Teilprojekt 4: (Nur) zivilgesellschaftliche Akteure?

von Prof. Dr. Antonius Liedhegener

Dieses politikwissenschaftliche Teilprojekt von REGIE fragte nach der empirisch vorfindlichen Akteursqualität von Religionen und deren Potentiale und Wirkungen für gesellschaftliche Integration bzw. Desintegration in Europa. Erforscht wurde die Bedeutung von Religionsgemeinschaften für zwei verschiedene, zentrale Bereiche gesellschaftlicher Integration: Zum einen wurde die Beteiligung (oder auch Nicht-Beteiligung bzw. Nicht-Teilhabe) religiöser Akteure in der Zivilgesellschaft untersucht. Hierbei ging es insbesondere um Art und Umfang des bürgerschaftlichen Engagements von Religionsgemeinschaften und religiösen Organisationen sowie den internen und externen Voraussetzungen des Engagements. Zum anderen wurde die direkte Einflussnahme religiöser Akteure auf Politik und insbesondere auf konfliktive politische Entscheidungsprozesse erforscht. José Casanovas ursprüngliches Konzept der "public religion" sieht diese beiden Bereiche als getrennt an. Casanova verweist bzw. beschränkt Religion dezidiert auf den Raum der Zivilgesellschaft. Neuere empirische Studien zu Politik und Religion deuten aber darauf hin, dass diese Unterscheidung empirisch nicht aufrecht zu halten ist. Religionen und ihre Organisationen sind in je nach Land und Thema nicht nur (mehr oder weniger) Teil der Zivilgesellschaft, sondern streben mit unterschiedlicher Intensität auch danach, aktive Grössen im Prozess der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung zu seien. Wie aber hängen dann die Rolle von Religion in der Zivilgesellschaft und das politische Engagement von religiösen Akteuren zusammen? Und wie wirkt sich dieser Zusammenhang auf ihr Selbstverständnis und ihre Rolle in Zivilgesellschaft und Politik aus? Ausgehend von einer statistischen Bestandsaufnahme zur Religionszugehörigkeit in Europa wurden die skizzierten Fragenkomplexe komparativ mit qualitativen und quantitativen Methoden untersucht.

Swiss Metadatabase of Religious Affiliation in Europe (SMRE)

Im Rahmen des Teilprojekts 4 des universitären Forschungsschwerpunkts REGIE der Universität Luzern haben Prof. Dr. Antonius Liedhegener und Anastas Odermatt BA in den vergangenen drei Jahren eine Datenbank der religiösen Zugehörigkeit in Europa aufgebaut. Mit ihr wird es erstmals möglich, mehrere Quellen zur religiösen Zugehörigkeit miteinander zu vergleichen und verlässliche Aussagen zu treffen. Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Wichtigste Publikationen zum Teilprojekt

Religious Affiliation and Religious Plurality in Europe: Introducing a New Approach of Estimating Country Data Based on Metadatabase-Comparison, gemeinsam mit A. Odermatt, in: B. J. Grim (Hg.): Yearbook of International Religious Demography 2017. Leiden – Boston 2017, S. 134-145

Ein kleiner, aber feiner Unterschied. Religion, zivilgesellschaftliches Engagement und soziale Integration in der Schweiz, in: E. Arens, M. Baumann, A. Liedhegener (Hg.): Integrationspotenziale von Religion und Zivilgesellschaft. Theoretische und empirische Befunde. Zürich / Baden-Baden 2016, S. 121-181

"Linksaußen", politische Mitte oder doch ganz anders? Die Positionierung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im parteipolitischen Spektrum der postsäkularen Gesellschaft, gemeinsam mit Daniel Thieme, in: Politische Vierteljahresschrift 56(2015) H.2, S. 240-277

Religion in Zivilgesellschaft, Öffentlichkeit und Politik in demokratischen politischen Systemen. Sechs Fallbeispiele und ein heuristisches Modell der empirischen politischen Theorie, unter Mitarbeit von Martin Breul, in: J. Könemann, S. Wendel (Hg.): Religion, Öffentlichkeit, Moderne. Transdisziplinäre Perspektiven. Bielefeld 2016, 93-127

Religion, Bürgergesellschaft und Pluralismus. Gesellschaftliche und politische Integration aus der Perspektive demokratischer politischer Systeme, in: W. Müller, M. Baumann, A. Liedhegener, M. Ries, E. Arens (Hg.): Integration durch Religion? Geschichtliche Befunde, gesellschaftliche Analysen, rechtliche Perspektiven (=Religion - Wirtschaft - Politik, Bd.10) Zürich / Baden-Baden 2014, S. 63-84