«Swiss Sports History» will das kulturelle Erbe des Sports in der Schweiz auf zugängliche Weise erhalten. Projektleiter Michael Jucker gibt einen Einblick in die vielen spannenden Geschichten, die es auf dem digitalen Portal zu entdecken gibt.
Michael Jucker, die Wintersportsaison ist in vollem Gange. Verraten Sie uns eine interessante oder überraschende Anekdote aus der Wintersport- Geschichte unseres Landes?
Michael Jucker: Oh, da gibt es viel Spannendes. Bemerkenswert ist zum Beispiel, dass Disziplinen wie Skifahren oder auch das Skispringen als Schweizer Nationalsportarten gefeiert werden. Wenn man in der Geschichte jedoch etwas weiter zurückblickt, stellt man fest, dass es sich dabei eigentlich um Importprodukte handelt.
Wie bitte?
Etwas überspitzt formuliert könnte man sagen: Ohne die Norweger und Österreicher gäbe es den Schweizer Skisport nicht. Ihren Ursprung haben diese Sportarten bei uns in Wintersportorten wie Davos, St. Moritz oder Mürren, die im 19. Jahrhundert sehr international geprägt waren. Der Tourismus spielte bei der Entwicklung eine zentrale Rolle. Die ausländischen Gäste brachten neue Einflüsse und letztlich auch neue Sportarten mit. Das gilt nicht nur für den Skisport, sondern auch für andere Sportarten wie Eishockey oder den Bobsport.
Apropos: 1920 wurden Frauen aus dem Bobsport ausgeschlossen. Die Begründung: Durch die Sportart erhöhe sich das Brustkrebsrisiko. Kaum zu glauben!
Das Beispiel ist insofern spannend, da der Bobsport zu seiner Gründungszeit teilweise sogar gemischtgeschlechtlich betrieben wurde. Auch hier waren es mehrheitlich Touristinnen und Touristen, die sich gemeinsam die Bobbahn hinunterstürzten. Diese Art der sportlichen Aktivität war der lokalen Obrigkeit ein Dorn im Auge – schliesslich kommt man dem anderen Geschlecht kaum irgendwo näher als in einem Bobschlitten.
Deshalb also die fadenscheinige Angst vor dem erhöhten Brustkrebsrisiko?
Moralische Bedenken spielten bei dem Bob-Verbot für Frauen sicherlich eine entscheidende Rolle. Dass als Legitimation für das Verbot medizinische Gründe angegeben wurden, ist nicht erstaunlich. Solche oder ähnliche Erklärungen wurden auch bei anderen Sportarten immer wieder als Vorwand gebraucht, um eine bestimmte Gruppe auszuschliessen. Klar ist, dass Entscheide wie diese die bestehende Kluft zwischen den Geschlechtern zusätzlich verstärkten. Im Vordergrund stand häufig die Angst davor, dass Frauen in eine Männerdomäne eindringen und die Männer die Kontrolle verlieren könnten.
Fussball sei für Frauen physisch nicht zumutbar, hiess es damals.
War das auch der Grund, weshalb der Frauenfussball lange Zeit verboten war?
Auch beim Frauenfussball wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Geschlechterrollen und medizinische Vorwände vorgeschoben, um den weiblichen Athletinnen den Zugang zum Fussballplatz zu verwehren. Frauen gehörten an den Herd und nicht auf den Platz. Fussball sei zu roh und physisch nicht zumutbar für Frauen – ja sogar die Gebärfähigkeit werde dabei geschädigt. Als 1957 in Basel ein Frauen-Fussballspiel zwischen den Niederlanden und Deutschland geplant war, distanzierte sich der Schweizerische Fussballverband (SFV) von dem Anlass. Das geplante Spiel wurde abschätzig als «Schaustellung» und «Zirkusdarbietung» betitelt.
Dieses Jahr feierte der Frauenfussball sein 50-Jahre-Jubiläum. Wie kam es, dass die Frauen irgendwann doch akzeptiert wurden?
