Albanische Moschee Grenchen
Moschee Ebu Hanife
Albanisch-Islamische Glaubensgemeinschaft
Maienstrasse 8
2540 Grenchen
Gebäudetyp: | Moschee |
Grundfläche des Gebäudes: | 456 m2 |
Fläche des Grundstücks: | 2744 m2 |
Gebäudehöhe: | 8 m (11 m mit Kuppel) |
Kosten: | 2.65 Mio. Fr. |
Einsprachen: | Ja |
Bauherrschaft: | Albanisch-Islamische Glaubensgemeinschaft (AIG) |
Architekten: | Gzim Rifati (Planung) Nadir Polat (erste Bauphase) Kurt Bögli (zweite Bauphase und Abschluss) |
Spatenstich: | 11. April 2016 |
Bauzeit: | 3 Jahre |
Einweihung: | 28. April 2019 |
Religiöse Tradition: | sunnitischer Islam |
Erste Idee bis Einweihung: | 11 Jahre |
Wer mit dem Intercity von Zürich nach Biel fährt, sieht kurz vor dem Halt am Bahnhof Grenchen-Süd rechts an den Geleisen ein Gebäude mit mehreren Kuppeln. Zu Fuss sind es rund 700 Meter von der Moschee bis zum Bahnhof, rund 900 Meter bis zum Stadtkern. Wie an den meisten Orten, so findet sich auch die Grenchner Moschee im Gewerbegebiet. Man findet sie an der Maienstrasse, eingebettet zwischen der Bahnlinie, einer Taxizentrale und dem Einkaufsladen Otto’s. Schräg gegenüber ist eine international tätige Firma für Präzisionswerkzeuge und nördlich, gegenüber einem offenen Feld, ein deutscher Discounter.
Von den Gewerbebauten mit nüchterner und funktionaler Bauweise und Umgebungsgestaltung hebt sich die Moschee ab, vor allem durch die vier aus Gipsplatten gefertigten Kuppeln, von denen diejenige im Südosten, Richtung Mekka, etwas grösser ist. Jede der Kuppeln trägt eine kurze Stange mit Sichelmond. Verbundsteine fügen sich zu Fusswegen und Parkplätzen, umrahmt und abgegrenzt von Blumenreihen. Eine Steinwand gegen die Bahngeleise dient primär als Sicht-, sekundär auch als Schallschutz. Alles ist akkurat gebaut und angelegt.
Der Haupteingang auf der Nordseite des Gebäudes ist über das Trottoir der Maienstrasse erschlossen. Frauen nehmen den Eingang auf der Westseite. Beide Eingangstüren sind identisch und handgeschnitzt; sie tragen florale Verzierungen sowie in arabischer Schrift die Wörter «Gott» und «Muhammad».
2008 begann der Verein Albanisch-Islamische Glaubensgemeinschaft (AIG) mit der Suche nach einem geeigneten Grundstück für den Bau einer Moschee. Der bis dahin als Gebetsraum genutzte Keller in einem Gewerbehaus ganz in der Nähe war oft zu klein und die vorhandene Infrastruktur eignete sich mehr schlecht als recht für das Gebet und die Pflege der Gemeinschaft. 2009 kaufte der Verein das Grundstück an der Maienstrasse.
Bei der Baueingabe liess sich der Verein von der städtischen Bauverwaltung beraten. Am Projektentwurf zum Gebäude konnte im Wesentlichen festgehalten werden. Vor allem hinsichtlich der Umgebungsgestaltung, der Begrünung und den Anzahl Parkplätzen orientierte man sich an den Empfehlungen und Vorschriften der städtischen Behörde. Gestützt auf das eingereichte Baugesuch erhoben fünf Parteien Einsprache, von denen jedoch nur vier zur Einsprache legitimiert waren. Die Baubewilligung wurde schliesslich im Mai 2011 erteilt. Im Mai 2013 lief sie ungenutzt ab, da der Verein eine Auflage zur Vorlegung eines Finanzierungsnachweises zunächst nicht hatte erfüllen können. Ein zweites Baubewilligungsverfahren wurde nötig. Nachdem die Baubewilligung erteilt wurde, fand der Spatenstich am 11. April 2016 statt – nur gerade vier Tage vor dem erneuten Ablauf der Bewilligung.
