Früherkennung psycho-sozialer Probleme nach Kinderkrebs

Menschen, die im Kindes- oder Jugendalter an Krebs erkrankt waren, leiden häufiger an psychischen Problemen und Schwierigkeiten in Ausbildung und Beruf. Ein internationales Team unter Luzerner Co-Leitung hat Richtlinien für die Früherkennung solcher Probleme erarbeitet. Damit sollen die Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen verbessert werden.

Arztgespräch
(Symbolbild; ©istock.com/wutwhanfoto)

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Behandlung von Krebs im Kindes- und Jugendalter stark verbessert. Der Grossteil der Erkrankten kann geheilt werden, aber viele ehemalige Patientinnen und Patienten («Survivors», Überlebende genannt) leiden noch Jahre und Jahrzehnte danach an Spätfolgen. So ist ein Teil der Survivors von psychischen Problemen wie zum Beispiel Depressionen, Angst- oder posttraumatischen Belastungsstörungen betroffen. Manche wiederum haben Probleme in der Ausbildung oder bei der Arbeit. Deshalb werden regelmässige Nachsorgeuntersuchungen empfohlen, um Spätfolgen oder soziale Probleme frühzeitig erkennen und behandeln zu können. 

Um die Nachsorge passend zu gestalten, sind Richtlinien für die Untersuchung, das sogenannte Screening, zentral. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern unter der Co-Leitung von Prof. Dr. Gisela Michel, Professorin für Gesundheits- und Sozialverhalten an der Universität Luzern, hat bestehende Richtlinien für die Früherkennung von psychischen Problemen sowie Problemen in Ausbildung und Beruf evaluiert und mit aktuellen wissenschaftlichen Befunden ergänzt. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Psychologie und pädiatrischer Onkologie haben zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Survivors die neuen Empfehlungen formuliert.

Psychische Gesundheit: Untersuchung bei jedem Termin empfohlen

Zur Entwicklung der neuen Richtlinien in Bezug auf psychische Probleme von Survivors wurden vier bestehende Richtlinien und 76 in einer systematischen Literatursuche gefundene Studien berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Teil der Survivors an Depressionen, Angststörungen, posttraumatischem Stress, Verhaltensauffälligkeiten und Suizidgedanken leidet. Survivors waren von diesen Problemen ausserdem häufiger betroffen als die Vergleichsgruppen. Risikofaktoren für psychische Probleme bei Survivors waren Arbeitslosigkeit, tiefere Ausbildung, Spätfolgen der Krebserkrankung und Schmerzen; Frauen sind ausserdem stärker betroffen als Männer. 

In den neuen Richtlinien wird empfohlen, dass Survivors bei jedem Nachsorge- oder Arzttermin auf psychische Probleme untersucht werden. Die Richtlinien machen zudem Empfehlungen, wie das Gesundheitspersonal dieses Screening durchführen kann und empfehlen mögliche Behandlungsstrategien. Wenn Probleme entdeckt werden, ist es vor allem wichtig, dass Survivors zeitnah Unterstützung von Fachpersonen erhalten.

Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «The Lancet Oncology» unter dem Titel «Recommendations for the surveillance of mental health problems in childhood, adolescent, and young adult cancer survivors: a report from the International Late Effects of Childhood Cancer Guideline Harmonization Group» publiziert (vollständiger Artikel erhältlich bei Salome Christen). Die Studie wurde von der Krebsliga Zentralschweiz gefördert. 

Jährliche Untersuchungen während Ausbildung empfohlen

Zur Erforschung der sozialen Probleme von Survivors wurden vier bestehende Richtlinien und 83 in einer systematischen Literatursuche gefundene Studien berücksichtigt. Wie sich gezeigt hat, trifft ein Teil der Survivors auf Probleme bei der Ausbildung, so zum Beispiel in Form von tieferen Abschlüssen oder häufigeren Repetitionen. Ausserdem waren Survivors häufiger arbeitslos als die Vergleichsgruppen.

In den neuen Richtlinien wird empfohlen, dass Survivors während der Ausbildung mindestens jährlich, danach bei jedem Nachsorge- oder Arzttermin, auf Probleme in der Ausbildung beziehungsweise im Beruf angesprochen werden. Die Richtlinien machen zudem Empfehlungen, wie das Gesundheitspersonal diese Untersuchungen durchführen kann und welches geeignete Behandlungsstrategien darstellen.

Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Cancer» unter dem Titel «Recommendations for the surveillance of education and employment outcomes in survivors of childhood, adolescent, and young adult cancer: A report from the International Late Effects of Childhood Cancer Guideline Harmonization Group» publiziert.

Abstimmung über Grenzen hinweg

Die Arbeiten erfolgten im Rahmen der «International Late Effects of Childhood Cancer Guideline Harmonization Group», einer Organisation, welche die Harmonisierung solcher Richtlinien anstrebt. Geleitet wurden sie von Gisela Michel, Prof. Dr. Jordan Gilleland Marchak (Emory University School of Medicine, USA), Dr. Katie A. Devine (Rutgers Cancer Institute of New Jersey, USA) und Dr. Fiona S. M. Schulte (University of Calgary, Canada). Von der Universität Luzern waren ferner Salome Christen und Dr. Erika Harju an der Studie beteiligt.