Im FCZ-Museum habe ich zu diesem Thema eine Ausstellung kuratiert, die noch bis Ende März 2021 läuft. Die Zeit ab den 1960er-Jahren war geprägt von sportlichem und gesellschaftlichem Aufbruch. Viele Pionierinnen hatten gegen grosse Widerstände gekämpft. Ihnen ging es nicht um Emanzipation. Sie wollten einfach Fussball spielen. Mit der Gründung der «Schweizerischen Damenfussball-Liga» im Jahr 1970 wurde dann der Grundstein für die Zukunft gelegt.
Nach jahrelangem Schattendasein scheint es in der Sportart nun vorwärtszugehen. Stimmen Sie zu?
Es geht vorwärts, das stimmt. Im Vergleich zum Männerfussball liegt der Frauenfussball aber noch weit zurück, gerade was Löhne und Berichterstattung betrifft. Historisch betrachtet, ist das aber nicht verwunderlich: In der Regel dauert es sehr lange, bis sich eine neue Sportart durchsetzt. Nach den ersten 50 Jahren war der Männerfussball technisch und athletisch auch noch nicht so weit wie heute. Die grossen Entwicklungssprünge folgten erst in den vergangenen 20 Jahren. Insofern ist der Fussball der Frauen eher schneller in der Entwicklung.
Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit sich der Frauenfussball weiter positiv entwickeln kann?
Die Grundproblematik liegt bei der Vermarktung und der Präsenz in den Medien (siehe Kontextelement ganz unten). Diese beiden Kriterien sind für die Entwicklung einer Sportart von essenzieller Bedeutung – und besonders in diesen Bereichen ist der Männerfussball sehr viel weiter. Während die durchschnittliche Besucherzahl bei den Männern in der Schweiz bei zirka 10'000 liegt, werden die Spiele der «Women’s Football League» von knapp 200 Fans besucht.
Ob auf der Bobbahn oder auf dem Fussballplatz: Wenn man Ihre Beispiele hört, macht es den Anschein, dass es meist Frauen waren, die in der Sportgeschichte benachteiligt wurden (siehe auch die nachfolgende Box zu Kathrine Switzer).
Frauen waren sicherlich häufig betroffen, doch auch andere sportliche Vorreiter mussten immer wieder gegen Widerstände ankämpfen. Ein weiteres Beispiel ist der Snowboard-Pionier Bernhard Kobel.
Startnummer 261 – Symbol für den gleichberechtigten Zugang
Auch wenn Frauen 1967 einzig zu Kurzstreckenläufen zugelassen waren (es wurde etwa argumentiert, dass sich sonst die Gebärmutter lösen könnte), nahm die damals 20-jährige Kathrine Switzer am Boston-Marathon mit der Startnummer 261 teil. Vom Rennleiter Jock Semple entdeckt, wurde sie von diesem tätlich angegriffen. Allerdings eilte Switzers Freund Tom Miller zu Hilfe, sodass sie den Marathon beenden konnte.
Historiker Michael Jucker sagt dazu: «Es handelt sich in dieser Drastik sicher um einen Einzelfall, aber der Vorfall zeigt, dass das Eindringen der Frauen in eine Männerdomäne nicht ohne Konflikte vonstattenging.» Kurz nach dem Boston-Marathon machte die US-Laufpionierin übrigens am Murtenlauf in der Schweiz mit, diesmal inkognito. Dieser war damals ebenfalls eine reine Männerangelegenheit. «Ich wusste, dass es die Frauen in der Schweiz schwer hatten – ich glaube, sie durften nicht einmal wählen. Das hat mich sehr schockiert», erinnerte sich Kathrine Switzer 2016 im Schweizer Dokumentarfilm «Free to Run».
Mit welchen Hindernissen hatte Kobel zu kämpfen?
