Lernen und Leben zu Corona-Zeiten
Wie geht Studieren, wenn man sich nicht mehr im Hörsaal trifft? Wie gut klappt Lernen zu Hause? Was ist mit Nebenjobs und dem Studentenleben? Studierende der Universität Luzern erzählen über ihren neuen Uni-Alltag.
Die Hörsäle sind geschlossen, die Mensa menschenleer und die Studentenpartys abgesagt: Für die Studierenden geht das Uni-Leben online und zu Hause weiter. Wie geht es ihnen dabei? Studierende der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät geben Einblick in ihren neuen Alltag:
Anna-Lena Burkard (25), studiert Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
«Um trotz des wegfallenden Pendelns von Winterthur nach Luzern eine Tagesroutine aufrechtzuerhalten, stehe ich jeden Morgen um zirka 7 Uhr auf und bereite mich – in Jogginghosen und mit Blick aufs Matterhorn an der Wand – auf die anstehenden Seminare vor; will heissen «lesen, lesen, lesen»! Da die Seminare allesamt über Zoom stattfinden, gehören technische Probleme halt dazu, was manchmal etwas Geduld erfordert. Der iPhone-Hotspot ist ebenfalls ein Muss, da die Internetverbindung auch gerne mal streikt.
Nach mehreren Zoom-Sessions wird das Ausmass des digitalen Unterrichts ersichtlich. Vor allem, wenn die Seminare nacheinander stattfinden, machen sich Bildschirm-Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten bemerkbar. Umso wichtiger sind kleine Auszeiten, in denen der Laptop – auch wenn nur für kurze Zeit – einfach mal ausgeschaltet und ignoriert werden kann. An solch intensiven Online-Tagen gibt es nichts Schöneres als einen Spaziergang, den ich so oft wie möglich während der Mittagspause einplane.
Studentin zu sein, bedeutet weit mehr als der blosse Fokus auf den Lernstoff. Die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, mit welchen im Alltag oder bei einem Feierabendbier gelacht und diskutiert wird, fällt während dieser Zeit komplett weg. Dies macht sich ebenfalls in den Vorlesungspausen bemerkbar, welche nicht dazu genutzt werden können, sich auszutauschen. Positiv hervorzuheben sind jedoch die Zoom-Breakout-Rooms, in denen in kleinen Gruppen gearbeitet wird und es Gelegenheit gibt, sich immerhin etwas kennenzulernen.
Eine Balance zu finden, ist in dieser Zeit keine einfache Angelegenheit. Die Tage spielen sich allesamt am selben Ort ab, was sich negativ aufs Gemüt auswirken kann. Falls die Zeit für einen Spaziergang während der Mittagspause nicht reicht und das Seminar bis in den Abend dauert (was bedeutet, dass es draussen bereits zu dunkel zum Joggen ist), wird das Wohnzimmer kurzerhand zum Fitnessstudio umfunktioniert. Leider erneut mit Laptop, aber zumindest mit unterhaltendem Sportprogramm.
Ortsunabhängiges Studieren ermöglicht einen flexiblen Alltag, was bedeutet, dass – sofern die Option besteht – ein Tapetenwechsel jederzeit vorgenommen werden kann. Um dem Nebel im Flachland ein wenig zu entfliehen und meine Familie zu besuchen, fahre ich oft für ein bis zwei Wochen nach Graubünden oder ins Wallis, wo die Berge nicht nur auf dem Poster bestaunt werden können.
Da Treffen in Gruppen momentan nicht möglich sind, ist es umso wichtiger, den Kontakt zu Freunden nicht zu verlieren. Die Corona-Krise führt uns hier nicht nur die Abhängigkeit von der Technik (in meinem Fall: Zoom) vor, sondern zeigt uns auch die Möglichkeiten, die sich damit ergeben. Mit Video-Calls fühlt man sich trotz Abstand immerhin ein Stück näher.»
Noemi Wolf (20), studiert Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
«Ich wohne zu Hause bei meiner Familie in Solothurn. Um in Ruhe lernen zu können, ging ich – als es noch möglich war – ab und zu in die Bibliothek an der Uni. Dabei ist Planung wichtig: Online-Vorlesungen, virtuelle Gruppentreffen und Selbststudium müssen aufeinander abgestimmt sein. Da ich kein unlimitiertes Mobile-Abo besitze, konnte ich die lange Zugfahrt nicht für digitale Angebote nutzen. Das Pendeln macht mir aber allgemein nichts aus – bis auf die leeren Bahnhöfe und Züge: die sind schon ein bisschen unheimlich.
