Praxiserfahrungen während des Studiums
Im Vorlesungssaal oder in der Unibibliothek sitzend fragt man sich manchmal, wie die erlernten Studieninhalte später in der Berufswelt eingesetzt werden können. Für viele Studierende bieten Praxiserfahrungen während des Studiums eine hervorragende Gelegenheit, um diese Frage besser beantworten zu können. Doch wie genau funktioniert das neben Vorlesungen und Prüfungen? Welche Arten von Tätigkeiten und Branchen eignen sich für angehende Wirtschaftswissenschaftler/innen? Vier Studierende aus dem Bachelor- und Masterstudium lassen uns an ihren Erfahrungen und Erkenntnissen teilhaben.
von Bianca Schuler
Mara Bögli
Hauptverantwortliche Administration und Assistentin der Geschäftsleitung bei Timber Structures 3.0 AG (TS3)
«Im Sommer 2020 hatte ich alle Bachelorvorlesungen abgeschlossen, im Herbstsemester 2020 habe ich dann meine Bachelorarbeit geschrieben und gleichzeitig meinen Job beim Holzbauunternehmen Timber Structures 3.0 AG (kurz TS3) in Thun zu 80% begonnen.», erzählt mir Mara Bögli, die mitten im dritten Semester der Masterspezialisierung Marktorientierte Unternehmensführung ist. Zurzeit hat sie ihr Arbeitspensum auf 70% reduziert, um das Masterstudium nächsten Sommer abschliessen zu können.
Die in Thun ansässige Studentin kann ihre Arbeit flexibel einteilen, weshalb es ihr beispielsweise möglich ist, während der rund eineinhalbstündigen Fahrt an die Universität Luzern oder in Zwischenstunden zu arbeiten. Mara ist bei TS3 Hauptverantwortliche für die Administration und zusätzlich Assistentin der Geschäftsleitung. Zu ihren Haupttätigkeiten gehören das Personalwesen mit der Verwaltung von Sozialversicherungen und Löhnen, sowie Neuanstellungen. Auch andere Aufgaben des Rechnungswesens, wie beispielsweise Einzahlungen oder die Erstellung von Quartalsabschlüssen, gehören zu ihren Aufgaben.
In Zusammenarbeit mit dem Marketingverantwortlichen der Schwesterfirma organisiert sie zudem Messeauftritte und Kundenanlässe und bewirtschaftet die Sozialen Medien, sowie die Unternehmenswebseite. Herausfordernd findet die Masterstudentin, dass sie an zwei Orten - Uni und Arbeit - involviert ist, aber an keinem so richtig. So möchte sie beispielsweise bei wichtigen Anliegen als Hauptverantwortliche der Administration auch an Uni-Tagen erreichbar sein, was jedoch während der Vorlesungszeit schwierig umsetzbar ist.
Bei der Planung des Unistundenplanes empfiehlt Mara auch Blockveranstaltungen vor dem Semester zu besuchen, bei denen man sich während ein paar Tagen intensiv mit einem Thema beschäftigt und nicht jede Woche eine Vorlesung stattfindet. Zudem versucht sie, jeweils bereits zu Beginn des Semesters regelmässig Zusammenfassungen zu machen und allgemein nichts bis kurz vor die Prüfungen aufzuschieben. Während der Prüfungszeit kann sie sich bei der Arbeit auf das Wichtigste konzentrieren und in Absprache mit dem Arbeitgeber weniger dringende Arbeiten auf die Zeit nach den Prüfungen verschieben. Nicht vergessen gehen sollte bei all den Bemühungen auch Zeit um durchzuatmen, Energie zu tanken und danach wieder motiviert ins neue Semester zu starten.
Mina Bekcic ist als Werkstudentin bei Credit Suisse in Zürich angestellt. Seit vier Monaten arbeitet sie dort einen Tag pro Woche. Die Stelle bietet ihr einen guten Einblick, wie eine Bank in der Praxis funktioniert. In Vorlesungen wie «Financial Markets» bei Prof. Dr. Thorsten Hens erlernte sie bereits komplexe Finanzinstrumente theoretisch zu verstehen und dazu Berechnungen anzustellen. Ihr vorwiegend theoretisches Wissen kann sie nun als Werkstudentin anwenden.
