Reto Walpen fährt fürs Studieren regelmässig mit dem Velo durch die Stadt zur Uni. Dabei sei er bisher nur fast gestorben, so die ironische Feststellung des Campus-Bloggers.
Wenn ich gefragt werde, weshalb ich wann immer möglich zu Fuss oder auf meinem abgetakelten, vollgestickerten und generell schäbigen Velo unterwegs bin, kann man das gut mit den Worten des grossen, zeitgenössischen Poeten Kollege Hartmann (nein, nicht der Luzerner Philosophieprof) zusammenfassen. Ich habe nämlich primär zwei Gründe: Weil ich lieber auf die Produktion von CO₂ verzichte und viel lieber kiloweise Kalorien vernichte.
Klimafreundlich unterwegs sein und dabei erst noch etwas für die eigene physische und psychische Gesundheit tun – was will man mehr? Man muss ja eh irgendwie von A nach B kommen. Autofahren macht in der Stadt sowieso nicht den geringsten Sinn, und in den Bus zu steigen ist vor allem zu Stosszeiten auch nicht gerade das allergeilste Erlebnis. Da ist es doch am naheliegendsten, sich mithilfe seiner rohen, menschlichen Muskelkraft fortzubewegen.
Keineswegs nur Statistik
Doch gesund ist das Radeln durch das urbane Strassenlabyrinth nur zu einem begrenzten Masse: Selbst kam ich zwar noch immer unversehrt davon, aber es geschah doch schon mehr als einmal, dass ich – natürlich nicht nur ansatzweise selbstverschuldet, hust hust – fast auf oder unter der Haube eines tonnenschweren, vierrädrigen Metallkastens lag. Eine Kommilitonin hatte da vor einigen Monaten weniger Glück. Es geht ihr zwar mittlerweile wieder gut, aber es bringt einen doch ein wenig zum Nachdenken, wenn man sieht, dass hinter Verkehrsunfällen nicht nur irgendwelche Statistiken, sondern echte menschliche Schicksale sind.
Bis aus Luzern ein Zweirad-Utopia wird, dauert es noch eine Weile.
Doch lasse ich mich davon nicht beirren. Weiter strample ich, je nach Stress- und Temperaturniveau mehr oder weniger verschwitzt, am feierabendlichen Verkehrschaos am Bahnhof vorbei, über die Seebrücke und wieder zurück oder der gemütlich fliessenden Reuss entlang. Das klappt in Luzern mit seiner Veloinfrastruktur zwar ganz okay. Aber halt eben nur ganz okay.
Rätselraten beim Abbiegen
Velowege sind in unserer Stadt meist nur rot markierte Spuren am rechten Strassenrand. Die lassen das korrekte Einspuren und Abbiegen, zum Beispiel am Bahnhofplatz hinter dem Torbogen und erst recht für Unerfahrene, zu einem ziemlichen Ratespiel verkommen. Mehr als einmal dachte ich mir: «Der Veloweg bleibt also rechts. Auf welche der drei Spuren muss ich jetzt aber, wenn ich nach links will? Und überhaupt, wie schaffe ich das?» Der Autoverkehr, der zum Feierabend täglich zur berühmten «Verkehrsüberlastung in der Innenstadt» führt und dank dem kaum ein Bus rechtzeitig kommt, vereinfacht das Ganze nämlich auch nicht wirklich. Doch gibt es Lichtblicke: Die Stadt bemüht sich, Velostrassen sowie mehr und bessere Velowege einzurichten.
Bis aus Luzern ein Zweirad-Utopia wird, dauert es allerdings noch eine Weile. So lange will und kann ich aber nicht warten, wenn ich das Studium in einer halbwegs angemessenen Anzahl an Semestern abschliessen will. Ich strample also immer weiter und fordere mein Glück auf den städtischen Hauptverkehrsadern heraus. Sollte es mich einmal erwischen, habe ich zumindest die Gewissheit, dass aus mir ein Märtyrer für die grüne Verkehrswende werden würde. Man erbaue mir ein Denkmal!
Die Erstpublikation erfolgte in «LUMOS – Luzerner Studimagazin»; Zweitabdruck mit freundlicher Genehmigung.