Interdisziplinärer Workshop: Konstruktion oder Reifizierung der Gegenstände?

Empirische Diskursforschung zwischen Dekonstruktion und Performativität

Datum: 9. Januar 2015 bis 10. Januar 2015
Ort: Soziologisches Seminar, Universität Luzern

 Eine der zentralen Fragen an jede empirische Forschung – und diejenige, die am ehesten geeignet ist, Projekte ins Stolpern zu bringen – richtet sich auf den Status und die Konstruktion der Forschungsgegenstände. Sind diese „objektiv gegeben“ oder sozial und diskursiv konstruiert? Werden sie erst durch den Forschungsprozess hergestellt, oder zumindest durch diesen verändert? Konstituieren erhobene Daten die Gegenstände oder repräsentieren sie sie?

Gerade eine empirisch arbeitende Diskursforschung – darüber hinaus aber prinzipiell jede poststrukturalistisch argumentierende Analyse – muss sich dieser Frage stellen, da sie einerseits theoretisch von der diskursiven Konstruiertheit der sozialen Welt ausgeht, andererseits diese soziale Welt und die Prozesse ihrer Konstituierung erfassen, darstellen, repräsentieren, erklären möchte. Das heisst, das Soziale wird nicht als eigenständiger, von der Forschung ebenso wie von den sozialen Praktiken unabhängiger Gegenstand betrachtet, sondern performativ hervor-gebracht.

In diesen Fragen gehen die methodischen Probleme der Gegenstandsbestimmung, Datenauswahl und Korpusgenerierung fliessend in theoretische Problemkreise eines „doing reality“ über. Sozialwissenschaftliche Forschung kann sich selbst also nicht als ausserhalb des Sozialen stehende Beobachterin begreifen, sondern ist selbst (Mit-)Herstellerin der sozialen Probleme, die sie untersucht. Theoretische Formulierung des jeweiligen Forschungsgegenstandes und seine Repräsentation durch Daten tragen zur Performativität von Diskursforschung bei und drohen die nunmehr untersuchten Gegenstände zu verdinglichen.

Obwohl diese Einsicht natürlich nicht neu ist, fehlen bislang systematische Aufarbeitungen und forschungspraktische Strategien. Unser geplanter Workshop soll einerseits in theoretischen Reflexionen und andererseits anhand von Beispielen aus der Forschung den damit ange-sprochenen Fragen nachgehen. Das Format des Workshops mit etwa 60 Minuten pro Beitrag soll dabei eine vertiefte intensive Diskussion ermöglichen.
Der geplante, interdisziplinäre Workshop (Soziologie, Religionswissenschaft, Erziehungs-wissenschaft, Geschichte) stellt eine Fortführung und thematische Zuspitzung der seit 2012 existierenden Vortragsreihe „Luzerner Diskurse“, die verschiedene fachliche und methodische Zugänge, verschiedene theoretische Konzeptionen sowie unterschiedliche sozialwissenschaft-liche Anwendungsfelder der Diskursforschung in der Deutschschweiz miteinander ins Gespräch bringt. 

Organisation: Prof. Dr. Frank Neubert, Religionswissenschaft, Universität Bern, frank.neubert@relwi.unibe.ch; Dr. Katharina Manderscheid, Soziologisches Seminar, Universität Luzern, katharina.manderscheid@unilu.ch.

Als ReferentInnen zugesagt: Prof. Dr. Daniel Wrana (Liestal); Prof. Dr. Rainer Diaz-Bone (Luzern), Prof. Dr. Sophie Mützel (Luzern), Prof. Dr. Martin Reisigl (Bern); Prof. Dr. Reiner Keller (Augsburg); Prof. Dr. Jürgen Mohn (Basel); Prof. Dr. Sylvia Bendel Larcher (Luzern); Prof. Dr. Kocku von Stuckrad (Groningen).