Profil
Die Vielfalt und Gemeinsamkeiten menschlicher Kulturen und Gesellschaften stehen im Mittelpunkt der Ethnologie. Ethnolog*innen untersuchen die Lebensweisen lokaler Gemeinschaften sowie regionale, nationale und globale Verflechtungen, in welche diese eingebunden sind. So erforschen Ethnolog*innen globale Prozesse wie Migration, Gesundheitsprojekte oder Digitalisierungsinitiativen mit besonderem Blick auf deren Aushandlung in lokalen Kontexten. Ziel ist es, diese zu beschreiben, zu verstehen und spezifische Aspekte zu erklären.
Offenheit für Interdisziplinarität und internationale Kooperationen sind wichtige Bestandteile unserer Forschung und Lehre. Wir betrachten die Kultur- und Sozialwissenschaften – aus unterschiedlichen Forschungstraditionen zusammenwachsend – als ein gemeinschaftliches, transnationales Projekt. Wir suchen nach neuen Wegen der Zusammenarbeit, insbesondere mit Institutionen und Personen in den Regionen, in denen wir forschen (siehe Kooperationen).
Ethnologie trägt viel zu gegenwärtigen Debatten über kulturelle Vielfalt und die Relativität von Werten bei. Sie fördert kritisches Denken sowie Sensibilität gegenüber unterschiedlichen Lebensweisen und Perspektiven – Schlüsselkompetenzen zur gesellschaftlichen Teilhabe in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts. Unser Team hat sich deshalb auch der öffentlichen Vermittlung ethnologischer Perspektiven und ihrer gesellschaftlichen Relevanz verschrieben.
Neben theoretischen, methodischen und regionalen Lehrveranstaltungen bietet das Ethnologische Seminar Lehrveranstaltungen zu folgenden Schwerpunkten an: 1) Politik und Wirtschaft, 2) Medizin und Technologie, 3) Soziale Nahbeziehungen. Veranstaltungen und Vorträge von Gastwissenschaftler*innen ergänzen das Lehrprogramm. Unser Unterrichtskonzept betont die enge Verbindung von Forschung und Lehre: Wir verwenden Probleme und Ergebnisse aus laufenden Forschungsprojekten als Beispiele in der Lehre und ermutigen Studierende, eigene Projekte zu entwickeln und an Feldforschungsexkursionen teilzunehmen.
1. Politik und Wirtschaft
Im Mittelpunkt der Politik- und Wirtschaftsethnologie stehen zum Einen die politische und wirtschaftliche Organisation unterschiedlichster Gesellschaften. Zum Anderen beschreiben Ethnolog*innen wie lokale Kontexte von nationalen sowie globalen politischen und wirtschaftlichen Dynamiken beeinflusst werden. Weiterhin untersuchen Ethnolog*innen zunehmend diese Prozesse selbst und nehmen zum Beispiel den Nationalstaat, Bürokratien oder kapitalintensive Großprojekte unter die Lupe. Am Seminar erforschen wir zum Beispiel die Folgen von Ressourcen-Nutzung durch Plantagenwirtschaft und Bergbau in verschiedenen Gebieten der Welt. Wir fragen aber auch: Wie wird eine staatliche Krankenversicherung in Indien für ärmere Bevölkerungsschichten geplant und umgesetzt? Oder auf welche Art und Weise setzten sich ökonomische Logiken in der Gesundheitsversorgung durch und restrukturieren diese?
2. Medizin und Technologie
Medizin und Technologie aus ethnologischer Perspektive zu beleuchten bedeutet, diese (oft als „objektiv“ oder „natürlich“ erfahrenen) Phänomene als Untersuchungsobjekte zu betrachten und zum Gegenstand sozialwissenschaftlicher Analysen zu machen. Dies geschieht im engen interdisziplinären Austausch, zum Beispiel mit den science and technology studies oder der Wissen(schaft)sgeschichte. Auf welche Art und Weise sind Medizin und Technologie im täglichen Leben präsent? Wie werden sie in spezifischen Kontexten hergestellt, wahrgenommen, genutzt und evtl. umgedeutet? Inwiefern werden diese Erfahrungen durch historische, politische und ökonomische Einflüsse geprägt, und in welchem Zusammenhang stehen sie mit sozialen Ungleichheiten? In unseren Forschungen arbeiten wir über Ideale einer universalen Gesundheitsversorgung, Gesundheitspolitik, Biotechnologien und Digitalisierung vorwiegend in Südasien und Ostafrika. Ein weiterer Fokus liegt auf globalen Vernetzungen und Asymmetrien, insbesondere in Form von Süd-Süd Beziehungen.
3. Soziale Nahbeziehungen
Seit Beginn der Ethnologie als wissenschaftlicher Disziplin besteht ein großes Interesse an der Organisation der Beziehungen, die sowohl für das alltägliche Leben als auch für die Reproduktion des kollektiven Lebens zentral sind: Familie, Haushalte, die erweiterte Verwandtschaft sowie das Zusammenleben in Siedlungen oder Nachbarschaften. Diese Nahbeziehungen sind Grundlage der weiteren sozialen Organisation, etwa des wirtschaftlichen und politischen Lebens. Gleichzeitig reagieren Nahbeziehungen auf historische Transformationen. Wenn sie sich wandeln, verändern sich auch andere Bereiche des sozialen Lebens. Heute fragen wir uns zum Beispiel: Wie verändert internationale Migration soziale Nahbeziehungen? Oder was geschieht mit familiären Beziehungen, wenn neue Reproduktionstechnologien die Möglichkeiten Kinder zu bekommen verändern?