Nur dank den Eigenleistungen zahlreicher Vereinsmitglieder liess sich der Bau mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln in diesem Rahmen realisieren. Doch auch aus Sicht der Gemeinschaft war es erwünscht, dass möglichst viele mit anpackten: Keine einzelne Person und kein Unternehmen sollte den Bau für sich alleine beanspruchen können. Die Koordination der Arbeiten war entsprechend anspruchsvoll und die Bauzeit zog sich in die Länge.
Am 28. April 2019 wurde die Moschee mit rund tausend geladenen und zweieinhalbtausend weiteren Gästen eingeweiht, zum grossen Stolz des Vereinsvorstands und der vereinsinternen Baukommission. Das Ergebnis ist unverwechselbar: Im Innern zieren Koranverse in albanischer, deutscher, französischer und italienischer Sprache die Wände des Gebetsraums. Dies ist nicht das einzige lokale Element: Zur Uhrenstadt Grenchen passend, wurden Uhren aus Grenchner Produktion verwendet. Das vorgesehene Alpenpanorama in den Kuppeln liess sich wegen der Krümmung der gestaltbaren Fläche indes nicht realisieren. Der Name der Moschee, «Ebu Hanife», bezieht sich auf den Begründer derjenigen islamischen Rechtsschule, die im Herkunftsgebiet der Albaner auf dem Westbalkan dominiert.
Bashkim Xhemaili, stand dem Verein der albanisch-islamischen Glaubensgemeinschaft als Präsident bis zum Ende des Eröffnungsjahres 2019 vor: «Keiner von uns war ein Designer. Wir haben ein Konzept gemacht und es ist aufgegangen. Es hat alles zusammengepasst. Ich bin auf das Ganze stolz.»
Nezdet Hamidi: «Früher hatten wir unseren Gebetsraum in einem Industriekeller. Wir waren nicht bekannt, wir waren irgendwo und nirgendwo. Heute sind wir sichtbar. Die Leute sehen uns. Das ist positiv.»
Fuat Bajrami, Sprecher und Vorstandsmitglied des Moscheevereins: «Wir wollten eine Moschee bauen, die modern, albanisch und schweizerisch ist. Am Schluss hat alles super funktioniert. Das zu verschmelzen, ist uns gut gelungen.»
Nachdem der Moscheeverein das Grundstück gekauft hatte und die Pläne für den Bau einer Moschee publiziert waren, wandte sich der vorherige Landbesitzer, ein Lokalpolitiker, an die Medien und erklärte, er sei in Bezug auf die Absichten der Käuferschaft getäuscht worden. In der Folge klagte er erfolglos gegen den Verein. Organisierten öffentlichen oder politischen Widerstand aus der Gemeinde oder der Umgebung gab es vor und während der Bauphase nicht, einzelne Vorfälle hingegen schon: Vor dem Spatenstich vergruben Unbekannte Anfang November 2011 Schweineköpfe und verteilten Schweineblut auf dem Grundstück. Dieser Vorfall blieb ebenso unaufgeklärt wie andere, als etwa Unbekannte eine Dose Schweineblut in den Rohbau hineinwarfen. Der Verein liess sich von solchen Aktionen nicht beeindrucken. «Wir wollten niemandem etwas Schlechtes; wir wollten einfach eine Moschee bauen, mit eigenen Mitteln, ohne fremde Hilfe, ohne Hilfe vom Staat und ohne jemanden zu stören», stellt Bashkim Xhemaili dazu fest.
Das Verhältnis zu den Nachbarn entwickelte sich während der Bauzeit positiv. Die anfängliche Skepsis gegenüber dem neuen Nachbarn ist heute verschwunden, das Einvernehmen sehr gut und freundschaftlich. Der Verein freut sich aber auch über das Interesse und die positiven Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Bashkim Xhemaili: «Viele Leute sehen die Moschee, halten an und fragen, ob sie einmal hineingehen dürfen. Und dann sind sie überrascht, wie schön und angenehm es dort ist. Wir haben viele positive Begegnungen erleben dürfen.»
