Pia Ammann träumt von einer Welt, in der alle ihr Potenzial ausschöpfen können. Als Leiterin der Fachstelle für Chancengleichheit sorgt sie dafür, dass die Universität Luzern diesem Ideal Schritt für Schritt näher kommt.
«Manchmal glauben die Leute, ich sei eine Art Polizistin», erzählt Pia Ammann lachend; als ob sie Strafzettel verteilen würde, wenn jemand nicht richtig gendert. «Natürlich gilt es, eine Sprache zu pflegen, die alle Menschen anspricht», sagt die Leiterin der Fachstelle für Chancengleichheit. Doch in erster Linie sieht sie sich als Brückenbauerin und Möglichmacherin: «Jede und jeder soll bei uns das eigene Potenzial ausschöpfen können», erklärt sie ihr Grundanliegen. Dass alle ihre Talente optimal einsetzen können, sei auch im Interesse der Universität – ob es sich nun um Studierende mit einer Behinderung oder aus finanziell schwierigen Verhältnissen handelt, Transmenschen oder Mitarbeitende, die zum ersten Mal Eltern werden.
Bevor die 43-jährige Psychologin vor bald sechs Jahren an der Universität Luzern ihre Stelle antrat, hatte sie vielfältige Berufs- und Lebenserfahrungen gesammelt. Eine wichtige Station war dabei ihre Tätigkeit für eine NGO, die Opfer von häuslicher Gewalt unterstützt, anschliessend war sie in der Entwicklungshilfe tätig. Während Ammann bei der ersten Stelle direkt mit Opfern von Gewalt arbeitete, lag der Schwerpunkt bei der zweiten Stelle in der Forschung und im Projektmanagement. Inhaltlich ging es um psychologische Hilfe für von Traumata betroffene Menschen – mit Einsätzen vor Ort, unter anderem im Südsudan. Wertvolles Wissen eignete sie sich schliesslich auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Unterstützung von Menschen mit seltenen Krankheiten an.
Liebe zu schönen Dingen
Nach der Matura hatte die Bernerin zunächst ganz andere Pläne. Sie studierte mehrere Semester Architektur in Mendrisio im Tessin, merkte dann aber, dass ihr der intensive Kontakt mit Menschen mehr liegt als das Entwerfen von Lebensräumen am Computer. «Meine Liebe zu den schönen Dingen des Lebens ist aber ungebrochen», verrät sie. «Ich schätze gutes Essen, interessiere mich für Kunst und Architektur.» Ihre Leidenschaft für Innenarchitektur lebe sie zuhause voll aus, obwohl das eine oder andere Liebhaberobjekte zuweilen unter einer Flut von Regenkleidern, Bastelarbeiten und sonstigem Kinderkram zu verschwinden drohe. Pia Ammann ist Mutter zweier Töchter; die sieben- und vierjährigen Kinder prägen ihren Alltag abseits vom Job. Ausgleich findet sie im Yoga: «Nach den einsamen Trainings während der Pandemie geniesse ich es nun sehr, zusammen mit anderen zu praktizieren.»
Daheim ist Ammann in einer Neubausiedlung am Rande von Bern. «Hier leben viele Kinder. Und Erwachsene, die den Lebensraum zusammen gestalten und beleben wollen.» Gemeinschaft, Solidarität und ein Miteinander im Alltag sind ihr wichtig. Das schätzt sie auch an ihrer Position: die vielfältigen Kontakte mit Studierenden und Mitarbeitenden aus allen Bereichen der Universität.
«In den vergangenen Jahren haben wir ein Diversitätskonzept erarbeitet, das uns als Basis dient im Umgang mit der Vielfalt der Menschen an der Uni», erläutert Pia Ammann. Es sei kein perfekter Wurf, das Ziel sei nicht gewesen, die Lösung aller Probleme auf Papier zu bannen. Im Vordergrund stand das partizipative Verfahren: «Wir wollten möglichst viele Anliegen und Meinungen abholen und einbinden.» Das Konzept sei dennoch ein ausgezeichneter Ausgangspunkt, um das Thema Diversität in den universitären Strukturen zu verankern.
Als mein Mitarbeiter und ich im gleichen Büro arbeiteten, wurde oft er für den Chef gehalten.
«Strukturen» – das ist ein Ausdruck, der immer wieder fällt, wenn Pia Ammann über Gleichstellungsfragen an der Universität spricht. «Niemand möchte hier mit Absicht oder gar bösem Willen jemanden diskriminieren», zeigt sie sich überzeugt. Aber die Macht der Gewohnheiten sorge dafür, dass unsere Wahrnehmung zuweilen verzerrt wird: «Als mein Mitarbeiter und ich im gleichen Büro arbeiteten, wurde oft er für den Chef gehalten», führt sie ein Beispiel auf. Sieht man in einem Berufungsverfahren unbewusst in den Männern eher Führungspersonen als in den Frauen, kann das Entscheidungen beeinflussen. Um solche Bias – also unbewusste Verzerrungen – zu vermeiden, gelte es, so die Fachstellenleiterin, Gegensteuer zu geben. Unverzichtbar sei dabei die Arbeit an Strukturen: Sind diese darauf geeicht, einem Bias entgegenzuwirken, sei schon viel gewonnen.
Auch Sensibilisierungsarbeit ist ein wichtiges Instrument; aktuell beschäftigt Ammann eine grossangelegte Kampagne zahlreicher Schweizer Universitäten und Hochschulen gegen sexuelle Belästigung. Lanciert wird diese erst im kommenden Jahr. Doch bereits jetzt laufen bei dem vom Bund finanzierten Kooperationsprojekt die Arbeiten an – Luzern ist das «Leading House». Gleichzeitig hält Pia Ammann eine Menge anderer Bälle in der Luft: «Das ist typisch für meinen Alltag, viele Projekte und Aufgaben laufen parallel.» Heute muss sie noch unbedingt die anstehende Sitzung der Gleichstellungskommission vorbereiten. In dem Gremium bringen Vertretungen aller Stände ihre Anliegen ein, gemeinsam werden Schwerpunkte gesetzt und neue Ideen diskutiert – damit möglichst viele Menschen ihr Potenzial an der Universität Luzern voll entfalten können.