Bei diesem Beispiel spielte nicht nur die Angst vor Neuem, sondern wohl auch ein subtiler Anti- Amerikanismus mit. Das Snowboarden hat seinen Ursprung im Surfsport – und diesen verbindet man eng mit Kalifornien und der Hippie-Kultur. Die «Boarder» trugen andere Kleider, sprachen anders und hörten ihre eigene Musik. Diese Subkultur passte vielen Leuten nicht. Verhindern konnten die Kritiker den Aufschwung dieser Trendsportart trotzdem nicht. Tatsächlich wurde den Snowboarderinnen und Snowboardern in den Anfangszeiten in vielen Wintersportgebieten der Zugang zum Skilift verwehrt. Die Skilift-Betreiber fürchteten sich vor Unfällen und hatten Angst davor, dass die Snowboarder ihre Pisten «verlöchern» würden. Vielerorts wurden Snowboarder regelrecht vertrieben.
Es heisst immer: Sport verbindet Kulturen und Menschen. Ihre Forschung aber zeigt, dass es gerade im Sport immer wieder Rassismus oder Sexismus gab und immer noch gibt. Wie passt das zusammen?
Man darf die integrative Wirkung des Sports auf keinen Fall unterschätzen. In den meisten Sportarten spielt es keine Rolle, wo man herkommt, wie man aussieht, welche Religion man ausübt, ob man arm oder reich ist. Andererseits ist es aber in der Tat so, dass im Sport immer wieder Exklusion stattfindet. Häufig handelt es sich dabei um ähnliche Prozesse, die auch ausserhalb der Sportstätten in der Gesellschaft und der Politik erkennbar sind.
Dabei heisst es doch immer, der Sport sei nicht politisch …
Das ist ein Mythos. Der Sport wurde in der Geschichte immer wieder zu politischen Zwecken genutzt. Beispielhaft zu sehen war dies während des Jugoslawienkonflikts. Der frühere serbische Präsident Miloševic trug seine Kriegspropaganda ganz bewusst in die Stadien.
Werden solche Zusammenhänge bei Swiss Sports History auch thematisiert?
Unbedingt. Wir wollen mit unserer Plattform nicht zuletzt aufzeigen, dass der Sport immer auch eine gesellschaftliche Komponente beinhaltet. Der Sport ist stets ein Spiegel der politischen und kulturellen Zustände eines Landes oder einer Region.
Im Sport ist häufig von Heldinnen und Helden, Legenden und historischen Ereignissen die Rede: Woher kommt dieses Pathos?
Solche Begriffe werden in den Medien inflationär gebraucht. Als Historiker bin ich da zurückhaltender. Historisch ist ein Ereignis primär erst dann, wenn es strukturverändernde oder gesellschaftliche Folgen hat. Somit ist längst nicht jeder Laufrekord oder jedes epische Tennisduell historisch …
… und längst nicht jeder Legendenstatus berechtigt?
Es scheint ein Grundbedürfnis von Menschen nach Heldinnen und Helden zu geben. Dies nicht nur im Sport, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen. Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden vor allem Kriegshelden gefeiert – heute übernehmen Sportlerinnen, Rockstars oder diverse «Helden des Alltags» diese Rolle.
So richtig schweizerisch ist dieser Personenkult aber nicht, oder?
So ist es. Natürlich gibt es auch bei uns Promis und Sportheldinnen und -helden, doch die Verehrung hält sich im Vergleich zu anderen Ländern stark in Grenzen. Vielleicht funktioniert genau deshalb Roger Federer als Sportikone so gut. Er ist menschlich und am Boden geblieben. Überspitzt könnte man sagen: Er ist etwas bieder – und dadurch ein Sinnbild für die Schweiz. So gar nicht schweizerisch ist hingegen, dass er auch bei uns «King Roger» genannt wird. Und vielsagend ist ausserdem, dass seine südafrikanische Herkunft nie eine Rolle spielt. im Gegensatz zu Fussballern mit Migrationshintergrund, die häufig nur als «halbe Schweizer» bezeichnet werden.
