, dass sich diese AGB inhaltlich weit vom gesetzlich geregelten Speditions- und Frachtvertragsrecht entfernt haben. Konkurrierend zu den ADSp werden in Deutschland auch die VBGL (Vertragsbedingungen für den Güterkraftverkehrs-, Speditions- und Logistikunternehmer, herausgegeben vom BGL (Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung)) verwendet.
Die Verhandlungen über eine Revision der ADSp scheiterten an der Position der verladenden Verbände, die ADSp stärker auf die Bedürfnisse der gesamten Supply-Chain-Dienstleistungen auszurichten. Hierfür sollten die ADSp u.a. mehr vertragliche Flexibilität aufweisen, der Spediteur sollte Qualitätssicherungsmassnahmen übernehmen und die Haftungsbestimmungen sollten entsprechend angepasst werden.
Wie weiter?
Die vorgenannten Verbände der verladenden Wirtschaft haben ein eigenes AGB-Regelwerk erlassen, die DTLB (Deutsche Transport- und Lagerbedingungen). Der DSLV hat nun eine eigene Neufassung der ADSp erstellt, die auf den 1. Januar 2016 in Kraft tritt. Des Weiteren bieten sich weiterhin die VBGL als zu verwendende AGB an. Damit geht eine jahrzehntelange Tradition im deutschen Speditionsrecht zu Ende. Zu Recht wird diese Entwicklung von allen Seiten bedauert und kritisiert, dass die grossen deutschen Wirtschaftsverbände nicht in der Lage waren, ihre Interessenskonflikte wie bis anhin in gemeinsamen AGB auszugleichen. Anfang Februar 2016 wird die DGTR e.V. (Deutsche Gesellschaft für Transportrecht e.V.) ein Kolloqium zum Thema ausrichten.
Auswirkungen für schweizerische Unternehmen
Diese Entwicklung hat zwar keine Auswirkungen auf die laufenden Verträge schweizerischer Unternehmen. In Zukunft sollte aber bei der Aushandlung von Verträgen genau darauf geachtet werden, welche AGB der deutsche Vertragspartner zur Anwendung bringen möchte: die ADSp (in der Fassung von 2003 oder 2016), die DTLB oder die VBGL. Die rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich in diesen drei Regelwerken erheblich.
Dieser Beitrag erscheint auch im "Magazin" von MME Legal | Tax | Compliance.