Lucas Tschan (33) arbeitet seit der Gründung bei iGravity, einem Impact-Investment-Unternehmen. Der Absolvent des Masters in Politischer Ökonomie ist überzeugt, dass sich Entwicklungszusammenarbeit und Profitabilität nicht ausschliessen müssen.
Lucas Tschan, Sie sind im sogenannten «Impact Investment» tätig – was muss man sich darunter vorstellen?
Lucas Tschan: Ich arbeite bei iGravity, einem 2017 gegründeten Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich. Wir gehen noch ein paar Schritte weiter als nachhaltige Investments, wir machen ausschliesslich Impact Investments. Das bedeutet, dass wir mit unseren Investitionen und Partnerschaften direkten «Impact», also messbare positive Auswirkungen für Umwelt und Gesellschaft, erzielen. So führen unsere Investitionen und Beratungen beispielsweise zu einem besseren Zugang zum Gesundheitssystem, oder wir fördern eine umweltfreundliche Nahrungsmittelproduktion. Das erreichen wir, indem die finanziellen Mittel direkt in kleine und mittelgrosse Unternehmen in Entwicklungsländern investiert werden und indem wir diese Firmen mit unserer Expertise begleiten.
Zum Beispiel?
Wir konnten etwa zusammen mit der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und einer Stiftung einen Fonds mit einem Volumen von mehreren Millionen Franken aufgleisen und werden damit Unternehmen im afrikanischen Bildungssektor finanzieren. Viele solche Beiträge können die Welt zu einer besseren machen, und ich freue mich, Teil davon zu sein.
Entwicklungshilfe zu leisten und gleichzeitig Profite zu erzielen, hört sich aber eher widersprüchlich an …
Ist nicht genau das nachhaltig? Es gibt weltweit Millionen von Menschen, denen der Zugang zu Waren und Dienstleistungen fehlt oder denen der Zugang schlicht zu teuer ist. Im Gegensatz zu klassischen Spenden über NGOs – die natürlich auch wichtig sind – beinhaltet unser Ansatz, lokale Unternehmen gezielt und langfristig zu finanzieren. Effiziente technologische Projekte können schnell sehr grosse Wirkung erzielen. Eine Win-Win-Situation für alle. Selbstverständlich ist es komplizierter, als Investitionen an den grossen Börsen zu tätigen, und deshalb auch teurer. Unsere Strategie baut auf extensiver analytischer Arbeit und einem breiten Netzwerk mit vielen Partnern auf.
Was beinhaltet Ihr Job?
Ich bin seit eineinhalb Jahren Head of Advisory & Partnerships und führe ein Team von vier Leuten. Das Unternehmen ist seit der Gründung stark gewachsen und beschäftigt mittlerweile 13 Mitarbeitende auf verschiedenen Kontinenten. Als erster Angestellter des Unternehmens hatte ich zuvor – wie in Start-ups üblich – einen sehr breiten Arbeitsinhalt und war an fast allen Projekten beteiligt. Jetzt liegt meine Hauptverantwortung darin, neue Beratungsmandate zu gewinnen, Partnerschaften aufzubauen und zu pflegen und mein internationales Team zu führen, was sehr viel Koordination beansprucht.
Viele in meiner Generation – wie auch ich selbst – haben den Wunsch, einen sinnvollen, weltverändernden Job zu haben.
Wie schafft man es, einen so erfüllenden Job, wie Sie ihn haben, zu finden?
Um einen passenden Job zu finden, ist es aus meiner Sicht wichtig, anfänglich auch etwas Demut an den Tag zu legen. Viele in meiner Generation – wie auch ich selbst – haben den Wunsch, einen sinnvollen, weltverändernden Job zu haben. Den Traumjob findet man aber meistens nicht direkt nach dem Studium. In den ersten Jahren gehören viele einfache Arbeiten dazu – etwa Excel-Tabellen bearbeiten oder PowerPoint-Präsentationen erstellen. Für den Berufseinstieg empfehle ich auch Grossunternehmen als Arbeitgeber. Dort kann man gewöhnlich viel lernen, und man profitiert von einem grossen Netzwerk sowie bewährten Standards. Bei guter Arbeit und einem offenen Charakter ergeben sich von allein Chancen. Abschliessend vielleicht noch ein kleiner Tipp: Bei Bewerbungen ist es wichtig, sich stark mit der Firma und der ausgeschriebenen Stelle auseinanderzusetzen, um die wahre Motivation zum Ausdruck zu bringen. Wissen kann man sich aneignen, Motivation nicht.
Inwiefern hilft Ihnen das im Studium Gelernte in Ihrer jetzigen Position?
Ich habe nach der Handelsmittelschule einen Bachelor in Banking und Finance an einer Fachhochschule absolviert. Spätestens während der Bachelorarbeit wurde mir mein Interesse an Makroökonomie, Geldpolitik, Handelspolitik sowie die Freude an der akademischen Arbeit bewusst. Diese Interessen konnte ich später in einem Bachelor in Volkswirtschaft an der Universität Bern sowie dem Master in Politischer Ökonomie an der Universität Luzern ausleben. Mir kam entgegen, dass wir während des Masterstudiums viele Arbeiten schreiben mussten und dass ein grosser Fokus des Studiengangs auf dem Verständnis und der Anwendung der Methoden lag. In meinem Job wende ich diese Erfahrungen im Rahmen von Analysen und zum Verständnis globaler Zusammenhänge fast täglich an. Ebenfalls greife ich oft auf die wichtigsten Papers und Bücher meines Studiums zurück. Leider habe ich aber nicht mehr so viel Zeit, mich in der spannenden Literatur zu vertiefen.
«Politische Ökonomie» ist mittlerweile als Spezialisierung des Masters in Wirtschaftswissenschaften studierbar.
Roxane Bründler
Co-Sektionsvorsteherin Wirtschaftswissenschaften der ALUMNI Organisation der Universität Luzern; Business Development Coordinator bei der Gonser AG
Yves Spühler
Co-Sektionsvorsteher; wirtschaftspolitischer Mitarbeiter der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz IHZ