Ana Gamero studiert zurzeit an der Universität Luzern Wirtschaftswissenschaften im Master. Ihre Fähigkeiten möchte die Peruanerin dereinst dazu nutzen, um die Situation in ihrem Heimatland zu verbessern.
Als 17-jährige Gymnasiastin stellte Ana Maria Victoria Gamero Ponce de Leon – so ihr voller Name – die Weichen für ihre Zukunft: Damals absolvierte die Peruanerin ein Austauschjahr an der Kantonsschule Sursee. Die heute 29-Jährige erinnert sich noch bestens an diese Zeit. Mehr als das: «Der Kontakt zu meiner Gastfamilie und den Freunden aus der Kanti ist bis heute geblieben», sagt die junge Frau. Deshalb brauchte sie nicht viel Angewöhnungszeit, als sie im September 2020 zurückkehrte, um ihr Masterstudium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern zu beginnen.
Zwischen ihrer Zeit in Sursee und ihrer Rückkehr in die Zentralschweiz ist Ana Gamero weit herumgekommen. Zunächst stand England auf dem Programm: Ihr Bachelorstudium in International Business absolvierte sie in Liverpool, erste Berufserfahrung sammelte sie in Birmingham. 2018 zog Gamero weiter nach China und war in der 7-Millionen-Metropole Dalian während zwölf Monaten für ein englisch-chinesisches Unternehmen im HR tätig. «Ich bin durch das Land gereist und habe versucht, so viel wie möglich von der Kultur mitzunehmen.» China sei spannend gewesen, «eine andere Welt». Doch je länger sie dort war, desto grösser wurde der Wunsch, nach Peru zurückzukehren und später wieder in Europa zu sein.
Ich empfehle allen internationalen Studierenden, die Sprache zu lernen.
Ihren Entscheid, für das Masterstudium nach Luzern zurückzukehren, hat die aus Lima Stammende nicht bereut – im Gegenteil. «Die Schweiz ist ein zweites Zuhause geworden.» Ob bei Sonnenschein oder Schnee: Sie liebt es, Ausflüge an den See oder in den Gütschwald zu unternehmen. «Es gibt hier so viele Möglichkeiten, Neues zu entdecken.» Ana Gamero ist oft mit dem öV unterwegs, dessen Pünktlichkeit sie schätzt. Während der warmen Jahreszeit trifft man sie auf dem Stand-up-Paddle oder mit Freundinnen und Freunden auf der Wiese beim Richard-Wagner-Museum. Und das hiesige Essen? «Schmeckt mir sehr gut!», sagt Gamero. Sie liebt Käse, Pastetli, Schokolade. An Sonntagnachmittagen besucht sie gerne den Hofladen beim Bauernhof Gabeldingen am Sonnenberg in Kriens, um Eier und frisches Gemüse zu kaufen. «Ich finde es schön, wie solche Lädeli auf Vertrauensbasis funktionieren.»
Lob für Bildungssystem
Darüber hinaus schätzt Ana Gamero noch viele weitere Dinge an der Schweiz. «Es ist toll, dass hier alle Menschen die gleichen Bergbahnen benutzen oder nebeneinander im Bus sitzen können. In Peru ist die Schere zwischen Arm und Reich viel grösser.» Auch das hiesige Bildungssystem sagt ihr zu: «In der Schweiz kann man es über eine Berufsbildung weit bringen.» In Peru sei dies nur schwer möglich.
Wohl fühlt sie sich auch an der Universität Luzern. «Alles ist sehr familiär und persönlich.» Die überschaubare Grösse bringe aber auch Herausforderungen mit sich: Während sie in Liverpool ein Appartement zur Verfügung gestellt bekam, musste sie in Luzern selber eine WG finden. Auch bei sonstigen organisatorischen Themen war sie häufig auf sich allein gestellt. «Ich empfehle deshalb allen internationalen Studierenden, die Sprache zu lernen. Sie ist der Schlüssel zur Integration, hilft aber auch bei der Bewältigung von verschiedenen organisatorischen Herausforderungen.»
Ende Jahr wird Ana Gamero in Luzern ihre Masterarbeit schreiben. Dabei möchte sie der Frage nachgehen, weshalb es in Peru trotz seiner hohen Anzahl an Fünf- und Sechstausendern keinerlei Skigebiete gibt. «So wie ich es einschätze, besteht in diesem Bereich ein grosses wirtschaftliches Potenzial für unser Land.» Peru habe besonders landschaftlich viel zu bieten. «Das peruanische Klima ist extrem vielfältig.» Das Thema der Masterarbeit passt zu den eigenen Zukunftsplänen. «Ich möchte mein Studium nutzen, um meinem Land zu helfen.» Gerne wäre sie dereinst zum Beispiel in einem NGO im Bereich der Wirtschaftsentwicklung tätig. Ganz nach Peru zurückkehren möchte sie jedoch nicht mehr. «Seit zwölf Jahren bin ich weg von zuhause. Ich habe mich zu sehr an dieses Leben gewöhnt und könnte mir sehr gut vorstellen, mich eines Tages ganz hier niederzulassen.» Ihre Heimat vermisst sie manchmal trotzdem. «Mir fehlt das Gefühl, am Meer zu sitzen und eine Portion Ceviche [ein landestypisches Fischgericht; Anm. d. Red.] zu essen – oder an einem schönen Abend am Strand zu tanzen.» Das peruanische Essen fehlt ihr generell: «In Peru haben wir eine der besten Küchen Südamerikas. Zum Glück wird auch in Europa peruanisches Essen immer beliebter.» Für Ana münden diese Gedanken aber nicht in einem schmerzhaften Heimweh, sondern lösen ein angenehmes Gefühl aus. «Ich mag es, Peru zu vermissen. Und freue mich zugleich, dass ich hier sein darf.»
Eltern zu Besuch
Was Ana Gamero am meisten fehlt, sind ihre Liebsten. Auch wenn sie oft mit ihren Eltern und Freunden telefoniert oder «zoomt», ersetzen diese Gespräche den persönlichen Kontakt nicht. Natürlich bedauerte sie es, dass sie bei der Hochzeit ihres Cousins nicht dabei war. Und ja, es tue weh, wenn die Eltern bei jedem Besuch etwas älter geworden sind. Das sei der «Trade-off», den ihr Lebensstil mit sich bringe. Ihre Eltern versuchen, ihre Tochter regelmässig zu besuchen. «Sie waren über Weihnachten hier und liebten es», erzählt Ana. Sie sei dankbar für die Möglichkeit, in der Schweiz ihren Horizont zu erweitern. Und ihre Eltern freuen sich, dass ihre Tochter Dinge erleben darf, die vielen Landsleuten verwehrt bleiben. Dazu gehört die Erfahrung, auf der Melchsee-Frutt auf dem Kinderhügel die ersten Skiversuche zu absolvieren. «Ich bin die erste Person in meiner Familie, die Ski fährt», sagt Ana Gamero und lacht. Darauf sei nicht nur sie selber, sondern auch ihr Vater stolz.
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