Nicht nur die Arbeit an sich, sondern auch der Kontakt und Austausch mit Vorgesetzten, Mitarbeitenden und Kund/innen ist Mina dabei sehr wichtig. Es ermöglicht ihr einen Austausch mit Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und Werdegängen. So kann sie von anderen lernen und andere Ansätze und Arbeitsweisen kennenlernen. Zudem ermöglicht es ihr, einen Eindruck davon zu bekommen, welche Fähigkeiten und Herausforderungen unterschiedliche Positionen eines Unternehmens mit sich bringen. Die weiteren Vorteile für einen späteren Berufseinstieg liegen für sie auf der Hand:
Ich kann schon während des Studiums damit beginnen, erste Kontakte in der Bankenbranche zu knüpfen und ein Netzwerk aufzubauen. Das hilft mir sicher, wenn ich mich später dazu entscheide, in diese Richtung zu gehen.
Wenn es um die Vereinbarung von Studium und Arbeitstätigkeit geht, ist für Mina das Zeitmanagement ebenfalls zentral. Besonders auch wegen dem Arbeitsweg von Luzern nach Zürich von rund einer Stunde plant sie jeweils genau, wann sie was erledigt. Zudem nutzt sie die Zeit im Zug oftmals dafür, Texte für Seminare zu lesen oder andere pendente Aufgaben zu erledigen. Sie rät dazu, sich selbst nicht zu überschätzen und sich genau zu überlegen, welche Anstellung zum gegebenen Moment sinnvoll ist. Zu Beginn des Semesters sei eine Nebentätigkeit meist relativ gut machbar. Je näher die Prüfungen und Abgaben rücken, desto stressiger sei es, beides miteinander zu vereinbaren. Das Sammeln von Praxiserfahrungen neben dem Studium kann Mina aber auf jeden Fall weiterempfehlen.
Siro Accorinti studiert marktorientierte Unternehmensführung, eine der vier Spezialisierungsmöglichkeiten im Master Wirtschaftswissenschaften. Ein Jahr lang hatte er eine Teilzeitstelle als Werkstudent im Marketingbereich bei der Schmid + Partner AG – einer Unternehmensberatungsfirma spezialisiert auf KMU und Familienunternehmen. Seine Aufgaben bestanden primär darin, die Social-Media-Kanäle zu bewirtschaften, den Podcast zu verantworten und bei der Personalrekrutierung mitzuhelfen. Angestellt war er zu 40%, wobei er einen Tag vor Ort und einen zweiten Tag von zu Hause arbeiten konnte.
Da das Unternehmen bereits Erfahrungen mit Werkstudent/innen hatte, konnten sie die unterschiedliche Arbeitsbelastung im Studium mit Prüfungsphasen, Abgabeterminen und darauffolgen relativ langen Semesterpausen gut nachvollziehen. Für Siro war es deshalb gut möglich, das Vollzeitstudium und die Arbeitstätigkeit miteinander zu kombinieren. Er betont jedoch die Wichtigkeit von konsequenter Planung und offener Kommunikation mit dem/der Arbeitgeber/in. Zu Beginn der Anstellung hat er mit der verantwortlichen Person den Stundenplan und die Prüfungsphasen besprochen und klar definiert, an welchen Tagen er erreichbar ist.
Gerade bei einem Ersteinstieg in die Praxiswelt, aber natürlich auch bei späteren Arbeitstätigkeiten rät Siro: «Seid offen für neue Bereiche und Themen. Euer Ziel sollte sein, möglichst viele neue Erfahrungen zu sammeln und dazu gehört es nun mal auch Fehler zu machen und daraus zu lernen.» Die Stelle hat Siro einen Anhaltspunkt geboten, in welche Richtung er sich beruflich nach dem Studium bewegen möchte. Ausserdem konnte er mehr über seine eigene Arbeitsweise und die Planung von gemeinsamen Arbeiten mit Teammitgliedern lernen. Die Marketingmodule aus dem Studium gaben ihm eine gute Grundlage für die Entwicklung von Ideen für das Marketing seines Arbeitsgebers. Die praktische Tätigkeit wiederum ermöglichte es ihm, sich besser in bestimmte Zielgruppen hineinzuversetzen.
