Modeling, Measuring, and Designing Economic Growth. The Neoclassical Growth Model as a Historical Artifact, 1930s-1960s
Dissertationsprojekt Verena Halsmayer
Mein Dissertationsprojekt befasste sich mit Episoden aus der Geschichte eines der paradigmatischen Modelle ökonomischen Denkens, dem neoklassischen Wachstumsmodell. Im Zentrum standen dabei die Zutaten, Konstruktionspraktiken und die Zirkulation des Modells zwischen den 1930er und 1960er Jahren. Konkrete Forschungsobjekte (neu geschaffene Messungen „der wachsenden Ökonomie“, verbale Ausführungen zu kapitalistischer In/Stabilität, neu entwickelte Planungstechnologien der Input-Output-Analyse und linearen Optimierung) sowie zeitgenössische Hoffnungen auf die Steuerbarkeit von ökonomischem Wachstum wurden in einem einfachen, transparenten und manipulierbaren Modell gefasst. Dieses Modell erwies sich als weit mehr als lediglich ein Beitrag zur ökonomischen Theorie: es wurde zum produktiven Experimentationsobjekt, zum praktikablen Denkwerkzeug, zum Messinstrument (etwa im Rahmen der OECD) und zum Design für Wachstumsprognosen im Rahmen nationalstaatlichen Wachstumsmanagements. Sein Erfolg ergab sich dabei nicht aus einer besonderen Repräsentationskraft oder seiner empirischen Überprüfbarkeit. Neu war vielmehr die einfache und flexible Form des Modells, die ökonomisches Wachstum in neuer Weise handhabbar machte. In der Folge sollte es die Grundstruktur ökonomischen Denkens über Wachstum bilden – auf Kosten all jener Formen sozialwissenschaftlicher Wissensproduktion, die sich der Modellierung entzogen. Abgesehen von seinen praktischen Funktionen verkörperte das neoklassische Wachstumsmodell die pragmatisch-utopische Vision einer möglichen zukünftigen Welt stabilen Wachstums, die durch Keynesianisches Nachfragemanagement und Innovationspolitik in Zusammenarbeit mit den Märkten geschaffen werden konnte. Ein Eigenleben entwickelnd, behielt das Modell zwar seine grundlegende Form, änderte jedoch seine Bedeutung. In den 1950er und 1960er Jahren ein Zukunftsentwurf der „mixed economy“, wurde es in den folgenden Jahrzehnten zum Symbol neoliberaler Entwicklungspolitik und der Omnipotenz der Märkte.