Apropos Federer: Sind Sie auch der Meinung, dass er der grösste Sportler der Schweizer Sportgeschichte ist?
Auch mit solchen Superlativen bin ich vorsichtig. Natürlich war Federer extrem erfolgreich. Gleichzeitig sollte man auch andere sportliche Top-Leistungen anerkennen. Ich denke zum Beispiel an einen Fabian Cancellara, an einen Ferdy Kübler, an Denise Biellmann oder an das Frauenteam im Unihockey der Schweiz. Nur weil andere Sportlerinnen und Sportler von Federers Dominanz fast erdrückt werden, heisst das nicht, dass sie nicht auch aussergewöhnliche Leistungen vollbringen.
Swiss Sports History existiert seit rund einem Jahr: Warum braucht es eine solche Plattform?
Bisher gab es in der Schweiz kein vergleichbares AngebotForschende, Medien und die Öffentlichkeit erhalten auf unserer Plattform einen unkomplizierten Zugang zu einem breiten und vernetzten Fundus der Schweizer Sportgeschichte. Zudem vermitteln wir ehemalige und aktive Sportlerinnen und Sportler, die als Zeitzeugen in Schulklassen und Sportvereinen von ihren Erlebnissen berichten.
Wie reagieren Jugendliche auf Besuche von Snowboard-Pionier Kobel oder Eiskunstlauf-Weltmeisterin Denise Biellmann?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Promistatus unserer Botschafterinnen und Botschafter gar nicht so wichtig ist. Zentraler ist die Geschichte, welche die Zeitzeuginnen und -zeugen zu erzählen haben. Ich denke zum Beispiel an Sarah Akanji: Sie spielt zwar «nur» in der 1. Liga Fussball, doch dafür hat sie über ihre sportliche Aktivität von einschneidenden Erfahrungen zu berichten. Akanji hat Sexismus und Rassismus erlebt und engagiert sich als Vorkämpferin für die Rechte der Frauen. Damit übernimmt sie für viele Mädchen und junge Frauen eine Vorbildfunktion. Aber auch Schüler wollten unbedingt ein Autogramm von ihr!
Der Sport hat heute eine grosse gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung.
In den Sommermonaten stand der Schweizer Sport infolge der Corona-Pandemie praktisch still. Welchen Platz wird das Jahr 2020 in der Sporthistorie einnehmen?
Dass der Sport über längere Zeit pausieren musste, kam schon früher vor. Während der beiden Weltkriege fanden zum Beispiel weniger Sportveranstaltungen statt. Auch während der Spanischen Grippe zwischen 1918 und 1920 stand der Sport still. Trotzdem war der Corona-Lockdown auch in der Sportgeschichte einzigartig.
Inwiefern?
Der Sport hat heute einen ganz anderen Stellenwert als früher. Heute geht es um viel mehr als nur um Sieg oder Niederlage. Der Sport hat eine grosse gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung. Das belegt zum Beispiel die Tatsache, dass der Sport in der Schweiz heute mehr Geld umsetzt als die Landwirtschaft – und gleichzeitig viel weniger Subventionen erhält. Wenn ein Profi-Fussballverein aufgrund des Lockdowns keine Einnahmen mehr hat, betriff dies nicht nur die Spielerinnen und Spieler auf dem Platz, sondern zahlreiche Mitarbeitende sowie viele weitere Wirtschaftsbereiche.
Schwierig war der Lockdown auch für die Fans, die während Monaten auf ihren Sport verzichten mussten. Haben Sie persönlich auch gelitten?
Ich bin ein leidenschaftlicher FCZ-Fan und habe den Gang ins Stadion vermisst. Ebenso gefehlt hat mir aber das Hallenfussballtraining, welches ich einmal pro Woche besuche. Dieser Ausgleich zum Beruf ist mir heilig. Umso glücklicher bin ich, dass dies wenigstens zwischendurch möglich war.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wie geht es mit dem Projekt weiter?
