Das Departement Gesundheitswissenschaften und Medizin ist stark international ausgerichtet – zudem setzt man auf Zusammenarbeit von Mitgliedern verschiedener Berufsgruppen im Gesundheitswesen. Ein Beispiel: die beiden Doktorandinnen Eddy Carolina Pedraza Salcedo und Asma Abdelgafar Osman Mohamedsharif.
Asma Abdelgafar Osman Mohamedsharif kam im vergangenen Herbst nach Luzern. Im Rahmen ihres Dissertationsprojekts beschäftigt sich die Ärztin aus der sudanesischen Hauptstadt Karthum mit dem Übergang der Patientinnen und Patienten vom Spital nach Hause. Betreut von Prof. Dr. Armin Gemperli, Professor für Gesundheitswissenschaften mit Schwerpunkt Rehabilitationsforschung, entwickelt die 33-Jährige Indikatoren, um die Qualität dieses Übergangs messbar zu machen. Sie möchte aufzeigen, wie diese sogenannte Transition und die Nachsorge verbessert werden können, mit speziellem Fokus auf Entwicklungsländer. «Im ersten Teil meiner Arbeit suche ich in der wissenschaftlichen Literatur systematisch nach bereits vorhandenen Forschungsergebnissen.»
Im zweiten Schritt reist die Doktorandin nächstes Jahr für zwei bis drei Monate zurück in den Sudan und untersucht die Situation vor Ort in den Spitälern. «Dabei geht es um Daten von Patienten und Ärzten sowie Angaben aus den zur Verfügung stehenden Protokollen.» Auch soll untersucht werden, ob es im dortigen Gesundheitswesen Unterlagen gibt, die festhalten, was in dieser Phase der medizinischen Behandlung gemacht wird, um den Übergang in die Nachsorge zu Hause zu verbessern.
Suche nach umsetzbaren Lösungen
Wieder zurück in der Schweiz, wird Asma Mohamedsharif den dritten Teil ihrer Arbeit in Angriff nehmen. «Ziel ist die Erarbeitung eines Modells, das aufzeigt, wie Transitionen am besten umsetzbar sind.» Dabei richtet sie ihr Augenmerk auf die spezifische Situation von Ländern wie dem Sudan, die ihr Gesundheitssystem mit vergleichsweise niedrigem Ressourceneinsatz bewältigen müssen. «Reiche Länder können sich viele Massnahmen leisten, was in ärmeren Ländern undenkbar ist. Deshalb braucht es gezielte Forschung, die nach Lösungen sucht, welche für diese Länder auch umsetzbar sind.» Generell sei das ganze Umfeld völlig anders als etwa in der Schweiz, auch hätten die Patientinnen und Patienten andere Bedürfnisse.
Zum Glück konnte ich meine Kolleginnen und Kollegen vor dem Lockdown physisch kennenlernen, das hat den Einstieg erleichtert.
Zurzeit ist Asma Mohamedsharif daran, gegen 3500 Berichte und Forschungsergebnisse, die für ihr Thema von Interesse sind, durchzuarbeiten – eine enorme Zahl. Sie lacht; im Moment habe sie ja mehr als genug Zeit, meint sie. Bei ihrer Ankunft in der Schweiz hatte die Ärztin zwar noch eine Schweiz mit geöffneten Cafés und Restaurants erlebt, bald darauf kam aber der Lockdown. «Zum Glück konnte ich noch rund zwei Monate an die Universität gehen. Meine Kolleginnen und Kollegen physisch kennenlernen zu können, hat den Einstieg erleichtert.»
Toll findet sie, wie gut organisiert alles ist. «Ich musste mich um nichts kümmern: Wohnen, Aufenthaltsbewilligung, Zugang zur Uni – alles klappte reibungslos.» Mohamedsharif hat ein auf drei Jahre angelegtes «Bundes-Exzellenz-Stipendium für ausländische Forschende und Kunstschaffende» erhalten, kurz ESKAS-Stipendium. Diese Regierungsstipendien fördern den internationalen Austausch und die Forschungszusammenarbeit der Schweiz mit über 180 Ländern.
Intensive Forschungsarbeit
Die sudanesische Wissenschaftlerin beschreibt ihren momentanen Alltag so: vom Bett zum Bürotisch und wieder zurück. Sie fügt an, dass sie froh sei, in einem überschaubaren Studierendenheim zu wohnen. «Ich schätze es sehr, dass immer jemand da ist, mit dem ich mich unterhalten kann.» Fixe Arbeitszeiten hat sie pandemiebedingt nicht mehr. «Ich arbeite, bis ich müde bin, dann esse ich etwas, chatte mit Freunden und arbeite wieder.» Die Pandemie hat auch in ihrem Leben Spuren hinterlassen. Mit dem Klima hat sie sich angefreundet, dennoch freut sie sich nach dem langen Winter auf etwas mehr Farben. «Am Anfang war es aufregend, einmal Schnee zu sehen. Aber mit der Zeit drückten das viele Weiss und die Dunkelheit etwas auf die Stimmung.» Auch die etwas zurückhaltende Art der Schweizerinnen und Schweizer sei zunächst gewöhnungsbedürftig gewesen. «Im Sudan sitzen die Menschen viel zusammen und reden, das vermisse ich ein wenig.»
