Was nun mit der Unternehmenssteuerreform III?

Skizze eines Kompromissvorschlags von Prof. Dr. Christoph A. Schaltegger.

Mit der Ablehnung der USR III wird offenbar, mit welchen Schwierigkeiten eine Bundeslösung in der Steuerpolitik immer zu kämpfen hat. Die Ausgangslage im Schweizer Föderalismus ist zu heterogen, als dass eine noch so austarierte «one-size-fits-all» Lösung nicht im Gestrüpp der unterschiedlichen Interessen hängen zu bleiben droht. Dies gilt im aktuellen Fall sogar für eine Reform, die den Kantonen die Anwendung der möglichen Steuer­instrumente nicht vorgeschrieben hätte. Es wird immer eine glaubwürdige Veto-Position geben, die bei der Bundeslösung eine Kompensation eigener Steuerausfälle vermisst oder die Berücksich­tigung eigener Standort­besonderheiten nicht erfüllt sieht. Will man das nach wie vor bestehende Reform-Trilemma von internationaler Akzeptanz, Standortattraktivität und Ergiebigkeit lösen, könnte man sich die Vorteile des Schweizer Föderalis­mus auch in der Steuerpolitik zunutze machen.

Die Eckwerte einer solchen Reform könnten aus drei Elementen bestehen: Erstens eine im wesentlichen auf­kommensneutrale Reform auf Bundesebene. Zweitens die Stärkung der steuerpolitischen Freiheitsgrade für die Kantone und drittens die Stärkung der Verfassungsmässigkeit kantonaler Steuerpolitik.

Konkret könnte die Abschaffung der Abzugsfähigkeit der Staats- und Gemeindesteuern bei der direkten Bundessteuer für juristische Personen überprüft werden (Art. 59 Abs. 1 Buchstabe a DBG und Art. 25 Abs. 1 Buchstabe a StHG). Dieser Abzug ist effektiv eine fragwürdige Bundessubvention hoher Steuersätze in den Kantonen. Mit der Abschaffung des Abzugs könnte dieser Fehlanreiz behoben und Anreize zur Pflege der Steuerbasis in den Kantonen gestärkt werden. Zudem ergäbe sich finanzpolitischer Spielraum für eine aufkommensneutrale Senkung des ordentlichen Gewinnsteuersatzes von 8.5% auf unter 7%.

Zweitens schränken heute das Steuerharmonisierungsgesetz und der Nationale Finanzausgleich die steuer­politischen Freiheitsgrade der Kantone unnötig stark ein. Die seit 1977 bestehende Verfassungsvorgabe zur formellen Harmonisierung der direkten Steuern unter den Kantonen und mit dem Bund lässt sich effektiver und mit weniger Nebenwirkungen erreichen. Insbesondere die Vorgabe, welche Steuern zu erheben und welche Abzüge von der Bemessungsgrundlage zu gewähren sind, könnte mit einem generellen Hinweis auf die Verfassungsmässigkeit ohne Nachteile stark verwesentlicht werden. Auch die USA kennen eine Vielzahl von OECD-konformen Steuerprivilegien auf Staatenebene ohne bundesgesetzliche Vorgabe. Die tatsächliche formelle wie auch materielle Harmonisierungswirkung entfaltet sich heute aus der Definition der aggregierten Steuerbemessungsgrundlage (ASG) im Finanzausgleich. Die aktuellen Vorgaben im StHG sind daher teilweise unnötig und teilweise sogar kontraproduktiv.

Der Finanzausgleich setzt im Bereich der Unternehmensbesteuerung Fehlanreize für die kantonale Steuer­politik. Im aktuellen Regime verbuchen knapp die Hälfte der Kantone Einnahmenverluste bei zusätzlich generier­ten Unternehmensgewinnen. Schuld ist die Berechnungsgrundlage im Ressourcenausgleich zur Ermittlung der kantonalen Finanzkraft. Die USR III hätte mit den vorgesehenen Zeta-Faktoren eine Linderung gebracht. Eine noch konsequentere Konzentration der ASG auf natürliche Personen wäre zu prüfen.

Ist das Steuerharmonisierungsgesetz einmal auf seinen wesentlichen Kern verschlankt und die Berechnungs­grundlage der kantonalen Finanzkraft angepasst, können die Kantone den Wegfall der durch Art. 28 Abs. 2-4 StHG privilegierten Besteuerung mittels passgenauer Ersatzmassnahmen bei der Bemessungsgrundlage wie auch beim Tarif ersetzen und damit die Standortattraktivität bei möglichst geringen Steuerausfällen effizient und eigenverantwortlich pflegen. Solche lediglich auf Stufe von kantonalen Gesetzen verankerten Ersatzmass­nahmen hätten zudem den Vorteil, dass sie in jedem Fall mit den Vorgaben der OECD im Einklang stünden, weil gemäss OECD nur solche Steuerregimes schädlich sein können, die in einem Bundesgesetz verankert sind. Wie solche kantonalen Ersatzlösungen mit den vom Bundesrat gegenüber der EU eingegangenen Verpflich­tungen in Einklang gebracht werden könnten, wäre allerdings im Einzelfall zu prüfen.

Insgesamt würde damit die Verfassungsmässigkeit der kantonalen Steuerpolitik gestärkt, weil Bundesgesetze wie das StHG durch das Bundesgericht bekanntlich nicht wegen Verfassungswidrigkeit korrigiert werden können. Dies brächte drittens den Vorteil, dass die Checks and Balances in der Schweizer Steuerpolitik und so die internationale Akzeptanz gestärkt würden, weil das Bundesgericht verfassungswidrige kantonale Gesetzesbestimmungen korrigieren kann. Schliesslich müsste damit die Steuerpolitik stärker der steuer­systematischen Logik folgen und weniger den Launen der politischen Konjunkturzyklen.

Mit diesen drei Elementen einer neuen USR III verbinden sich verschiedene Vorteile. Sie garantieren eine steuerpolitische Attraktivitätssteigerung ohne Einnahmeausfälle auf Bundesebene. Sie vermeiden das mora­lische Risiko von Anschlussbegehren, die sich mit der Haftungsgemeinschaft durch Ausweitung des Kantons­anteils an der direkten Bundessteuer ergeben. Sie stärkt das verfassungsrechtliche Gebot der fiskalischen Äquivalenz und damit des sorgsamen Umfangs mit der Steuerbasis und den Steuereinnahmen. Sie stärkt die Innovationskraft im Schweizer Föderalismus und damit den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren in der Steuerpolitik, sofern das Bundesgericht den Spielraum der kantonalen Gesetzgeber bei der rechtsgleichen Be­steuerung nicht zu eng zieht. Sie stärkt die verfassungsrechtliche Konformität der kantonalen Steuerpolitik. Und sie ermöglicht letztlich massgeschneiderte kantonale Ersatzlösungen im Bereich der Steuertarife und der Bemessungsgrundlage und schafft damit günstige Voraussetzungen für ein optimales Austarieren des Reform-Trilemmas zwischen Standortattraktivität, internationaler Akzeptanz und Ergiebigkeit.

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