Die Sportwelt dreht sich weiter, weshalb unsere Arbeit nie zu Ende ist. Wir wollen unsere Plattform kontinuierlich weiterentwickeln und dabei auch um neue Themenspektren erweitern. So möchten wir zum Beispiel den Behindertensport oder gewisse Randsportarten präsenter machen. Nach der Förderung des Aufbaus unter anderem durch den Schweizerischen Nationalfonds wird es eine weitere wichtige Aufgabe sein, eine neue Finanzierungsbasis und Gönner zu finden.
Michael Jucker ist Privatdozent und Lehrbeauftragter für Sportgeschichte, Geschichte des Mittelalters und der Renaissance am Historischen Seminar; Projektleiter von «Swiss Sports History»; Co-Leiter des FCZ-Museums in Zürich
Sport und Medien
Sport begleitet die Menschheitsgeschichte. Zwar herrschte bereits in der Vormoderne Einigkeit darüber, dass es sich dabei um körperliche Wettkämpfe mit klaren Regeln und nichttödlichem Ausgang handelt. Allerdings gab es bei den damaligen Sportarten – beispielsweise stritten zwei Dörfer um einen Lederball, der getragen oder mit dem Fuss geschossen werden konnte – keine eindeutige Grenze zwischen Zuschauenden und Teilnehmenden. Während auch die Gleichheit der Mannschaftsgrössen nicht verbindlich festgelegt war, wird beim modernen Sport durch Ligen sichergestellt, dass die Wettkämpfe zwischen annähernd gleich starken Gegnern ausgetragen werden. Ebenfalls sorgt ein immens gewachsenes Regelwerk dafür, dass an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeitpunkten erbrachte Leistungen sinnvoll miteinander vergleichbar sind.
Enge Symbiose
Schon Mitte des 19. Jahrhunderts haben einige Zeitungen entdeckt, dass der Sport laufend gut quantifizierbare Neuigkeiten über individuelle Athleten produziert, die perfekt den Kriterien nachrichtenwürdiger Ereignisse entsprechen. Die Presse entwickelte sich dabei nach und nach zum Gedächtnis des Sports, das die vielen einzelnen Wettkämpfe einer Disziplin festhält und bewertet, um aus vergangenen Wettkämpfen Erwartungen für künftige Wettkämpfe zu gewinnen. Die Medien ermöglichen es einem Publikum, das nicht vor Ort ist, die Dynamik eines räumlich und zeitlich verteilten sportlichen Wettkampfgeschehens zu verfolgen und mitzufiebern, indem sie Spielberichte und Spielresultate publizieren und in Tabellen kondensieren. So hat sich in den letzten hundert Jahren eine enge Symbiose dieser beiden Systeme entwickelt.
Skandal im Visier
Doch die Medien sind nicht nur das passive Gedächtnis des Sports, sie nötigen dem Sport auch ihre eigenen Interessen an Homestorys und Promiklatsch auf, die wiederum die Neugier des Massenpublikums, für das nicht der Leistungssport im Zentrum steht, bedienen. Es war gerade das gewachsene Medieninteresse, das die Professionalisierung des Sports mit allen Auswüchsen wie Doping und Rekordgehältern vorangetrieben hat. Es sind aber auch die (oder zumindest gewisse) Medien, die Athleten nicht nur auf ihre sportlichen Leistungen hin beobachten, sondern in ihnen Individuen sehen, deren private Lebensführung dem Publikum in allen Details vermittelt werden muss. So kombinieren die Medien in Zeiten von Corona mühelos etwa die voyeuristische Faszination für Millionengehälter mit der rituellen Moralschelte, dass eine solche Praxis dem Publikum in der wirtschaftlich schwierigen Lage nicht mehr zugemutet werden könne. Eine solche Form der Doppelmoral gehört zur organisierten Heuchelei von Medien, deren Interesse nicht zuletzt in der Skandalisierbarkeit des Sports besteht.
Adrian Itschert, Lehr- und Forschungsbeauftragter am Soziologischen Seminar