Der bescheidene Perfektionist
Im Zusammenhang mit der Diplomfeier des Studienjahrs 2020/21 der Theologischen Fakultät durften wir mit dem Bachelor-Absolventen Thomas Wehrli ein spannendes Gespräch führen.
Thomas Wehrli, 53-jährig, glücklich verheiratet, erfolgreicher Journalist.
Angekommen im Leben, würde man meinen. Wäre da nicht der Kindheitswunsch von damals, welcher ihn während all den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigte. Und so kam es, dass er sich nach einigen Anläufen und zahlreichen Überlegungen seiner Berufung hingab und das Theologie-Studium an der Universität Luzern aufnahm. Am Freitag, 22. Oktober 2021 durfte er seinen ersten Erfolg auf dem Weg zum Seelsorger feiern und sein Bachelor-Diplom entgegennehmen.
Montagabend, 18.15 Uhr, es sind erst drei Tage vergangen, seit die Feier zur Diplomübergabe der Theologischen Fakultät der Universität Luzern stattgefunden hat. Man würde meinen, die Absolvierenden seien nach wie vor in einer «Feier- bzw. Erholungsphase». Nicht so Thomas Wehrli. Mit grossen, schnellen Schritten und einem vollgepackten Rucksack betritt er die Mensa der Universität Luzern. Er befindet sich bereits wieder inmitten des Studiums – der Masterabschluss soll bis 2023 erfolgen, so dass er danach seinem Wunsch als Seelsorger nachgehen kann.
Die Faszination an der Theologie war bei Thomas Wehrli bereits im Kindesalter da. Ein um einige Jahre älterer Freund, welcher bereits als Ministrant tätig war, diente ihm nicht nur als Vorbild, sondern löste in ihm auch die Begeisterung und das Interesse an der Religion aus. So erstaunt es nicht, dass auch Thomas Wehrli selbst Ministrant wurde und diesen Weg bis hin zum Leiter Ministranten weiterging.
Nicht sein privates Umfeld, aber seine damaligen streng katholischen Erfahrungen erweckten in ihm den Eindruck, dass nach dem Abschluss des Theologie-Studiums keine anderen Berufsmöglichkeiten als diejenigen des Priesters zur Verfügung stehen. Und so verabschiedete er sich – zumindest für den Moment – von seinem Wunsch ein Theologie-Studium zu absolvieren. «Plan B», in die Fussstapfen seines Bruders zu treten und sich ebenfalls an der Juristischen Fakultät einzuschreiben wurde durch ein dreimonatiges Praktikum ebenfalls über den Haufen geworfen. Auf der Redaktion, wo Thomas Wehrli ein Stage absolvierte, ergab sich die Möglichkeit, ein Ressort zu übernehmen. So kam schlussendlich «Plan C» zum Zuge und er absolvierte berufsbegleitend die Journalistenausbildung am MAZ in Luzern.
Erfolgreich arbeitete Thomas Wehrli daraufhin in verschiedenen Redaktionen im Tages- und Wochen-Journalismus. Bevor er, nach einem kurzen Abstecher in die Selbständigkeit, die Funktion als Leiter Kommunikation beim Departement Finanzen und Ressourcen des Kantons Aargau und später als persönlicher Mitarbeiter des entsprechenden Regierungsrates Roland Brogli, übernahm. Während einer intensiven Zeit voller Herausforderungen und Neuorganisationen innerhalb des Departements, entstand auch eine sehr enge Zusammenarbeit mit seinem Vorgesetzten. Thomas Wehrli nennt es nicht explizit, aber vielleicht war auch die Begleitung der Krebserkrankung seines Vorgesetzten ein Auslöser, dass sein früherer Kindheitswunsch ein erstes Mal wieder ernsthaft «erwachte». Und so kam es, dass er sich 2006 an der Universität Freiburg für das Theologie-Studium einschrieb. Trotz der Reduktion des Arbeitspensums auf 70% ermöglichten die damals über die Woche hinweg verteilten Vorlesungen die Verbindlichkeit von Studium und Arbeit nicht zufriedenstellend. Nicht enttäuscht aber doch etwas wehmütig berichtet er, dass er sich bereits nach einem Semester exmatrikulierte und wieder zu 100% seiner Anstellung im Departement Finanzen und Ressourcen des Kantons Aargau widmete.
