Schriftstellerin Silja Walter

Silja Walter als Schwester Maria Hedwig
Die Benediktinerinnengemeinschaft im Kloster Fahr, Silja Walter: 2. Reihe v.o., 3. v.l.

Das neue Forschungsprojekt "Silja Walter - eine Schriftstellerin und ihr Weckruf in Kirche und Gesellschaft" beleuchtet das kirchenpolitische Engagement der Schriftstellerin.

Für ihre literarische Karriere wurde Silja Walter (1919–2011) bereits mehrfach ausgezeichnet. Dass sie als Schwester Maria Hedwig unter anderem an der Neupositionierung «ihres» Klosters, dem Frauenkonvent Fahr, gegenüber der Abtei Einsiedeln engagiert mitwirkte, rückt nun ein vor Kurzem gestartetes kirchenhistorisches Projekt in den Fokus.

Beginn des Projekts war ein besonderer Fund im Kloster Einsiedeln, eine Kiste mit einem unveröffentlichten Nachlass der Schriftstellerin, dem sich die Priorin des Klosters Fahr, Irene Gassmann annahm. Der Nachlass besteht aus etwa 25 Tagebücher, in denen Silja Walter ihre Überlegungen festhielt und als "Etüden" bezeichnete Mappen zusammenfasste. Diese Dokumente werden nun im neuen Projekt von Dr. Esther Vorburger-Bossart untersucht und setzt die Reihe der Forschungsprojekte zur Frauen- und Geschlechtergeschichte innerhalb der Katholizismusforschung fort.

Die aktuelle Studie ist auf vier Jahre angelegt und wird vom Benediktinerinnenkloster Fahr, dem Swisslos-Fonds des Kantons Aargau und durch zwei Stiftungen mit Mitteln in der Höhe von total rund 310‘000 Franken gefördert.

 

Zeitdokumente des Gesellschaftlichen Umbruchs

Die als "Etüden" zusammengefassten Tagebücher.
Die kunstvollen Einbände der Etüden, gestaltet von Silja Walter.

Silja Walter, die zunächst das Lehrerinnenseminar in Menzingen besuchte und nach einer Tuberkuloseerkrankung in Fribourg Literaturwissenschaften studierte, engagierte sich schon früh auch in katholischen Organisationen wie dem Mädchenverein Blauring. Für diesen schrieb sie ihre ersten kirchlichen Spiele. 1948 trat sie als Schwester Maria Hedwig ins Benediktinerinnenkloster Fahr ein. In den darauffolgenden Jahrzehnten verfasste sie zahlreiche Theaterstücke, Gedichte und Erzählungen, für die sie grosse Anerkennung erfuhr.

Was nun aber in ihren «Etüden» auftaucht, sind ganz andere Texte. So hat sich Walter in ihnen zum Beispiel eingehend zum Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962–1965 geäussert. Entstanden in einem Jahrzehnt des gesellschaftlichen Umbruchs, geben sie als Zeitdokumente einen Einblick in die Themen, die insbesondere Frauen in der katholischen Kirche beschäftigten. Einen grossen weiteren Teil der Schriftstücke macht Silja Walters Briefwechsel mit Abt Raymund Tschudi von Einsiedeln aus. Bei ihm und seinen Nachfolgern setzte sie sich mit einigem Erfolg für eine grössere Unabhängigkeit des Klosters Fahr von der Abtei Einsiedeln ein.

Wandel der Geschlechterverhältnisse und -verständnisse

Die über Jahrzehnte erwirkte administrative und operative Loslösung des Frauenklosters ist ein Prozess, den Silja Walter mit ihrem Engagement stark geprägt hat. Dafür brach sie ein Rollenverständnis der Frau in der katholischen Kirche auf und stellte deren Geschlechterverständnis überhaupt zur Diskussion, bis anfangs des 21. Jahrhunderts auch die Stelle des von Einsiedeln entsandten Propstes, der im Kloster Fahr über allen stand, abgeschafft wurde.

Der geschlechtergeschichtliche Zugang, den Ries und Vorburger-Bossart neben anderen für dieses Forschungsprojekt gewählt haben, verspricht deshalb nicht nur neue Erkenntnisse über Silja Walter als Akteurin in diesem Prozess, sondern auch ein tieferes Verständnis dieser sich wandelnden Geschlechterverhältnisse. Hierfür nehmen die beiden Forschenden mit dem gender- und subjektgeschichtlichen Ansatz – immer auch mit der schweizerischen Kirchengeschichtsschreibung im Hinterkopf – die Korrespondenznetzwerke der Hauptakteurinnen und -akteure ins Blickfeld: Wer stand wann mit wem in brieflichem Kontakt? Wovon handeln die Briefe und wie verändern sich die darin zu findenden Themen und Vorstellungen? Durch die so mittels qualitativer Inhaltsanalyse erhobenen Daten kann das Team den Wandel von Geschlechterverständnissen der beteiligten Personen und ihrer Institutionen nachzeichnen und in Beziehung zu den Veränderungen in der Klosterorganisation setzen.

Aktuelle Meldungen zum Projekt

Am Mittwoch, 08.05.2024 fand die erste Medienkonferrenz zum Projekt statt, bei der Abt Urban Federer und Pater Martin Werlen vom Kloster Einsiedeln, Priorin Irene Gassmann vom Kloster Fahr, Dr. Esther Vorburger und Prof. Dr. Markus Ries von der Universität Luzern über erste Schritte aus dem Projekt informierten.

Es berichteten unter anderem die Aargauer Zeitung, die Limmattaler Zeitung, sowie der Einsiedler Anzeiger.

Zudem gibt es einen Beitrag des SRF Regionaljournal Aargau-Solothurn vom 10.05.2024 (nachzuhören über die Meldung von kath.ch).