Profil
Judaistik: Die Wissenschaft vom Judentum
Judaistik: Interdisziplinär und vielseitig
Judaistik hat zu fast jedem universitären Fach einen Bezug. Eine enge Verknüpfung besteht mit anderen geisteswissenschaftlichen, ferner mit theologischen und rechtswissenschaftlichen Disziplinen. Judaistik lässt sich deshalb mit allen geisteswissenschaftlichen Fächern wie beispielsweise Geschichte, Religionswissenschaft, Philosophie, Soziologie oder Literatur- und Kulturwissenschaften sowie mit Theologie oder Jurisprudenz kombinieren.
Judaistik: Zwischen Tradition und Innovation
Als universitäre Disziplin ist die Judaistik jung. Im 19. Jahrhundert entstand im Gefolge der Emanzipation der Juden in jüdischen Kreisen eine "Wissenschaft des Judentums". Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Fach Judaistik an europäischen und amerikanischen Universitäten als eigenständiges Fach entwickelt.
Luzern war die erste Hochschule in der Schweiz, die Judaistik 1971 als universitäres Fach eingeführt hat. 1981 wurde das Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF) gegründet. Gründer sowie Leiter des Institutes während 19 Jahren war Prof. em. Dr. Clemens Thoma. Am 1. Oktober 2001 hat Prof. Dr. Verena Lenzen die Professur für Judaistik und Theologie / Christlich-Jüdisches Gespräch sowie die Leitung des IJCF übernommen.
Neben dem IJCF besteht in Basel seit Herbst 1999 ein Institut für jüdische Studien (Basel), seit 2005 an der Universität Bern eine Interfakultäre Forschungsstelle für Judaistik, heute Institut für Judaistik (Bern) genannt, und seit 2006 an der Universität Lausanne eine ordentliche Professur für die Geschichte der Juden und des Judentums (Lausanne).
Die Schwerpunkte in Forschung und Lehre im Luzerner Institut für Jüdisch-Christliche Forschung bilden neben den grundlegenden Einführungen in die Kultur, Religion, Liturgie und Geschichte des Judentums folgende Themenbereiche:
Jüdische Ethik
Was beinhaltet jüdisches Ethos von der biblischen Zeit bis hin zur Moderne? Anhand von Quellen aus verschiedenen Epochen werden grundlegende Fragen der jüdischen Ethik und aktuelle Diskussionen der interreligiösen Ethik, der feministischen Ethik und Themen der Medizinethik vom Lebensanfang bis zum Lebensende behandelt.
Jüdisch-christlicher Dialog
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Religionen werden aus judaistischer, theologischer, ethischer und kulturwissenschaftlicher Sicht erörtert. Als umfassendes historisches Phänomen ist das jüdisch-christliche Gespräch ein Ereignis der Neuzeit. Der lange Weg zu einer Begegnung von Judentum und Christentum wird in einer Geschichte des Dialogs beschrieben. Die Bereitschaft zur jüdisch-christlichen Verständigung bezeichnete der israelische Schriftsteller Yoram Kaniuk als das wichtigste Ereignis des 20. Jahrhunderts.
Moderne jüdische Geschichte und Kulturgeschichte
Neben Einführungen in die jüdische Literatur- und Zeitgeschichte verschiedener Epochen bildet die moderne Geschichte des Judentums einen Forschungsschwerpunkt. Sie ist gekennzeichnet durch die Auflösung traditioneller jüdischer Lebenswelten, wie sie seit dem Ausgang der Antike bis in die frühe Neuzeit kontinuierlich bestanden haben. Diese Prozesse nachzuzeichnen ist ebenso Aufgabe der jüdischen Geschichte und Kulturgeschichte wie die Auswirkungen von Schoa und der Gründung des Staates Israel nach dem Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen. Jüdische Geschichte und Kulturgeschichte ist dabei einerseits aus ihren eigenen Deutungsmustern heraus zu verstehen und andererseits in Bezug zu setzen zur allgemeinen Geschichte.
Jüdisches Recht – Halacha
"Das jüdische Gesetz", schrieb Abraham J. Heschel, "ist in gewissem Sinn eine ´Wissenschaft des Handelns´." Das Leben von praktizierenden Jüdinnen und Juden richtet sich nach der Halacha. Nicht nur die Bedeutung des jüdischen Religionsgesetzes im Leben der Juden und seine historische Entwicklung, sondern auch Stellungnahmen der Halacha zu aktuellen Fragen sowie ihre Bedeutung im modernen Staat Israel werden thematisiert.
Judentum und Islam
Jahrhundertelang lebte der grössere und produktivere Teil der Juden unter islamischer Herrschaft. Der moderne Staat Israel ist von Staaten umgeben, deren Bevölkerung mehrheitlich muslimisch ist. Im Zentrum stehen Fragen nach der gegenseitigen Wahrnehmung von Juden und Muslimen in Vergangenheit und Gegenwart sowie nach den Lebensbedingungen und der Geistesgeschichte der Juden und Jüdinnen in der islamischen Welt.
Das Studium der Judaistik qualifiziert für eine Vielzahl beruflicher Tätigkeiten. Judaistinnen und Judaisten sind häufig in öffentlichen und privaten Institutionen im Bereich Kultur tätig, etwa in der Erwachsenenbildung und Journalistik, in Verlagen, Bibliotheken, Archiven, Museen oder bei Medien.
Das IJCF bietet Modernhebräischkurse auf zwei Niveaus an (Modernhebräisch I und II). Es handelt sich um Jahreskurse. Sie umfassen zwei Semesterwochenstunden und beginnen jeweils im Herbstsemester. Dabei werden die Grundlagen der modernhebräischen Sprache vermittelt. Modernhebräisch III wird in der Regel über einen intensiv Ulpan (Sprachkurs in Israel) vermittelt. Er beinhaltet in auf Hebräisch geführte Gespräche und Diskussionen über kurze zeitgenössische modernhebräische Texte (Zeitung, Lyrik usw.), eine Auseinandersetzung mit der israelischen Gegenwart, Geschichte, Literatur und Kultur.
Das IJCF arbeitet im Bereich des Hebräischunterrichts eng mit der Rothberg International School der Hebräischen Universität Jerusalem zusammen. Es werden dieselben Lehrmittel und Methoden verwendet. Die Prüfungen am IJCF messen sich am Standard derjenigen der Hebräischen Universität. Dadurch soll der Eintritt von Studierenden des IJCF in die Sprachkurse der Hebräischen Universität erleichtert werden.