«Islam» bedeutet «Hingabe (an Gott)». Muslim ist derjenige, der sich Gott hingibt. Der Islam betont denn auch stark die Einheit, Einzigkeit und Allmacht Gottes. Er stellt sich in die jüdisch-christliche Offenbarungstradition mit Abraham als Urbild des Gläubigen und zählt so zu den «monotheistisch-abrahamitischen Religionen». Entstanden ist der Islam im 7. Jahrhundert n. Chr. auf der Arabischen Halbinsel. Der Mekkaner Muhammad (ca. 570 - 632 n. Chr.) erlebte seit etwa dem Jahr 610 bis zu seinem Tod Offenbarungen, die von seiner Anhängerschaft memoriert und um das Jahr 650 n. Chr., rund zwanzig Jahre nach Muhammads Tod, als fester Textbestand im Koran (wörtlich: Lesung) gesammelt wurden. In der Sicht des Korans ist Muhammad nur einer, der letzte, in der Reihe der Gottesgesandten seit Adam, als Überbringer der letztgültigen Offenbarung ist er «das Siegel der Propheten». In seiner Heimatstadt Mekka erlebte Muhammad anfangs so starke Anfeindung, dass er mit seinen Anhängern nach Medina auswanderte, wo er als Vermittler zwischen verfeindeten Stämmen willkommen war und in der Folge ein religiös geprägtes Gemeinwesen aufbauen konnte.
Nach Muhammads Tod wurden die sorgsam gesammelten Berichte (Hadithe) über seine Handlungen und Aussprüche neben dem Koran zum zweiten Orientierungspunkt für die junge Gemeinschaft. Sie umschreiben das vorbildhafte Verhalten des Propheten, die Sunna. Nach ihr benennen sich die Sunniten, die rund 90 Prozent der Muslime ausmachen. Die übrigen sind grösstenteils Schiiten, die sich in den Jahrzehnten nach Muhammads Tod wegen Fragen der Nachfolge in der Leitung der Gemeinde hinter Muhammads Cousin und Schwiegersohn Ali sammelten und auch später untereinander weiter spalteten.
Die fünf Grundpflichten des erwachsenen Muslims und der Muslimin sind die Schahada, das Glaubensbekenntnis («Es gibt keine Gottheit ausser Gott, und Muhammad ist der Gesandte Gottes»), weiter fünfmal täglich zu bestimmten Zeiten das Gebet (Salat) Richtung Mekka, die Sozialabgabe (Zakat), das Fasten im Monat Ramadan zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang sowie – einmal im Leben –die Pilgerfahrt nach Mekka (Hadsch).
In der Schweiz leben rund 500'000 Muslime, unter ihnen rund 30'000 Schiiten. Etwas über die Hälfte der Muslime in der Schweiz stammen aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien, knapp ein Fünftel aus der Türkei; mehr als ein Drittel der muslimischen Bevölkerung besitzt die Schweizer Staatsbürgerschaft. Zu erwähnen sind auch die schätzungsweise rund 35'000 Aleviten, meist türkischstämmige Anhänger einer religiösen Tradition mit schiitischen aber auch nicht-islamischen Elementen; sie sind eigenständig organisiert und betrachten sich selber oft nicht als Muslime.
Die Moschee Ebu Hanife geht in der Ausschmückung der Gebetsräume noch einen Schritt weiter als die meisten übrigen Moscheen hierzulande. Die religiösen Formeln und Koranverse sind hier in besonders vielen unterschiedlichen arabischen Schriftstilen anzutreffen und darüber hinaus sogar in Übersetzung in mehrere Sprachen. Die Gebete selber werden wie üblich in den arabischen Formeln verrichtet, die die meisten Musliminnen und Muslime als Kinder in der Koranschule auswendig lernen.