Nadja Koch
Administration bei AC Schwimmbadtechnik AG / Student Research Assistant bei Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik
Nadja Koch befindet sich im 5. Semester des Bachelorstudiums. Sie war rund ein halbes Jahr bei der Firma AC Schwimmbadtechnik AG arbeitstätig. Das Unternehmen bietet Privatkunden technische Lösungen für Poolsanierungen und -neubauten. Nadja hat sich bei AC Schwimmbadtechnik AG vor allem mit administrativen Arbeiten beschäftigt: Listen in Excel erstellen und ergänzen, Bearbeitung der Post, Bedienung der Telefonzentrale oder die Zusammenstellung von Unterlagen. Ähnlich wie Siro betont auch Nadja, dass es ein hohes Mass an Planung bei der Planung des Unistundenplanes und Flexibilität der Arbeitgeber/in erfordert, um Studium und Beruf vereinbaren zu können. Besonders in der Prüfungs- und Prüfungsvorbereitungszeit war sie froh, wenn sie nicht noch zusätzlich arbeiten musste, sondern die Arbeitsstunden vor- oder nachholen konnte.
Aufgrund der vielen Pflichtfächer im ersten Jahr des Bachelorstudiums würde sie eine Arbeitstätigkeit erst ab den höheren Semestern mit flexiblerer Auswahl der Studieninhalte empfehlen. Besonders gefallen hat Nadja bei ihrer ersten Stelle die Möglichkeit, ein kleines Unternehmen mit seinem Team aus Mitarbeitenden mit verschiedenen Hintergründen und Ausbildungen kennenzulernen. Ihr persönlich war es wichtig, einen Tag komplett zu arbeiten anstatt beispielsweise zwei Halbtage. Somit konnte sie sich die restliche Woche vollends auf das Studium konzentrieren. Kürzer werden die Studientage dadurch aber nicht:
Man muss sich bewusst sein, dass der Stundenplan bei der normalen Weiterführung eines Vollzeitstudiums bei vier verfügbaren Tagen natürlich etwas voller ist, als wenn man die ganzen fünf Tage dem Studium widmet
Aktuell arbeitet Nadja in einem 30%-Pensum am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern. Dabei schätzt sie die enge inhaltliche Beziehung von Studien- und Arbeitsinhalten. Sie findet es aber auch wertvoll, sich mit Themen zu befassen, die den gesellschaftlichen Alltag prägen - wie etwa die Altersvorsorge, soziale Mobilität und Ungleichheit. In ihrer Tätigkeit hilft sie bei Recherchearbeiten und bereitet Unterlagen für den Schulunterricht auf, beispielsweise in Kooperation mit «iconomix», einem Bildungsprogramm der Schweizerischen Nationalbank.
Praxiserfahrungen: Vorteile und Anforderungen
Praxiserfahrungen können eine sinnvolle Ergänzung zum Studium bieten und den Einstieg ins spätere Arbeitsleben erleichtern. Vielfach werden Bewerber/innen, die bereits erste Einblicke in die Berufspraxis erhalten haben, denjenigen ohne praktische Erfahrungen vorgezogen. Zwar wird von den Arbeitgeber/innen durchaus ein solides, theoretisches Basiswissen erfordert, genauso wichtig ist aber auch eine gewisse persönliche Reife. Zudem ermöglicht ein Praktikum oder eine Arbeitstätigkeit das Kennenlernen verschiedener Branchen und Aufgabengebiete und damit verbunden der persönlichen Präferenzen und Stärken. Praxiserfahrungen bergen dadurch auch das Potential, den geplanten Berufsweg sowie die Studiengestaltung zu beeinflussen. Die Vielfalt der in diesem Beitrag portraitierten zeigt: Von Tätigkeiten im Marketingbereich über die Mithilfe in der Forschung bis zu Betätigungen in der Banken- oder Baubranche bieten sich Studierenden der Wirtschaftswissenschaften sehr vielfältige Perspektiven.
Bei allen Vorzügen, sollte man sich dessen bewusst sein, dass Praktika oder Teilzeitpensen während dem Studium einen beträchtlichen Planungs- und Koordinationsaufwand mit sich bringen. Darüber hinaus sind für erfolgreiche Praxiserfahrungen Flexibilität sowie ein gutes Mass an Eigeninitiative und Motivation gefragt. Qualifizierte Praktika können im Studium der Wirtschaftswissenschaften im Wahlpflicht- oder Wahlbereich als extracurriculare Leistungen bis zu einem Gesamtumfang von 6 Credits angerechnet werden. Detaillierte Auskünfte dazu erteilt die Studienberatung.