Die Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Praxis stösst oft auf rechtliche Hürden. Dem müssen sich Forschende und Gesetzgeber bewusst sein. Gleichzeitig muss die Denkweise überwunden werden, die Regulierung stehe der Innovation ihrer Natur nach feindlich gegenüber.
Emissionsfreie Elektro- oder Wasserstoffantriebe, wirksamere Arzneimittel, nachhaltigere landwirtschaftliche Verfahren: All diese Innovationen können nur dann ihre Wirkung entfalten, wenn sie sich tatsächlich am Markt etablieren. Dem stehen jedoch in vielen Fällen ungeeignete rechtliche Rahmenbedingungen entgegen.
Ein mangelhaft ausgestalteter Rechtsrahmen kann sich auf verschiedene Weise negativ auf die Umsetzung von Innovationen auswirken. So kann das Recht ein innovatives Produkt zunächst schlicht verbieten, wie es im Bereich autonomer Fahrzeuge noch weitgehend der Fall ist. Ebenfalls hemmend auf Innovationen wirkt sich die Rechtsunsicherheit aus, die sich auch durch die Komplexität der rechtlichen Vorschriften ergibt. Schliesslich kann das Recht Fehlanreize setzen, die Innovationsprozesse behindern.
Hauptursache der soeben beschriebenen Probleme ist das mangelnde Wissen des Gesetzgebers. Zunächst ist bei Erlass der Rechtsvorgaben noch völlig unklar, welche zukünftigen Innovationen am Markt erscheinen werden. Zudem ist selbst bei sich bereits andeutenden Innovationsprozessen meist nicht absehbar, wie dieser Prozess genau verlaufen wird. Diese Wissensprobleme führen dazu, dass der Gesetzgeber den Innovationsprozessen stets einen Schritt «hinterherhinkt».
Das Recht als Innovationstreiber
Trotz dieser Probleme kann das Recht auch eine bedeutende innovationsfördernde Rolle einnehmen. So hat das Patentrecht einzig die Funktion, innovative Ideen zu schützen und dadurch Anreize zu setzen, erfinderisch tätig zu werden. Darüber hinaus können einzelne Rechtsgebiete sehr spezifisch bestimmte Innovationen fördern.
Auch Verbote bestimmter Technologien können Innovationen auslösen. Das Recht kreiert durch das Verbot quasi die Not, die sprichwörtlich erfinderisch macht. So haben Energieeffizienzvorschriften für Leuchtmittel, mit denen herkömmliche Glühbirnen de facto verboten wurden, enorme Fortschritte bei modernen LED-Leuchten ausgelöst.
Das Recht kreiert durch das Verbot quasi die Not, die sprichwörtlich erfinderisch macht.
Nicht zuletzt hat das Recht die Aufgabe, die mit Innovationen teilweise verbundenen Risiken aufzufangen. Dies kann sich letztlich auch innovationsfördernd auswirken, da eine Innovation eher sozial akzeptiert werden wird, wenn deren Risiken durch einen klaren Rechtsrahmen geregelt sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Nutzung der Kernenergie, die wohl nur aufgrund der umfassenden Bewilligungs-, Versicherungs-, Nachrüstungs- und weiteren Pflichten sowie der Aufsicht durch Bundesbehörden überhaupt gesellschaftlich akzeptiert werden konnte.
Angesichts der beschriebenen Probleme und Chancen, die sich aus dem Recht für die Umsetzung von Innovationen ergeben, liegt eine nähere Beschäftigung mit möglichst innovationsfreundlichem Recht im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Die im Folgenden beschriebenen Massnahmen könnten dazu beitragen, dem Rechnung zu tragen.
Austausch zwischen den Wissenschaften stärken
Zunächst erscheint es als unerlässlich, den gegenseitigen Austausch zwischen der Rechtswissenschaft und den anderen Wissenschaften zu stärken. So sollten einerseits Rechtswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler frühzeitig in Forschungsprojekte anderer Disziplinen einbezogen werden. Andererseits sollten Forscherinnen und Forscher der technischen und Geisteswissenschaften rechtzeitig an Gesetzgebungsvorhaben beteiligt werden.
Sich den Funktionen des Rechts bewusst werden
Sodann sollte sich der Gesetzgeber der verschiedenen Funktionen des Rechts bewusst sein, die einerseits auf die Ermöglichung von Innovation, andererseits aber auch die Absicherung gegenüber den entsprechenden Risiken im Sinne des Vorsorgeprinzips zielen. Dabei muss die Denkweise überwunden werden, wonach die Regulierung der Innovation ihrer Natur nach feindlich gegenüberstehe. Wie gezeigt wurde, kann vielmehr gerade auch klassische Regulierung Innovationen auslösen und befördern.
Recht möglichst technikneutral setzen
Schliesslich ist die Ausgestaltung der Rechtsvorschriften selbst ins Auge zu fassen und kritisch zu prüfen. Hierbei sollte von Anfang an darauf geachtet werden, möglichst technikneutrales Recht zu setzen. Technikneutralität bedeutet, dass die rechtliche Regelung verschiedene Lösungen nicht unterschiedlich behandelt, indem zum Beispiel aufgrund eines zu engen Wortlauts eine bestimmte Technologie nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst wird. So sollten beschaffungsrechtliche Ausschreibungen so formuliert werden, dass die zu erreichende Wirkung im Vordergrund steht, während die technische Umsetzung den Anbieterinnen und Anbietern überlassen bleibt.
Rechtliche Vorgaben technologieoffen gestalten
Technologieoffenheit meint, dass die rechtlichen Vorgaben offen genug ausgestaltet sind, sodass sich auch zukünftige technologische Entwicklungen in den gesetzlichen Rahmen einfügen lassen. Auch hier wird es darauf ankommen, Rechtsvorgaben in technischer Hinsicht nur so konkret zu formulieren, wie es zur Erreichung des Gesetzeszwecks unbedingt erforderlich ist.
Ganz allgemein gilt es nicht zuletzt – längst nicht nur, aber auch im innovationsbezogenen Kontext – die Verständlichkeit des Rechts zu gewährleisten. Hier sollte die alte Grundregel in Anlehnung an Eugen Huber befolgt werden, wonach kein Gesetzesartikel mehr als drei Absätze, kein Absatz mehr als einen Satz und kein Satz mehr als einen Gedankengang enthalten soll.
Dieser Text ist eine gekürzte Fassung eines Beitrags, der im Bulletin 1/23 der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften erschien. Vollständiger Artikel (pdf)