«Dieses Gefühl einer Berufung begleitete mich stets»
Nach sechs spannenden und lehrreichen Jahren in der Politik zog es Thomas Wehrli zurück in den Journalismus, wo er seit 2014 eine Regionalredaktion der Aargauer Zeitung leitet und seine schreiberischen Fähigkeiten täglich unter Beweis stellt und dies voller Leidenschaft tut. Eine andere Leidenschaft erlosch jedoch auch während dieser Zeit nicht. Die Leidenschaft bzw. das Bedürfnis zu Hinterfragen und Antworten zu finden. Anderen Menschen Halt und Orientierung auf deren Lebensweg zu geben. Der Kindheitswunsch und das Gefühl einer Berufung blieben bestehen.
«Vom Schnupper-Lehrling zum Musterstudent»
2015/2016 habe er vom Fernstudium der Theologischen Fakultät der Universität Luzern erfahren und wagte sich ein zweites Mal an das Studium der Theologie. Ob er in seinem Alter noch ein Studium meistern könne, habe ihn stark beschäftigt, erzählt er. Aus diesem Grund schrieb er sich zunächst lediglich für zwei Vorlesungen ein. So zusagen zum «Schnuppern». Wirft man einen Blick auf sein frisch gedrucktes Bachelor-Diplom, dann erübrigt sich die Frage, ob er der Herausforderung «Studium» und dem Prüfungsdruck standhalten konnte. «Summa cum laude», oder zu Deutsch «hervorragend» ist dezent auf dem Ausdruck vermerkt. Bescheiden passt auch gut zu Thomas Wehrli selbst. Obwohl er sich im Gespräch sehr offen und kommunikativ gibt, wirkt er äusserst ruhig und fast ein wenig demütig. Seine eigene Aussage, dass er eine erdverbundene Person sei, trifft es wohl passend.
Trotz dieser Bescheidenheit, oder vielleicht gerade deswegen, hat er an sich selbst hohe Erwartungen und eine klare Zielsetzung. Er hat eine klare Vorstellung, wie dieses Ziel erreicht wird. Da scheint alles bis ins Detail durchdacht und durchgeplant zu sein. Ob da auch noch Zeit für einen privaten Herrn Wehrli bleibt? «Ja, durchaus», meint er. Wobei dies vor allem seiner Frau zu verdanken sei, welche ihn während seinem Projekt «Theologe» voll und ganz unterstützt. Einige Hobbies wie Sport kommen aktuell wohl etwas zu kurz, aber Zeit für Erholung und Ausgleich bleiben ihm. Zudem wirkt es nicht, dass ihm das Studieren eine Belastung sei. Vielmehr eine Bereicherung und die Befriedigung seiner Wissensgier.
Der Wechsel vom Journalismus hin zur kirchlichen Arbeit wirkt bei Thomas Wehrli keinesfalls als Flucht. Im Gegenteil, man spürt, dass ihm die journalistische Arbeit Freude bereitet und ihn die nach wie vor anstehenden Transformationen interessieren und er diese engagiert mitverfolgt und begleitet. Es ist wohl der Tiefgang, welcher ihm fehlt und welchen ihn während all den vergangenen Jahren immer wieder an seinen Kindheitswunsch erinnerte. Theologie ist offensichtlich seine Welt und es ist beeindruckend zu sehen, wie er diesen Weg zum Seelsorger geht und die neue Herausforderung annimmt. Dabei bleibt er sich selbst treu.