Studie untersucht Religiosität syrischer Flüchtlinge
Wie verändert sich die Religiosität von Menschen in Flucht- oder Migrationssituationen? Dieser Frage geht Prof. Dr. Martin Baumann in einem vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Projekt nach. Im Zentrum der Studie stehen Flüchtlinge aus Syrien.
Infolge des Bürgerkriegs ab 2011 kamen zahlreiche syrische Flüchtlinge als Asylsuchende nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz. Muslimische Flüchtlinge wurden dabei von Politikerinnen und Politikern verschiedener Parteien als potenzielle Bedrohung für die gesellschaftliche Integration oder als Sicherheitsrisiko dargestellt, während gleichzeitig eine Bevorzugung christlicher Asylsuchender gefordert wurde. Trotz der grossen gesellschaftspolitischen Aufmerksamkeit für die Religionszugehörigkeit von Flüchtlingen gibt es jedoch kaum wissenschaftliche Studien zur individuellen und kollektiven Religiosität von Flüchtlingen. Anfang dieses Jahres bewilligte der Schweizerische Nationalfonds (SNF) ein von Prof. Dr. Martin Baumann eingereichtes internationales Forschungsprojekt zu diesem Thema. Zusammen mit den Anteilen der Partnerteams in Deutschland (Prof. Dr. Alexander Nagel, Universität Göttingen) und Österreich (Prof. Dr. Regina Polak, Universität Wien) hat das Projekt einen Gesamtumfang von knapp einer Million Franken. Die Finanzierung erfolgt im Rahmen des Förderungsprogramms «Weave» des SNF, das grenzüberschreitende Projekte unterstützt (siehe Box).
Versachlichung der Debatte
Ziel des Forschungsprojekts ist es, den Wandel der Religiosität in Folge von Flucht und Aufnahme ländervergleichend zu untersuchen. Das Projekt geht von der Annahme aus, dass sich religiöser Wandel bei den Flüchtlingen in einem Spektrum von Relativierung und Intensivierung von religiösem Glauben, Praxis und Gemeinschaftszugehörigkeit bewegt und von kontextuellen Faktoren wie Aufnahmestrukturen, Islamdiskurs und Integrationsmassnahmen sowie individuellen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Fluchtbiografie abhängt. Neben der Erhebung von Bildmaterial religiöser Praktiken führt das internationale Forschungsteam Interviews mit Experten und Betroffenen durch. Das Projekt soll dazu beitragen, die im Zusammenhang mit der Aufnahme von muslimischen und christlichen Flüchtlingen aus Syrien geführte Debatte um Religion zu versachlichen und aufzuzeigen, welchen Stellenwert Bürgerinnen und Bürger syrischer Herkunft der Religion beimessen und wie sich Religiosität aufgrund kontextueller und individueller Faktoren verändert.
Weave
«Weave» (dt. «weben») ist ein Verfahren, das von Förderorganisationen in Europa entwickelt wurde, um exzellente Forschungsprojekte länderübergreifend zu unterstützen. Im Rahmen von «Weave» können Forschende aus zwei bis drei europäischen Ländern oder Regionen ein gemeinsames Forschungsprojekt bei einer Förderorganisation einreichen. Das Verfahren vereinfacht die gemeinsame Antragstellung durch eine einzige Evaluation.. Bisher haben sich elf europäische Länder oder Regionen dem «Weave»-Abkommen angeschlossen.
Bisherige «Weave»-Projekte mit Beteiligung der Universität Luzern
- Originaltitel des Projekts und Übertragung ins Deutsche: «Between Intensification and Relativisation. Modalities and Mechanisms of Religious Change of Muslim and Christian Refugees from Syria in Germany, Austria and Switzerland (BIR)» («Zwischen Intensivierung und Relativierung. Modalitäten und Mechanismen des religiösen Wandels von muslimischen und christlichen Flüchtlingen aus Syrien in Deutschland, Österreich und der Schweiz (BIR)»)
- Leitung: Prof. Dr. Martin Baumann, Leiter des Religionswissenschaftlichen Seminars
- Projektdauer: April 2024 bis März 2027
- Bewilligte Fördersumme insgesamt: CHF 963'000 (Davon SNF-Anteil CHF 442’000 für die Universität Luzern)