In der Westschweiz kenne sie eine sudanesische Familie, die sie ab und zu besuche. «Dort kann ich wieder mal ungezwungen in meiner Muttersprache sprechen, was ich sehr geniesse.» In ihrer Freizeit trifft sie sich gerne mit Eddy Carolina Pedraza Salcedo, die ebenfalls am Departement doktoriert und schon ein Jahr länger in Luzern lebt als sie, seit dem Herbst 2019.
Carolina Pedraza stammt aus der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, war als Kinderärztin tätig und kam mithilfe eines Stipendiums der Swiss School of Public Health nach Luzern. Das Marie-Skłodowska-Curie-Stipendium im Rahmen des «SSPH+ Global PhD Fellowship Programme in Public Health Sciences» (GlobalP3HS) ermöglicht es internationalen Studierenden, ihr Doktorat an einer Schweizer Universität zu absolvieren. Die Hälfte der finanziellen Unterstützung kommt von diesem ebenfalls auf drei Jahre angelegten Stipendium, die andere Hälfte speist sich in diesem Fall aus Drittmitteln der Krebsliga Schweiz.
Als Ärztinnen und Ärzte konzentrieren wir uns normalerweise auf Krankheiten. Nun kann ich tiefer auf das eingehen, was in den Herzen der Angehörigen vorgeht.
Die 37-Jährige arbeitet zusammen mit Prof. Dr. Gisela Michel, Professorin für Gesundheits- und Sozialverhalten, und Dr. Manya Hendriks an der Studie «Bereavement Care for Parents of Childhood Cancer Patients», die sich mit der Nachbetreuung von Eltern und Angehörigen von verstorbenen Kinderkrebspatientinnen und -patienten befasst. Das Projekt ist in drei Studien unterteilt, die sich auf die Erforschung der Bedürfnisse, psychosozialen Aspekte und gelebten Erfahrungen von Eltern und Verwandten konzentrieren. Es geht darum, herauszufinden, welche Palliative-Care-Programme und Trauerbegleitung für Angehörige zur Verfügung stehen und wo Versorgungslücken in der Schweiz und in anderen onkologischen pädiatrischen Zentren in Europa bestehen. «Bis anhin gibt es dazu noch wenig Forschung», sagt Carolina Pedraza.
Emotionale Ebene
Eine bereits abgeschlossene Forschung beschäftigte sich mit der Situation Angehöriger während der letzten vier Wochen vor dem Tod ihres Kindes. «Wir schauen darauf, was danach kommt, was später an Unterstützung und Hilfe nötig und sinnvoll ist.» Dass sie an der Universität Luzern zu diesem Thema ihre Dissertation schreiben kann, sei ein «Geschenk des Himmels»: «Als Ärztinnen und Ärzte konzentrieren wir uns normalerweise auf Krankheiten. Nun kann ich tiefer auf das eingehen, was in den Herzen der Angehörigen vorgeht. Auf das ‹Herz› und die Emotionen meiner Patienten und ihrer Familien fokussiert zu sein, war schon immer Teil meiner Karriere und hat mich schon in meiner Arbeit in Kolumbien beschäftigt.»
Da sie noch vor der Corona-Zeit in Luzern eingetroffen war, hatte sie genügend Zeit, sich hier einzuleben. «Ich wurde von meinem Team von Anfang an sehr gut aufgenommen, alle sind sehr lieb und hilfsbereit», sagt Carolina Pedraza. Auch für sie seien die kalte Jahreszeit und die eher zurückhaltende Art der Einheimischen eine Herausforderung gewesen – und natürlich der Lockdown, aber sie komme insgesamt gut mit der Situation zurecht. «Ich bin nicht der Typ, der jeden Abend ausgehen muss.» Dafür habe sie auf unzähligen Spaziergängen Luzern und Umgebung kennen und schätzen gelernt. «Luzern ist grossartig, eine Stadt wie ein zum Leben erwecktes Gemälde», schwärmt sie. «Die Leute sind sehr freundlich. Und es ist toll, wie viele Menschen aus verschiedenen Kulturen man hier trifft.» Wenn immer sie Zeit hat, schätzt sie es, sich mit ihrer Kollegin Asma Mohamedsharif zu treffen. «Wir helfen und unterstützen einander, das ist toll.»
Robert Bossart ist freischaffender Journalist; der Beitrag ist im Jahresbericht 2020 der Universität Luzern erschienen.