Man muss sich aktiv darum bemühen, einander zu treffen. Dies stellt nun einen grossen Teil meines Uni-Lebens dar: Ab und zu lerne ich mit zwei Kolleginnen aus Distanz und mit Maske, um Stoff nachzuholen. Mit anderen bespreche ich Projekte über Zoom. So kommen wir trotzdem noch ein bisschen zum Tratschen und zum gemeinsamen Kaffeetrinken. Ansonsten beschränkt sich der Kontakt auf WhatsApp und Mail.
Neben der Uni arbeite ich als Service-Aushilfe in einem Restaurant. Aufgrund der schlechten Besuchszahlen brauchen sie mich im Moment nicht mehr. So wird das Mittagessen, wenn ich am Abend nach Hause komme, für den nächsten Tag wieder selbst gekocht. Damit spare ich Geld, welches normalerweise in der Mensa investiert wird.
Fast jede zweite Woche besuche ich freitags und samstags Blockseminare. Zwei ganze Tage vor dem Computer zu sitzen, ist eigentlich nicht «meins». Aber zumindest kann man in Trainerhosen auf dem Sofa lümmeln und dabei noch etwas lernen. Ansonsten versuche ich abzuschalten und das Wochenende mit Zeichnen und Ausflügen im Freien zu verbringen.
Mir fehlen das Studentenleben und die Möglichkeit neue Leute kennenzulernen. Auch belastend ist die Entscheidung, ob man zu Hause bleiben soll oder nicht. Ändern kann man in der Situation bis auf weiteres leider nichts. Trotz arbeitsgefüllten Wochen und baldigen Prüfungen ergeben sich viele Freiheiten. Bei Müdigkeit kann ich spontan entscheiden, ob ich lieber zu Hause bleibe. An manchen Tagen kann ich mir durch die Drei-Sekunden-Anreisezeit an den Bürotisch viel Zeit sparen. Ich versuche mir die Situation so angenehm wie möglich zu gestalten.»
Jasmin Vogel (24), studiert Gesellschaft- und Kommunikationswissenschaften
«Im Mai habe ich neben dem Studium ein Praktikum bei Pink Cross begonnen – zum ersten Mal live im Büro gesehen haben wir uns im Juli. Seit Mitte Oktober arbeite ich wieder von zu Hause in Luzern aus. Oft stehe ich erst wenige Minuten vor dem Arbeitsstart auf und esse mein Frühstück nebenbei. Wenn eine meiner Mitbewohnerinnen zu Hause ist, arbeite ich von meinem Zimmer aus – wenn niemand da ist, arbeite ich gerne im Wohnzimmer.
In der WG haben alle einen anderen Tagesablauf. Deswegen esse ich mein Mittagessen oft alleine: entweder Reste vom Vortag oder, wie hier, per Take-away. Ich den Verkäufer vom Take-away und es ist eine schöne Auflockerung, zwischendurch ein paar Worte zu wechseln.
Hier bin ich auf dem Weg nach Tübingen in Deutschland zu meiner Partnerin. Auf dem Weg über die Grenze war ich alleine im Zugabteil. Im Gegensatz zum Frühjahr, als die Grenzen dicht waren, sind in Baden-Württemberg unverheiratete Partner*innen, welche aus einem Risikogebiet (also der Schweiz) einreisen, von der zehntägigen Quarantänepflicht ausgenommen. Bis ich eine Stellvertretung im Kleintheater Luzern beginne, habe ich keine Termine mehr in der Schweiz bei denen ich anwesend sein muss – bis dann bleibe ich in Tübingen. Inzwischen ist jeder Grenzübertritt mit der Angst verbunden, wegen plötzlich wechselnder Bestimmungen wieder für Monate getrennt zu sein.
Auch in Tübingen ist alles digital. Die meiste Zeit verbringen meine Partnerin und ich im Home-Office oder mit Home-Uni in ihrem Zimmer. Da die WG kein Wohnzimmer hat, sind die Raumverhältnisse eng. Eine Person arbeitet am Tisch und die andere arbeitet vom Bett aus. Am Tisch sitzen darf immer diejenige, die für ein Meeting oder ein Seminar die Kamera anmachen muss und die weiße Wand als neutralen Hintergrund braucht.
Ein grosser Vorteil des Homeoffice ist die erhöhte Flexibilität. Meist verlängere ich meinen Mittag und arbeite dafür am Abend länger. So kann ich einen Spaziergang in der Sonne machen und die letzten Herbsttage geniessen. Ich schätze das sehr – sonst wäre es ja schon dunkel, wenn ich mit der Arbeit fertig bin.
