Kann ein Studium dazu führen, die Welt mit anderen Augen zu sehen? Und wie reagiert das persönliche Umfeld, wenn die Ausbildung an der Uni Spuren hinterlässt? Fragen, die an einer digitalen Teerunde diskutiert wurden.
Seit nunmehr drei Semestern gehört das Philosophiestudium an der Universität Luzern fest zu meinem Leben dazu. Ob sich dadurch meine Sicht auf die Welt verändert hat? Darauf kann ich inzwischen mit einem klaren Ja antworten. Und ich stehe mit dieser Wahrnehmung, die für mich ab und an durchaus auch ihre herausfordernden Komponenten innehat, nicht alleine da. Die Erkenntnis, dass ich mich diesbezüglich in bester Gesellschaft befinde, habe ich dem «5 o’clock Tea» Mitte März zu verdanken. Es handelt sich um eine momentan digital durchgeführte «Teerunde», welche von der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät regelmässig als Ort und Raum zur Diskussion organisiert wird. Möglicherweise wären mir diese Veränderungen schon früher aufgefallen, zum Beispiel während eines Gesprächs mit einer Kommilitonin oder einem Kommilitonen bei Kaffee und Konfekt am Ufer des schönen Vierwaldstättersees. Oder beim Mittagessen in der Mensa. Nur – dort war ich seit Beginn meines Studiums kaum einmal –, einer fiesen Mikrobe sei Dank.
Ist das noch witzig?
Während der digitalen Teerunde, die in ungezwungener Atmosphäre von einem Mitarbeitenden der Uni moderiert wurde, konnte ich Stimmen und Meinungen vernehmen, die meinem Erleben sehr nahekamen. Da ist die Lieblingsserie, die auf einmal seltsam inhaltslos anmutet und irgendwie keinen Spass mehr macht. Oder Witze, über die man früher gelacht hätte, erscheinen plötzlich alles andere als amüsant. Dafür verschlingt man auf einmal Bücher und Diskussionssendungen zu politischen oder gesellschaftlichen Themen, debattiert und fiebert innerlich mit und ist am Ende der Lektüre oder der Sendung nicht selten aufgewühlt.
Auch das nähere Umfeld bekommt natürlich mit, dass da eine Art Verwandlung vonstatten geht, und reagiert nicht selten irritiert.
Auch das nähere Umfeld bekommt natürlich mit, dass da eine Art Verwandlung vonstatten geht, und reagiert nicht selten irritiert. Und dann wäre da noch die ultimative Herausforderung: Seit Neuestem redet man an Menschen vorbei, mit denen man sich doch immer blind verstanden hat. Das Alte gilt nicht mehr so richtig, das Neue zeigt sich erst in Umrissen. «Gut, dass es irgendwie allen ähnlich geht», bemerkt jemand aus der Teerunde. Die digitale Runde nickt im Chor.
Wissen und Unwissen Hand in Hand
Aber nicht nur, was den Blick gegen aussen hin anbelangt, bemerke ich Veränderungen, auch der Blick auf mich selbst wandelt sich in einer zuvor nie dagewesenen Intensität. Ich werde zum Beispiel schonungslos mit meiner Begrenztheit konfrontiert – der kognitiven wie auch jener meiner Existenz als solcher. Darin liegt für mich aber auch eine grosse Chance; denn es gibt kaum einen zuverlässigeren Weg, sich selbst etwas besser kennenzulernen. Und auf einmal bin ich regelmässig in Kontakt mit wahnsinnig klugen, blutjungen Mitstudierenden oder mit besonnenen Mitsechzigern, die über einen gewaltigen Erfahrungsschatz verfügen. Ich bin irgendwo dazwischen, lerne von beiden Seiten und hoffe, auch von meiner Seite etwas beitragen zu können. Was ich also nach bald eineinhalb Jahren Studium – auch im fast ausschliesslich digitalen Modus – feststellen kann und was ich so nicht erwartet hätte: Mit der Immatrikulation sagt man nicht nur Ja zu Bergen anspruchsvoller Bücher und Aufsätze, sondern man sagt auch Ja zu mehr Selbsterkenntnis; insbesondere zu jener, dass man letztlich nur sehr wenig weiss. Ein Studium wühlt auf, berührt und ist möglicherweise die beste Motivation, die Welt wieder mit offenen Augen zu bestaunen, im Wissen, dass uns diese wohl ein ewiges Rätsel bleiben wird.
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