Reto Babst, Professor für Medizin, fragt – Bernhard Rütsche, Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie, antwortet.
Das Krankenversicherungsgesetz ermächtigt die Kantone, versicherte Personen, die ihre Prämien trotz Betreibung nicht bezahlen, auf einer Liste zu erfassen. Die Aufnahme in eine solche sogenannte Schwarze Liste hat für die betroffenen Personen einschneidende Folgen: Zum einen übernimmt die Krankenkasse die Kosten für medizinische Behandlungen – mit Ausnahme von Notfällen – nicht mehr, zum anderen können Spitäler und Arztpraxen ihre Leistungen für solche Personen auf Notfälle beschränken. Luzern gehört zu denjenigen Kantonen, die eine Schwarze Liste eingeführt haben.
Mit Schwarzen Listen wird das an sich legitime Ziel verfolgt, die Zahlungsmoral der versicherten Personen zu erhöhen. Dadurch soll zugleich der finanzielle Aufwand für Kanton und Gemeinden verringert werden. Denn diese müssen 85 Prozent der ausstehenden Prämien und Kostenbeteiligungen übernehmen. Schwarze Listen lassen sich aber auch mit Blick auf den Solidaritätsgedanken begründen. So ist die soziale Krankenversicherung darauf angewiesen, dass alle Versicherten ihren Beitrag in Form von Prämien leisten. Würde das Trittbrettfahren toleriert, könnte dies das System insgesamt gefährden.
Gegen Schwarze Listen lässt sich vorbringen, dass die Krankenkassenprämien als Kopfprämien ausgestaltet sind und je nach Einkommenssituation eine grosse finanzielle Belastung darstellen. Der mit den Listen verbundene Ausschluss von Leistungen würde damit vor allem Menschen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen treffen und diese folglich vom gleichberechtigten Zugang zur medizinischen Versorgung ausschliessen. Dagegen ist wiederum einzuwenden, dass die Kantone für untere und mittlere Einkommen die Prämien verbilligen. Zudem werden im Kanton Luzern Personen, die wirtschaftliche Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen beziehen, sowie Kinder und Jugendliche von der Liste ausgenommen.
In einem anderen Licht erscheinen Schwarze Listen aus Sicht der Spitäler und Ärztinnen. Diese stehen vor dem Dilemma, auf der Liste stehenden Patienten ausserhalb von Notfällen entweder die Behandlung zu verweigern oder in Kauf zu nehmen, dass sie auf den Kosten der Behandlung sitzen bleiben. Dabei wird der Notfall eng definiert als Situation, in der ohne sofortige Behandlung erhebliche gesundheitliche Schäden oder der Tod der Patientin zu befürchten ist.
Ob Schwarze Listen legitim sind, entscheidet sich letztlich danach, ob sie ihre Ziele – Schonung der öffentlichen Finanzen und Verhinderung von Trittbrettfahren in der Solidargemeinschaft – wirksam erreichen können. So ist der Kanton Solothurn zum Schluss gekommen, dass dies nicht der Fall ist, und hat auf Anfang 2020 die Abschaffung der Schwarzen Liste beschlossen.