Religiöse Frauengemeinschaften der Ostschweiz im 20. Jahrhundert
SNF-Projekt seit 1.4. 2011, bearbeitet von lic. phil. Regula Schär und Dr. phil. Esther Vorburger
Das vorliegende Forschungsvorhaben beleuchtet die gesellschaftliche Bedeutung religiöser Frauengemeinschaften in der Ostschweiz und setzt das soziale Engagement in Beziehung zur Untersuchung weiblicher Identitäten. Es geht darum, die Nachhaltigkeit der Arbeit religiöser Frauen aus überregionaler und überkonfessioneller Sicht für das 20. Jahrhundert aufzuarbeiten. Mit einer Dokumentation soll eine Grundlage geschaffen werden, um die bisher primär als binnenkirchliches Phänomen behandelte religiöse Frauengeschichte in einen größeren Zu-sammenhang zu stellen. Historischer Hintergrund ist die Aufgabenteilung zwischen Staat und Kirche im 19. Jahrhundert, die das Konzept kirchlich-sozialer Institutionen bis weit ins 20. Jahrhundert prägte. Im bürgerlichen Zeitalter galt ökonomische und politische Entwicklung als öffentliche Aufgabe, während die Bewältigung sozialer Nöte zunächst privater und kirchlicher Sorge überlassen blieb. In der katholischen Kirche nahmen sich dieser Aufgabe die neu entstehenden Frauenkongregationen an, welche ihre Gründung in mehreren Fällen der Initiative Angehöriger männlicher Reformorden verdankten. Ähnlich verhielt es sich auf reformierter Seite: Hier wurden weibliche Diakoniewerke geschaffen, angestossen von Männern, die in ihrer Ausrichtung politisch wie theologisch konservativen Richtungen zugehörten. In der kirchlichen Bewältigung sozialer Herausforderung erhielten Frauen auf diese Weise eine primäre Rolle. Auf beiden konfessionellen Seiten gab es ähnliche ideelle Voraussetzungen zur Organisation religiöser Frauengemeinschaften. Dabei war ein religiös-karitatives Verständnis leitend, welches den Dienst an den Nächsten als Weg zum persönlichen Heil verstand.
Das Projekt "Religiöse Frauengemeinschaften der Ostschweiz im 20. Jahrhundert" verbindet regionalgeschichtliche Forschung mit nationaler und internationaler Vernetzung. Gegenstand sind zwei thematisch und methodisch verbundene Forschungsprojekte, in denen die frauen- und konfessionshistorischen Prozesse katholischer und evangelischer Schwesterngemeinschaften mit einem kulturgeschichtlichen Methodenansatz untersucht werden: Esther Vorburger-Bossart untersucht in ihrem Teilprojekt "Ordensschwestern der Ostschweiz im 20. Jahrhundert" Identitäten, Kommunikationssystem und Vernetzung katholischer Schwesterngemeinschaften; Regula Schär beleuchtet im Teilprojekt "Diakonissen der Ostschweiz im 20. Jahrhundert" die gleichen Fragen mit den selben Untersuchungskoordinaten für die evangelischen Schwesterngemeinschaften. Die beiden Studien sollen die Auswirkungen der sozialen Betätigung von Frauengemeinschaften auf die Gesellschaft darstellen und die Frömmigkeit sowie den Alltag innerhalb dieser Gruppen beleuchten. Ein Augenmerk soll dabei auch den einzelnen Schwestern und Diakonissen gelten (Subjektforschung), und es soll die Konstrukti-on kollektiver Identität einbezogen werden. Darüber hinaus werden die beiden Teilprojekte aus der gewählten kultur- und frauenhistorischen Perspektive einen Beitrag zur Erhellung der sozialen Abläufe und Vernetzungen in den kantonalen Staatsbildungsprozessen leisten. In einer gemeinsamen Publikation werden die Ergebnisse für beide konfessionellen Bewegungen dargestellt.