David Finken befasst sich täglich mit Erweiterungen: als Doktorand zum einen mit solchen, welche die Realität virtuell erweitern. Zum anderen empfindet er in seinem Alltag die Sicht des Anderen und den Perspektivenwechsel als Bereicherung.
Zu Beginn vier Dinge, die Sie, liebe Leserinnen und Leser, über mich wissen müssen: Ich bin sehr dankbar, verdammt neugierig, schon etwas ehrgeizig und durchaus empathisch. In meinem Alltag lebe ich diese Eigenschaften und versuche mich zu erinnern, welche Privilegien wir an Universitäten geniessen: Inhalte und Perspektiven von führenden Professorinnen und Professoren vermittelt bekommen, mit Mitstudierenden Erfahrungen teilen und in einem letztlich sehr geschützten Raum experimentieren, scheitern dürfen – und das jeden Tag aufs Neue.
Ich bin David und gehöre derjenigen Generation an, die als die erste mit dem Internet gross geworden ist, die – soweit ich mich erinnere – auch noch Nokia-, Samsung- und LG-Telefone (solche ohne Touch-Displays :) ) in der Hand hatte und für die das Wort «Faxgerät» noch ein Teil des Vokabulars ist. Aufgewachsen bin ich im ländlichen Erding südöstlich von München. Dort verbrachte ich die ersten knapp 20 Jahre meines Lebens, bevor ich mich auf Reisen begab. Diese führten mich durch verschiedenste Länder und Kulturen, brachten mich in Kontakt mit gestandenen Persönlichkeiten und lehrten mich insbesondere eines: sehr dankbar zu sein.
Wissen generieren, Neugier stillen
Viele der Persönlichkeiten, die mich geprägt haben, waren und sind Unternehmerinnen und Unternehmer. Der Wert dieser Personen für unsere Gesellschaft kann nicht gross genug eingeschätzt werden: Sie nehmen teilweise enormes privates und wirtschaftliches Risiko auf sich, schaffen Arbeitsplätze und tragen dazu bei, den Wohlstand unserer Gesellschaft aufrechtzuerhalten und diese durch Innovation weiterzuentwickeln. In der Wissenschaft ist man ebenfalls Unternehmer/in – man generiert Wissen mit dem tollen Nebeneffekt, die eigene Neugierde bei verschiedensten Themen stillen zu können. Bei der Wahl der Universität war für mich entscheidend, in einer und für eine Universität zu arbeiten, bei der ich meinen unternehmerischen Spirit täglich leben kann und den Raum habe, eigene Ideen umzusetzen. Genau das habe ich hier in Luzern gefunden. Umso mehr freut es mich, dass mit der kürzlich kommunizierten Schärfung der Ausrichtung der Universität wesentliche Weichen gestellt werden, um sich als Bildungsinstitution im schweizerischen und europäischen Markt weiter zu etablieren.
In meiner Forschung untersuche ich, wie neue Technologien die Entscheidungsfindung von Menschen beeinflussen.
Als Doktorand werde ich oft gefragt, was ich eigentlich mache. Meine Antwort dazu ist oft: «Ich erweitere meine Sinne, und dies ganz gezielt.» In meiner Forschung untersuche ich, wie neue Technologien die Entscheidungsfindung von Menschen beeinflussen. Dabei lege ich den Fokus auf Erweiterung, nämlich die Erweiterung der eigenen Realität durch virtuelle Inhalte (engl. Augmented Reality). In der Schweiz haben auf diese Weise bereits mehr als 50 Prozent der Bevölkerung ihre eigene Realität erweitert. Zum Beispiel durch die Verwendung von Alltagsanwendungen (Peak Finder oder SwissTopo), auf Social Media (Snapchat-Filter) oder durch virtuelle Produktdarstellungen (virtuelle Anprobe von Kleidern oder die Darstellung von Produkten). Begeisterung und zugleich Erstaunen löste diese Form der Erweiterung während meines Besuchs in Lyon im Jahr 2016 aus: Tausende Menschen spielten Pokémon Go. Mein Erstaunen wandelte sich rasch, und ich fragte mich, inwiefern Formen der erweiterten Realität unseren Alltag zukünftig mitgestalten werden.
In den Schuhen des Gegenübers
Ein wesentlicher Teil meines universitären Alltags ist der Austausch. So tausche ich mich zum Beispiel täglich mit Studierenden und Mitarbeitenden aus. Das Gegenüber zu verstehen und gleichzeitig von der Person zu lernen, erweitert meine Sinne. Beim Erweitern kommt es für mich vor allem auf Empathie an. Der Begriff kommt vom griechischen Wort pathos. Pathos bedeutet so viel wie «Leid». Beim Austausch ist es für mich essenziell, das «Leid» des Gegenübers zu verstehen – und dies gelingt vor allem dann, wenn ich «die Schuhe des Anderen anziehe». (Exkurs: Menschen finden andere Menschen sympathisch, weil sie mit ihnen mit-«leiden» (sym-pathos) können.)
Abschliessend mein Anliegen an Sie, liebe Leserinnen und Leser: Seien Sie dankbar und neugierig. Dies – gepaart mit ein wenig Ehrgeiz und einer empathischen Haltung – ist, so meine Erfahrung, häufig ein Schlüssel zu Türen, die man glaubt, niemals öffnen zu können.
Herzlichst, David Finken