Sie ist in Wales aufgewachsen – und hat in Luzern eine neue Heimat gefunden. Hier vernetzt Catrin E. Scheiber als Leiterin des International Relations Office die Universität und ihre Angehörigen mit der Welt.
Wenn Catrin E. Scheiber morgens auf ihr Fahrrad steigt und via Sonnenberg und Obergütsch zur Uni fährt, staunt sie immer wieder aufs Neue. «I guess I will never get tired of this view.» Die Stadt, die Berge, der See. Dieser Anblick, so sagt sie, werde ihr wohl nie verleiden. Die 40-Jährige hat in Luzern eine neue Heimat gefunden. Ihre Töchter Sara (6) und Ceira (2) kamen hier auf die Welt, ihr Mann stammt aus dem Urnerland, und eben erst hat sie die Schweizer Staatsbürgerschaft beantragt. Ihre Wurzeln aber liegen in Wales. Und wer sich mit ihr unterhält, der merkt, dass sie sich auch heute noch stark mit ihrer Herkunft verbunden fühlt. Mit ihren beiden Töchtern spricht sie nicht Englisch, sondern Walisisch. «Die Sprache meines Herzens.» Die Sprache auch, die nur knapp 20 Prozent der heimischen Bevölkerung beherrschen. Natürlich vermisst sie ihre Freunde, die Familie, die wilde Küste. Bereut hat sie ihre Auswanderung trotzdem nie. «Im Gegenteil.».
Nachdem sie an der Universität von Cardiff Deutsch und Geschichte studiert hatte, absolvierte die Waliserin ein Auslandjahr in Österreich. Als sie anschliessend zuhause in Wales als Deutschlehrerin an einer Sekundarschule tätig war, spürte sie, dass ihr das Leben im deutschsprachigen Raum fehlte. Und das so sehr, dass Scheiber nach einigen Jahren nach Österreich zurückkehrte, wo sie an einer Privatuniversität in Wien ihre ersten Erfahrungen als International Officer sammeln konnte. Über weitere Abzweigungen führte ihr Weg schliesslich in die Innerschweiz. Zuerst an eine internationale Schule in Kastanienbaum – und 2013 schliesslich an die Universität. Hier ist sie für das International Relations Office (IRO) verantwortlich.
130 Partnerunis in 39 Ländern
Als Teamleiterin ist sie unter anderem zuständig für die Verwaltung und Aushandlung der Vereinbarungen mit den Partneruniversitäten der Uni Luzern. Zu ihren Aufgaben gehört es, Beziehungen zu pflegen, Verträge zu verlängern, neue Partneruniversitäten zu gewinnen. Derzeit kümmert sich das IRO-Team um rund 190 Vereinbarungen mit über 130 Universitäten in 39 verschiedenen Ländern – Tendenz steigend. Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Verwaltung der Austauschprogramme der Uni Luzern. Catrin E. Scheiber ist überzeugt, dass es sich für alle Studierenden lohnt, die heimische Universität zumindest vorübergehend zu verlassen. «Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen sowie der Berichte unserer Studierenden bin ich überzeugt, dass ein Mobilitätssemester eine wertvolle Erfahrung ist.» Der Mehrwert beschränke sich längst nicht nur auf den akademischen Bereich oder auf den Erwerb von sprachlichen und kulturellen Kompetenzen: «Viele Studierende kehren mit einem gestärkten Selbstvertrauen zurück.» Oftmals hätten sie neue Perspektiven kennengelernt, nicht selten würde sich der persönliche Fokus während eines Auslandssemesters verändern. «Zudem sehen die Studierenden ihre Heimat nach der Rückkehr oft mit etwas anderen Augen.»
Viele Studierende kehren mit einem gestärkten Selbstvertrauen zurück.