Es kommt mir vor, als werde es früher spät. Oder ich bin nach einem Tag Homeoffice einfach viel erschöpfter, als an früheren Tagen mit menschlichem Austausch. Das, obwohl der Arbeitsweg wegfällt. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich mir einrede, nun mehr Zeit haben zu müssen. Die Trennung zwischen Arbeit/Uni und dem Alltag habe ich noch nicht ganz geschafft – ich hoffe sehr, dass ich hier noch eine bessere Strategie entwickeln kann.»
Janina Fankhauser (24), studiert Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften
«Der neue Dreh- und Angelpunkt meines Alltages. Nicht selten sitze ich bis zu zehn Stunden pro Tag an diesem Platz. Dennoch gibt es auch in der schwärzesten Dunkelheit ein Lichtlein. Es versteckt sich in den kleinen Dingen: in der Verpackung der Katzengutzi, in den Erinnerungsfotos an der Wand, in der Mausmatte «Do or do not. There is no try». Diese kleinen Dinge motivieren mich jeden Tag.
Der grosse Vorteil am Lernen im Homeoffice ist die kürzere Vorbereitungszeit am Morgen. Das heisst: mehr Kuschelzeit mit den Vierbeinern und man kann sogar mit der Familie noch ein, zwei Worte wechseln. Mein täglicher Begleiter und das beste Feriensouvenir, das ich je erhalten habe: diese Tasse. Einfach nur: Mood. Und wenn sie dann noch mit Kaffee gefüllt ist – herrlich!
Was soll es heute sein? Sportlich oder fancy? Weihnachtsmuster oder Eisbären? Hauptsache: kuschlig! Immerhin stehen heute sechs Stunden Zoom-Veranstaltungen auf dem Plan plus mindestens drei Stunden lesen. Und die E-Mails nicht vergessen. Oder die kommende Deadline im Job. Oder Weihnachten. Oder das nächste Jahr. Ach, wo bleibt einem da der Kopf?
Die Geschichte eines Büsis. Diejenigen, die wohl am meisten vom Homeoffice profitieren, sind die Haustiere. Orella liebt die Möglichkeit, zu jeder Zeit auf mein Pult hüpfen zu können und nach Aufmerksamkeit zu verlangen. Ob sie dabei der Kamera ihren buschigen Schwanz entgegenstreckt, ist ihr natürlich völlig schnuppe. Mir nicht ganz. Mich bringt es zum Lächeln.
Ab an die frische Luft. Casper ist glücklich und ich auch. Die Sonne scheint, der Nebel um mein Hirn lüften sich. Es wäre doch glatt gelogen, zu behaupten, ich käme jeden Tag an die frische Luft. Oder mehr als zehn Minuten. Die Tage sind vollgepackt. Wo soll ich da noch einen Herbstspaziergang reinquetschen? Dennoch. Wenn ich es schaffe, dann geniesse ich es.
Um dem vielen Vor-dem-Bildschirm-Hocken etwas Gegenwind zu bieten, beschäftige ich gerne meine Hände. Passend zum aktuellen Wetter: wollene Elch-Finken. Die Häkelarbeit ist sehr entspannend, der Kopf muss nur aufpassen, dass die Maschenanzahl stimmt. Gehäkelt sind sie, jetzt müssen die Accessoires noch fertig angenäht werden.»
Zu Hause studieren: Tipps um Lernfrust zu vermeiden
- Planen Sie den Tag in klaren Zeiträumen ein (je 50 Minuten lernen, dann 15 Minuten Pause)
- Machen Sie richtig Pause ohne digitale Geräte (z. B. einen Spaziergang machen, Sport treiben)
- Verabreden Sie sich zum gemeinsamen Lernen via Zoom
- Nutzen Sie digitale Schreibräume zum gemeinsamen Schreiben
- Nehmen Sie an digitalen Freizeitangeboten teil, um Stress abzubauen: Der Hochschulsport Luzern bietet Kraft- und Fitnesslektionen auf YouTube und gemeinsames Yoga per Zoom an
- Bei Bedarf Hilfe suchen: Bei psychischen Belastungen bietet die Universität Luzern Unterstützung counselling @ unilu.ch
Einblick von Erstsemestrigen
Neue Uni, neue Stadt, neue Leute: Für Erstsemestrige bedeutet der Unibeginn eigentlich gemeinsame Vorlesungen, WG-Leben, Studentenpartys und vieles mehr. Mit der Pandemie war vieles davon nicht mehr möglich. Wie haben sich unsere Erstsemestrigen mittlerweile eingelebt? Im Beitrag «Studium am Küchentisch statt im Hörsaal» berichten sie über ihre Erfahrungen.