Matteo Frey hat für sein Dissertationsprojekt zwei Semester an der Yale University geforscht. Eine auf allen Ebenen bereichernde Erfahrung, wie der Doktorand und wissenschaftliche Mitarbeiter der Lucerne Graduate School in Ethics LGSE des Instituts für Sozialethik ISE berichtet.
Matteo Frey, was hat Sie dazu motiviert, einen Forschungsaufenthalt im Ausland zu machen?
Matteo Frey: Bereits während meines Bachelor- und Masterstudiums habe ich mehrere Semester im Ausland verbracht. Die Erfahrungen waren immer äusserst bereichernd. Der Austausch mit den Menschen vor Ort lehrt einen nicht nur, neue Kulturen zu schätzen, sondern eröffnet jeweils auch frische Perspektiven auf das Weltgeschehen und auf das, was die Menschen bewegt. In der Politikwissenschaft wie auch in der Ethik scheint mir dies besonders wichtig.
Warum haben Sie sich für dieses spezifische Land und diese Institution entschieden?
Die USA waren nicht meine erste Wahl. Ich wollte ursprünglich im europäischen Raum bleiben. Doch die Einladung, ein Jahr an der Yale University forschen zu dürfen, hat mich dazu bewogen, doch den Schritt über den Atlantik zu wagen.
Welche besonderen Herausforderungen sind Ihnen während Ihres Aufenthalts begegnet und wie haben Sie diese gemeistert?
Die Universität bot eine unüberschaubare Anzahl an interessanten Vorlesungen, Seminaren, Workshops, «Brown-Bags», Konferenzen etc. Es war schwierig, mich nicht im breiten Angebot zu verlieren. Doch schliesslich war selbst der Prozess zur Auswahl der Veranstaltungen äusserst bereichernd. Obwohl im ersten Moment überwältigend und zeitaufwendig, halfen mir die Auseinandersetzung mit dem Angebot und die nötige Eingrenzung, mein Forschungsthema (siehe Box) weiter zu schärfen.
«Vieles, was ich anfänglich für mein Thema als wichtig empfand, musste im Verlauf des letzten Jahres Zentralerem Platz machen.»
Inwiefern hat der Forschungsaufenthalt Ihre wissenschaftliche Arbeit und Perspektive verändert?
Insbesondere in Bezug auf meine Promotionsarbeit: Vieles, was ich anfänglich für mein Thema als wichtig empfand, musste im Verlauf des letzten Jahres Zentralerem Platz machen. Spezifisch hat sich mein Fokus auf den Grundsatzdiskurs über liberale Institutionen und die realistische Umsetzbarkeit politischer Neutralität im institutionellen Bereich verschoben. Dabei sind vor allem die universellen Werte, auf denen im Prinzip die globale Ordnung baut – wie die Menschenrechte –, mehr in den Fokus gerückt.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit den Forschenden und der Scientific Community empfunden?
Einen Grossteil dieser Entwicklung habe ich dem regen Austausch mit Forschenden vor Ort zu verdanken. Einige von ihnen sind Koryphäen auf ihrem Gebiet. Die Nahbarkeit und Kollegialität zwischen allen akademisch Wirkenden auf dem Campus hat mich sehr beeindruckt und geprägt. Im bereichernden Austausch sind über die Zeit auch Freundschaften entstanden.
Gab es besondere Ressourcen oder Einrichtungen in der Gastinstitution, die für Ihre Forschung von Vorteil waren?
Auf jeden Fall. Hauptsächlich die generellen Rahmenbedingungen, welche Yale zu ihrem Ruf verhelfen. So arbeitet dort das ganze Universitätssystem für die Forschenden. Nebst den bereits erwähnten Veranstaltungen und dem Austausch vor Ort war für mich persönlich vor allem die Bibliothek als Ressource zentral. Yale hat eine immense Bibliothek und bietet eine erstklassige Forschungsdienstleistung an. Es gab kaum Werke, die nicht im Onlineregister zu finden waren. Ein Bestellformular reichte aus, um die gewünschten Seiten und Kapitel innerhalb kurzer Zeit als E-Mail zugesandt zu bekommen. Die dadurch gewonnene Zeit war ein Luxus.
Wie haben Sie die kulturellen Unterschiede zwischen der Schweiz und den USA erlebt?
Ich dachte anfänglich, das Land aufgrund der allgegenwärtigen amerikanischen Medien gut zu kennen. Trotzdem wurde ich immer wieder überrascht und lernte viel Neues – sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. Ich hatte das Glück, mich schnell aufgenommen und zu Hause zu fühlen. Das internationale Umfeld der Universität trug definitiv dazu bei. Doch auch die USA für sich sind kulturell viel diverser, als ich es angenommen habe. Regionale Unterschiede und die vielfältigen ethnischen Wurzeln der Amerikanerinnen und Amerikaner schaffen eine komplexe gesellschaftliche Dynamik. In Bezug auf die Schweiz war es spannend zu lernen, wie der frühe Schweizer Protestantismus die ersten Siedlerinnen und Siedler beeinflusste und bis heute vieles prägt, was wir als «amerikanisch» verstehen.
Welche Ratschläge würden Sie anderen Forschenden geben, die einen Forschungsaufenthalt im Ausland in Erwägung ziehen?
Geht, falls ihr die Möglichkeit habt! Die Erfahrungen sind auf jeder Ebene bereichernd und wertvoll.
Forschung zu Sport, Ethik und Neutralität
Matteo Frey ist Doktorand an der Lucerne Graduate School in Ethics LSGE des Instituts für Sozialethik ISE an der Theologischen Fakultät. Unter der Leitung von Peter G. Kirchschläger, Professor für Theologische Ethik, widmet sich sein Forschungsprojekt den ethischen Dimensionen politischer Neutralität internationaler Institutionen. Der Fokus seiner Dissertation liegt auf der Untersuchung des Begriffs der politischen Neutralität, wie er vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) bemüht wird.
Link zum Profil