Die Vorteile eines Mobilitätsemesters liegen auf der Hand. Eigentlich. «Unsere Studierenden sind leider nicht sehr mobilitätsfreudig», sagt Scheiber etwas betrübt. Tatsächlich absolvieren von den rund 3000 Studierenden nur gerade 60 junge Frauen und Männer ein Semester im haben einen Teilzeitjob, den sie nicht kündigen wollen, andere möchten ihre Wohnung nicht aufgeben, wieder andere befürchten, dass ihr Studium durch das Auslandsemester verlängert wird.» Sie seien wohl einfach zufrieden hier in Luzern, sagt Catrin E. Scheiber und hebt die Schultern. So oder so startet das IRO immer wieder Anläufe, um die Mobilität beliebter zu machen. In Zukunft sollen diese Bemühungen weiter verstärkt werden. «Denkbar wäre zum Beispiel, dass wir aktiv in den Vorlesungsräumen Werbung für unsere Angebote machen.» Zudem sollen auch interaktive Tools wie etwa virtuelle Städteführungen eingesetzt werden.
«Die schöne Stadt und die Umgebung helfen uns natürlich sehr»
Während die einheimischen Studierenden ihre Uni also nur ungern verlassen, erfreut sich die Universität bei Studierenden aus dem Ausland dafür grosser Beliebtheit. «So wie unsere eigenen Studenten gerne das Studienleben an einer grossen Universität erleben, bieten wir den Gästen unserer Partneruniversitäten die Erfahrung einer persönlichen Universität.» Dabei geht die Betreuung über das Studium hinaus. Mehrmals pro Jahr führt das IRO auch Freizeitaktivitäten mit den Studierenden durch. «Wir wandern mit ihnen auf den Pilatus, absolvieren eine Schnitzeljagd durch die Stadt oder organisieren eine Führung im Verkehrshaus.» Der Unversitätsstandort Luzern punkte bei den ausländischen Studierenden mit verschiedenen Faktoren. «Die schöne Stadt und die Umgebung helfen uns natürlich sehr», sagt Catrin E. Scheiber. Die sogenannten «Incomings» seien wichtige Botschafterinnen und Botschafter. «Deshalb tun wir alles dafür, dass diese nach ihrem Semester in Luzern glücklich wieder nach Hause gehen.»
Wechselnde Rahmenbedingungez
Die Betreuung der Incoming- und Outgoing-Studierenden ist längst nicht die einzige Herausforderung, mit der es Scheiber und ihr Team zu tun haben. Für Arbeit sorgen auch die politischen Rahmenbedingungen. «Der Ausschluss aus dem Erasmus-Programm 2014 war ein schwerer Schlag für uns», so Scheiber. Das neu kreierte Swiss European Mobility Programm (SEMP) trage zwar dazu bei, den Schaden zu minimieren. «Ein wirklicher Ersatz für eine Vollmitgliedschaft im Erasmus-Programm ist das SEMP aber nicht.» Als weiteren Rückschlag nennt Catrin E. Scheiber den Ausschluss aus dem Forschungsprogramm «Horizon Europe». «Dadurch sind die Schweizer Hochschulen von der Zusammenarbeit mit den europäischen Spitzenuniversitäten praktisch abgeschnitten.» Dies wiederum mache auch die Schweiz für Spitzenforscherinnen und -forscher weniger attraktiv. Solche und weitere Herausforderungen machen Scheibers Job nicht immer einfach – aber immer spannend. Das gilt auch für das Schnupperstudium für geflüchtete Personen; ein weiteres Projekt, das Scheiber und ihrem Team am Herzen liegt.
Catrin E. Scheiber selbst hat übrigens nicht vor, ihre neue Heimat bald wieder zu verlassen. Auf die Frage, was ihr an der Schweiz besonders gut gefalle, antwortet sie: «Das Wetter!» Lachend ergänzt sie: «Vielleicht muss man in Wales aufwachsen, um das behaupten zu können.» Am meisten Freude bereiten ihr die stark ausgeprägten Jahreszeiten. Sie liebe heisse Sommer genauso wie schneereiche Winter. Und ab und zu soll es in Luzern ja auch regnen. Ganz so wie in ihrer alten Heimat Wales.