"Ambizione"-Projekt zum Bankenwesen

Leon Wansleben erhält als zweiter Wissenschaftler der Universität Luzern eine Förderung im Rahmen des Programms "Ambizione". Dies ermöglicht ihm, unabhängig und unter optimalen Bedingungen ein Forschungsprojekt durchzuführen. Für die Forschung an der Universität Luzern ist die Berücksichtigung im Programm ein grosser Erfolg.

Ambizione ist ein Instrument des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in allen Disziplinen. Es richtet sich an junge Forscherinnen und Forscher, die ein selbstständig geplantes Projekt an einer schweizerischen Hochschule durchführen, verwalten und leiten möchten. 

Dr. Leon Wansleben

Dr. Leon Wansleben, Forschungsmitarbeiter am Soziologischen Seminar, erhielt eine Förderung zugesprochen für sein Projekt "Die Verwandlung von Zentralbanken in Expertenorganisationen. Eine soziologische Untersuchung von Verwissenschaftlichungsprozessen in der Bank of England und der Schweizerischen Nationalbank seit den 1960er-Jahren". Im Interview erklärt er, welche Bedeutung die Aufnahme in das Programm für ihn hat, und gibt einen Einblick in sein Forschungsprojekt.

Leon Wansleben, was bedeutet für Sie die Berücksichtigung im Programm "Ambizione"?
Das Ambizione-Programm bedeutet für mich, ein selbst erarbeitetes wissenschaftliches Projekt unter sehr guten Bedingungen und vor allem unabhängig durchführen zu können. Ich bin nicht abhängig von irgendeinem Professor oder einer Professorin, brauche keine anderen Interessen zu berücksichtigen und kann unter eigenem Namen für mein Vorhaben und meine Ergebnisse gegenüber der akademischen sowie weiteren Öffentlichkeit eintreten.

Dann möchte ich das Projekt nutzen, um meine Habilitation zu erarbeiten. Heutzutage, so ist mein Eindruck, kommt es wirklich darauf an, sehr hochwertige und auch empirisch anspruchsvolle Forschungen zu betreiben, wenn man in der Wissenschaft bleiben möchte. Es ist also auch unter persönlichen Karrieregesichtspunkten eine tolle Möglichkeit.

Drittens bedeutet Ambizione für mich, dass ich mich nun unter sehr guten Vorzeichen im Soziologischen Seminar der Universität Luzern einbringen kann. Unter Kollegen können wir Workshops organisieren, Gäste einladen oder auch nur den informellen Austausch über soziologische Themen pflegen, wobei jeder "an was dran ist". Beispielsweise arbeite ich mit Cornelia Bohn im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts Bildkritik "eikones" zusammen. Daniel Speich Chassé, Hanno Pahl und ich haben eine kleine Arbeitsgruppe zur Beschäftigung mit der Ökonomik aus historischer und soziologischer Perspektive gegründet. Das sind vielversprechende Kooperationen, sie machen wirklich Spass und strahlen hoffentlich auch auf die Lehre aus.

Wie sind Sie auf das Programm aufmerksam geworden?
Ich habe, als ich 2010 nach Luzern kam, mit Prof. Cornelia Bohn über die Möglichkeiten gesprochen, die sich im Anschluss an meine jetzige Projektstelle bieten werden. Ambizione wurde mir von ihr empfohlen, weil mir eher die projektorientierte Arbeit liegt. 

Haben Sie auch andere Fördermöglichkeiten geprüft?
Nein. Die Alternative wäre eine Lecturer-Stelle, mit Lehre, an einer englischen Universität gewesen, aber ich fand Ambizione attraktiver.

Worum geht es in Ihrem Forschungsprojekt?
In meinem Projekt geht es um die Frage, wie und warum Zentralbanken heute so gewichtige Institutionen geworden sind, die in westlichen Ländern vermutlich den grössten Einfluss auf die Wirtschaftspolitik ausüben. Ich gehe dafür zurück zu den 1960er-Jahren, als dies noch nicht unbedingt der Fall war. Mich interessiert insbesondere, wie Zentralbanken ihre ganz eigene Art von Legitimation und Macht etabliert haben, die sich von den Verfahren in der sonstigen Politik unterscheiden. Dabei geht es vor allem auch um die Rolle von Expertentum. So ist mir aufgefallen, dass der Prozess des Machtgewinns der Zentralbanken parallel läuft mit dem Aufbau sehr umfangreicher Forschungstätigkeit in den Zentralbanken. Das Vorhaben ist als historische Fallstudie angelegt: Ich untersuche die Schweizerische Nationalbank und die Bank of England.

Auf welche Dauer ist es ausgelegt?
Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt, ich werde es aber erst im September nächsten Jahres beginnen, weil ich bis dahin noch in einem Projekt zur Beobachtung der Ökonomie beim Nationalen Forschungsschwerpunkt "eikones" beschäftigt sein werde, das sich stark mit dem AmbizioneProjekt überschneidet. Insgesamt werde ich also vier Jahre Zeit haben.

Wo stehen Sie heute?
Ich habe nun mit den ersten Archivbesuchen bei der Schweizerischen Nationalbank begonnen. Zunächst geht es mir um eine Krisen und Umbruchphase: Mitte der 1970er-Jahre hat die SNB in Antwort auf den Zusammenbruch von Bretton Woods eine monetaristische Geldpolitik eingeführt. Und dies, obwohl führende Vertreter der SNB noch kurze Zeit vorher eine solche Politik strikt abgelehnt hatten. Es ist auch klar, dass sich der Monetarismus aus der amerikanischen Wirtschaftswissenschaft entwickelt hat, wobei auch ein Schweizer – Karl Brunner – massgeblich beteiligt war. Die «Hinwendung» zum Monetarismus bedeutete für die SNB also auch, dass sie ein neues Verhältnis zur Wissenschaft etablierte. Die interne Forschungsabteilung wuchs zu dieser Zeit nicht nur, sie bekam auch eine viel grössere interne Macht im Entscheidungsprozess. 

 

Quelle: uniluAKTUELL, das Magazin der Universität Luzern, Ausgabe 44, September 2013
Artikel als pdf downloaden