Vom Medizin- zum Theologiestudium, Pastoralassistentin und nun auch wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin im Bereich Ethik an der Universität Luzern: Der Werdegang von Adrienne Hochuli Stillhard (41) ist äusserst vielfältig.
Adrienne Hochuli Stillhard, von 2003 bis 2011 haben Sie an den Universitäten Bern und Luzern Theologie studiert. Warum haben Sie sich dafür entschieden?
Adrienne Hochuli Stillhard: Im Gymi wollte ich Ärztin oder Theologin werden. Als ich einen Studienplatz in Medizin bekam, nutzte ich diese Chance. Im zweiten Semester hatte ich die erste Ethik-Vorlesung – bei einem Theologen. Damals hat es mir «den Ärmel reingezogen». Ich interessierte mich zwar sehr für den gesunden und kranken Menschen. Aber noch mehr für den Menschen und die grossen Fragen nach dem Wie und Wozu des Lebens. Nach drei Jahren wechselte ich von der Medizin zur Theologie, weil mich diese Grundfragen nicht losgelassen haben. Bis heute nicht.
Welches Ziel hatten Sie beim Studienbeginn, und hat sich dieses im Verlauf des Studiums verändert?
Ich hatte kein klares Ziel. Ethikerin war ein eher utopischer Wunsch. Nach dem Master hätte ich gerne in Luzern doktoriert, aber die Ethik-Professur war damals vakant. Die beiden Betreuer meiner Masterarbeit ermutigten mich, in Deutschland eine Forschungsstelle zu suchen, aber das kompetitive akademische Umfeld fand ich dann doch zu wenig attraktiv, um dafür meinen Lebensmittelpunkt zu verschieben. Und so wurde ich – obwohl ich mir das bei Studienbeginn nie hätte vorstellen können – Seelsorgerin.
Wie nahmen Sie die beiden Theologischen Fakultäten, an denen Sie studierten, wahr?
Die Berner Fakultät habe ich als sehr reformiert wahrgenommen – mit einem ausgeprägten Schwerpunkt in den historischen Fächern. Die Theologie begeisterte mich an beiden Orten, aber Luzern entsprach mir mehr in der theologischen Offenheit. Und wir hatten mit Markus Zimmermann einen ausgezeichneten Bioethiker an der Fakultät, der auch meine beiden Welten verband und mein ethisches Denken sehr geprägt hat. Im Studium habe ich zwei wichtige Dinge gelernt: differenziert zu denken, und dass es auf schwierige Fragen keine einfachen Antworten gibt.
Sie konnten nach dem Abschluss vielfältige berufliche Erfahrungen sammeln. Theologinnen und Theologen scheinen an vielen Orten sehr gefragt zu sein...
Ich erlebe es eher so, dass es schwierig ist, als Theologin ausserhalb der Kirche Arbeit zu finden. Ich hatte einfach das Glück, spannende Stellen zu bekommen.
Auch eine akademische Laufbahn ist als Theologin möglich, wie Ihre aktuelle Anstellung in Luzern zeigt. Wie muss man sich diese Tätigkeit genau vorstellen, und wie bringen Sie Ihre Doktorarbeit damit unter einen Hut?
Momentan arbeite ich an der Machbarkeitsstudie für einen neuen Studiengang, redigiere Texte, halte Vorträge – und wünsche mir täglich einen grösseren Hut, um auch meine hier entstehende Diss gut unterzubringen. Es macht mich glücklich, «ethisch» arbeiten zu dürfen. Besonders dann, wenn ich mit anderen Disziplinen ins Gespräch komme. Ich liebe es, wenn sich Denkwelten verbinden. Für eine klassische wissenschaftliche Laufbahn bin ich jedoch zu alt, und meine Berufsbiografie ist zu divers.
Welchen Tipp geben Sie heutigen Studierenden mit auf den Weg?
Auch wenn das Studium streng ist: Geniesst es, Neues lernen zu können. Schnuppert über die Ränder eures Faches hinaus. Und wenn ihr noch Energie habt: Sammelt für später etwas Rüstzeug in der Arbeitswelt.
Adrienne Hochuli Stillhard lebt in Aesch ZH. Sie ist Pastoralassistentin in Zürich (seit 2015 Teilzeit). Vor ihrer Anstellung in Luzern war sie Leiterin der Ökumenischen Fachstelle Religion am FHNW-Campus in Brugg und Dozentin für Religion und Ethik an der FHNW, davor wissenschaftliche Assistentin an der Theologischen Hochschule Chur. Während des Studiums arbeitete sie als Werkstudentin in der Pflege und als Protokollführerin im Berner Stadtrat.
unilu.ch/adrienne-hochuli
Felix Hunger
Sektionsvorsteher Theologie der ALUMNI Organisation. Er wirkt als Pfarradministrator in Pfäffikon ZH und absolviert derzeit berufsbegleitend einen MAS als Coach und Organisationsberater.