Wie man gerne schreibt

Die Studentin Noemi Wolf bezeichnet ihre Schreibkunst am Gymnasium als miserabel und beklagt eine ungenügende Matura-Arbeit. Jetzt absolviert sie ein sehr schreibintensives Studium. Wie das funktionieren kann, zeigt sie anhand ihrer Seminararbeit über DIY-Mode.

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Schreiben ist nicht gleich Schreiben. (Bild: Istockphoto)

Das wichtigste: Die Inspiration

Im vergangenen Herbstsemester besuchte ich ein spannendes Seminar mit dem Titel "Soziologie der Mode". Behandelt wurden Unmengen an verschiedenen Theorien zum Thema der heutigen und früheren Mode. Der Soziologe Thorstein Veblen behauptet beispielsweise, dass man mit Kleidern seine finanzielle Lage demonstrieren könne. So werden Kleider zum Symbol des eigenen gesellschaftlichen Stands. Durch das Seminar erhielt ich ein fundiertes Überblickswissen zu einem Thema, welches mich interessiert: Mode, ihre Trends und deren Entwicklung.

Von Theorien und Turnschuhen

Der schwierigste und zeitaufwändigste Prozess in der Planung einer schriftlichen Arbeit ist die Recherche: Ich durchwühlte Bücher, Filme sowie Social Media und versuchte die gesammelten Informationen einzugrenzen. Vieles, was ich gerne aufgenommen hätte, musste ich weglassen. Ich entschied mich, den DIY-Modetrend am Nike-Schuh zu untersuchen.

DIY (Do it yourself) in der Mode beschreibt den Prozess, Kleider selbst herzustellen, zu verzieren und aufzuhübschen. Mir ist aufgefallen, dass vielfach bei Nike-Sneakers die Besitzerin oder der Besitzer selber Hand anlegt: Der Schuh wird beispielsweise durch Farbe oder Glitzer nach dem eigenen Gefallen verziert. Diese Idee flog mir glücklicherweise über die sozialen Medien zu, weil der Trend dort oft zu beobachten ist.

Die Verfolgung einer Idee

Interessant fand ich diesen Untersuchungsgegenstand, weil ich zuerst der Meinung war, dass sich dieser Trend nicht mit Veblens Theorie vereinbaren liess. Diese behauptet ja, dass Kleider und somit auch Schuhe vorteilhafterweise das eigene Wohlhabendsein ausdrücken und auch den wünschenswerten hohen gesellschaftlichen Stand. Selbstgemachtes widerspricht der Auffassung von Reichtum aber gehörig und sollte gemäss der Theorie nicht als Trend existieren! Oder etwa doch?

Daraus konnte ich schliesslich eine Fragestellung für meine Arbeit entwickeln: Inwiefern ist der DIY-Trend am Beispiel des Nike-Schuhs mit Veblens Theorie vereinbar? Und erst jetzt begann der wirkliche Schreibprozess. Ich tippte die Einleitung, den Theorieteil, den Teil zur Empirie, die Auswertung und schliesslich das Fazit.

Ein stolzes Resultat

Es hat sich herausgestellt, dass DIY-Fashion der untersuchten Theorie gar nicht widerspricht, obwohl dies zuerst so erschien. Vielmehr hat sich der Wert, den Kleider symbolisieren, geändert. Das beeinflusste wiederum die Art, wie Kleider Status ausdrücken. Wichtiger ist heute das Demonstrieren von Authentizität, Individualität und Originalität. Ein Original-Nike-Schuh reicht deshalb in der heutigen Zeit nicht mehr aus, weil sich Menschen mit Geld ohnehin alles oder Vieles kaufen können. Spezieller hingegen ist das extra bisschen an Zeit und Ressourcen, wie etwa das Bemalen und Verzieren eines Sneakers.

Der Blick auf das Geleistete

Diese Arbeit war viel einfacher zu schreiben als meine Maturaarbeit – bei der ich irgendwie ein unglücklich gewähltes Thema hatte. Denn wenn man eine Arbeit zu einem Seminar schreibt, bringt man Vorwissen mit – man startet nicht bei null. Und da ich selber auch in Zukunft gerne etwas mit Mode machen möchte, habe ich auch die nötige Portion Interesse mitgebracht.

Weiter ist es wichtig, nicht ins Schwitzen zu kommen, wenn die Erkenntnis die primäre These widerlegt. Denn: Das ist auch eine Erkenntnis. Meine Erkenntnis bewegt vielleicht nicht die Welt, aber im Alltag werde ich meinem Forschungsthema immer wieder begegnen und die Erkenntnis im besten Falle bestätigt sehen. Das macht schon ein bisschen stolz.

So oder so: Meine schlechten Schreib-Noten aus der Kanti Zeit verlieren an der Uni ihre Bedeutung. Vielleicht waren sie damals nicht auf Nicht-Können, sondern eher auf Desinteresse zurückzuführen. Allen, die ein neues Studium aufnehmen, rate ich: Nur Mut! Schaut nicht zurück, sondern nach vorne.

 

Dieser Beitrag wurde von der Studentin Noemi Wolf verfasst. Sie studiert Gesellschafts- und Kommunikationswissenschaften im vierten Bachelor-Semester.