Studienbeginn: Eine Ode an die Neugier
Chantal Hüsler studiert Geschichte und Rechtswissenschaft an der Universität Luzern. Zum neuen Semester schaut sie zurück auf ihren Studienbeginn und reflektiert über Erwartungen, Erkenntnisse und die Suche nach Wissen.
Die Winterpause ist zu Ende. Die Vorlesungssäle öffnen sich von Neuem und für einige Studierende zum ersten Mal überhaupt. Mit Freude betrachte ich die neugierigen Neuankömmlinge, die suchend durch die Gänge eilen. In bittersüsser Erinnerung denke ich zurück an meinen eigenen Studienbeginn.
Von der Quelle des Wissens
Als ich am Gymnasium war, rückte die Universität das erste Mal in greifbare Nähe. Sie war für mich eine Motivation während der Matura und leuchtete verheissungsvoll in der Zukunft. Immer wenn eine Lehrperson sagte: «Das werdet ihr genauer an der Universität lernen», verfestigte sich das Bild der Universität als ein mystischer Ort voller Antworten, als Quelle des Wissens. Mir war klar: Da muss ich hin! Denn schon als Kind lebte ich in der Hoffnung, eines Tages alles über alles zu wissen. Ich war überzeugt, mittels Genie und Leidenschaft die Welt neu erfinden zu können.
Von Büchertürmen und langen Gewändern
Ich stellte mir weissbärtige Professoren vor, die zwischen Türmen von Büchern über das Wissen von Generationen wachten. Ich malte mir aus, wie Professorinnen in langen Gewändern alle meine Fragen an die Welt wohlwollend und abschliessend beantworten würden. Am meisten aber freute ich mich auf die Bibliothek. Ich dachte an schwere, nicht endende Regale, die vor Bücher überquollen. Und ich sah mich in der verheissungsvollen Stille bis tief in die Nacht hinein lernen. Und siehe da, der Aspekt des Lernens hat sich tatsächlich bewahrheitet.
Von Ernüchterung zu Enthusiasmus
In der überwältigenden Furcht, zu spät zu erscheinen, stolperte ich vor drei Jahren erstmals durch die gläsernen Schiebetüren in die Universität Luzern. Heute schmunzle ich über meinen damaligen Übereifer, denn ich erschien über eine Stunde zu früh im Vorlesungsaal. Ich fand weder Türme von Büchern noch lange Gewänder. Ein profan gekleideter Mann mit zerzausten Haaren entpuppte sich als Professor. Als er dann noch einen Laptop aus der Tasche zog, war ich beinahe empört. Wo war die Magie?
Viel Zeit für Skepsis blieb nicht, denn die Worte des Professors zogen mich in ihren Bann. Ich wurde aus dem schlichten Seminarraum mitten ins Mittelalter verfrachtet. In wohlgewählten Worten, einem Tanz zwischen Frage und Antwort, zwischen Zustand und Ursache, führte er uns in die Vergangenheit und liess eine ganze Epoche lebendig werden. Ehe ich mich versah, war die Vorlesung zu Ende. Etwas desorientiert verliess ich den Vorlesungssaal, mit einem Notizblock voller Wissen und einem Kopf voller neuer Fragen.
Und heute?
Ein knappes Bachelorstudium später begeistert mich der Vorlesungssaal noch immer. Jedes neue Semester wähle ich meine Vorlesungen und Seminare in einem stillen Übermut. Welche Welt verbirgt sich hinter diesem Titel? Auf welche Reise wird uns die Dozentin oder der Dozent in dieser Vorlesung mitnehmen?
Heute weiss ich: Weder tragen die Professoren lange weisse Bärte noch die Professorinnen ausladende Gewänder (zumindest nicht an der Universität Luzern) und allwissend sind sie auch nicht. Dennoch sehe ich die Universität weiterhin als Ort des Wissens und der intellektuellen Begegnung. So freue ich mich auch dieses Semester auf neue Fragen, mich in Staunen versetzende Antworten und die Aussicht, mir neues Wissen aneignen zu können. Dies immer in der beschwingenden Gewissheit, dass meine Neugier niemals gestillt werden kann.
Dieser Artikel wurde von Chantal Hüsler verfasst, Bachelorstudentin in Geschichte und Rechtswissenschaft.