Öffentliche Ringvorlesung «Digitaler Wandel»
Die Digitalisierung ist ein Querschnittthema, das bald alle Lebensbereiche und Forschungsfelder berührt. Eine Ringvorlesung des Studienschwerpunkts "Digitalisierung" der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät beleuchtet interdisziplinär Themen der digitalen Transformation und ihrer Auswirkungen auf die Forschungspraxis und die Gesellschaft.
Die Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät bietet seit 2019 den Studienschwerpunkt Digitalisierung an. In diesem Rahmen veranstalten Sophie Mützel, Professorin für Soziologie, und Daniel Speich Chassé, Professor für Globalgeschichte, dieses Semester eine alle zwei Wochen stattfindende Ringvorlesung. Zusammen mit fünf Gastdozierenden aus den Disziplinen Ethnologie, Geschichte, Literatur- und Politikwissenschaft werden sie sich unter dem Titel «Digitaler Wandel. Interdisziplinäre Sichtweisen auf Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung» mit den Auswirkungen von Phänomenen wie Big Data, Fake News oder Algorithmen auf die Forschungspraxis und die Gesellschaft befassen.
Im folgenden Interview gibt Soziologieprofessorin Sophie Mützel Einblick in die Inhalte der Vorlesung, erklärt, wieso eine interdisziplinäre Betrachtungsweise der Digitalisierung wichtig ist und weshalb sich die Vorlesung für alle Interessierten lohnt.
Sophie Mützel, Sie werden uns die Digitalisierung im kommenden Semester im Rahmen einer interdisziplinären Vorlesung näherbringen. Weshalb ist es wichtig, die digitalen Innovationen aus einer kultur- und sozialwissenschaftlichen Perspektive zu betrachten?
Sophie Mützel: Die Digitalisierung geht mit vielen neuen Chancen, aber auch Herausforderungen einher. Die Universität Luzern hat es sich im Rahmen des Schwerpunkts Digitalisierung zum Ziel gemacht, die neuen digitalen Möglichkeiten und Nutzungspraktiken zu reflektieren. Dies bedeutet nicht nur, der dynamischen Entwicklung von neuen Technologien und Netzwerkplattformen zu folgen, sondern auch die Fähigkeiten zu erwerben, zum Beispiel mit digitalen Daten umzugehen und diese auszuwerten. Dazu gehört auch, die Auswirkungen von neuen Technologien auf die Gesellschaft zu verstehen.
Die Ringvorlesung wird interdisziplinär geführt. Welchen Mehrwert versprechen Sie sich von diesem Ansatz im Vergleich zu einer individuell historischen oder soziologischen Herangehensweise?
Ein Merkmal der Digitalisierung ist, dass es keine wissenschaftliche Disziplin gibt, die nicht davon betroffen ist. Die neuen Chancen und Herausforderungen gelten daher für ein breites wissenschaftliches Feld und können gewinnbringend disziplinübergreifend reflektiert werden. Deshalb sind in unserer Vorlesung Gäste aus allen Bereichen der Sozial- und Geisteswissenschaften geladen. So haben wir Historikerinnen und Historiker zu Gast, die die Entwicklung der Digitalisierung historisch einordnen, aber auch ein Literatur- und ein Politikwissenschaftler und eine Ethnologin werden uns um ihre fachspezifische Perspektive bereichern.
Warum sollten wir uns mit dem Thema Digitalisierung überhaupt auseinandersetzen?
Gerade für die Universität Luzern als humanwissenschaftliche Universität ist es zentral, sich mit der Digitalisierung auseinander zu setzen, weshalb sie dies selbstverständlich seit vielen Jahren tut. Unsere Studierenden sollen Brückenbauerinnen und Brückenbauer zwischen Fachkenntnissen ihrer jeweiligen Disziplinen und technologischen Entwicklungen sein. Deshalb werden sie sensibilisiert auf Digitalisierung und die Möglichkeiten, die jene mit sich bringt. Sie lernen beispielsweise mögliche strukturelle Ungleichheiten, die bereits in Datensätzen enthalten sind, systematisch zu reflektieren. Ein anderes Beispiel ist die Präsentation von Informationen und anderen Angeboten online, die durch algorithmische Verfahren und aufgrund von vorherigen Präferenzen für uns vorselektiert ist. Wir informieren uns dementsprechend anhand einer für uns vorstrukturierten, jedoch nicht einsehbaren Auswahl. Was für einen Einfluss hat dies beispielsweise auf demokratische Entscheidungsprozesse? Solche Fragen sind zentral für die Kultur- und Sozialwissenschaften, weshalb es unerlässlich ist, dass wir uns damit befassen.
Können Sie uns einen kleinen Vorgeschmack geben, womit Sie sich in der Ringvorlesung befassen werden?
Wir werden uns verschiedensten Themen mit Vertreterinnen und Vertretern aus der ganzen Schweiz widmen. Beginnen wird die Vorlesung mit meinem Vortrag «Digitales in der sozialwissenschaftlichen Forschung. Zwischen Tweets, Plattformen, Daten und Algorithmen». Hierbei werde ich aufzeigen, welche Herausforderungen und Möglichkeiten es für die Sozialwissenschaften gibt, sich mit digitalen Daten und Technologien zu beschäftigen. Meine Aufmerksamkeit wird auf soziale Netzwerkplattformen gerichtet sein, aber auch auf andere Apps des Alltags, wie digitale Bezahlsysteme.
In den darauffolgenden Vorlesungen werden wir uns insbesondere mit Zugang zu und Umgang mit digitalisierten Quellen beschäftigen. Abgeschlossen wird die Vorlesungsreihe durch eine historische Einordnung der Digitalisierung. Viele Erkenntnisse sind nämlich gar nicht so neu, wie sie scheinen mögen und unsere kultur- und sozialwissenschaftliche Expertise aus vergangenen Entwicklungen kann direkt auf den heutigen digitalen Alltag angewandt werden.
Welche gesellschaftlichen Veränderungen antizipieren Sie in den nächsten Jahren aufgrund von technischer Innovation?
Ich sehe verstärkt neue, wichtige Möglichkeiten für menschliche, persönliche Interaktionen. Seit Jahrzehnten verläuft eine Automatisierung beispielsweise von bestimmten Arbeitsprozessen. Bei repetitiven Aufgaben ersetzen Maschinen menschliche Arbeitskräfte. Wir sehen jedoch auch, dass sich menschliche Fähigkeiten wie Empathie, Evaluation, Interpretation und Kreativität sich nicht durch Maschinen ersetzen lassen. Diese werden mit fortschreitender Automatisierung bedeutend bleiben bzw. an Bedeutung gewinnen. So wird es eine Verschiebung der Aufgaben geben. Nehmen wir das Beispiel eines Supermarktes. Während verstärkt Maschinen als Kassen wirken, wird es wichtiger werden, dass es an anderen Orten im Geschäft direkte und persönliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vor Ort gibt, die Kundinnen und Kunden beratend zur Seite stehen. Die Digitalisierung wird meines Erachtens dazu führen, dass das menschliche Element, das keine Maschine zu ersetzen vermag und niemals zu ersetzen vermögen wird, immer wichtiger wird.
Sie setzen sich bereits seit längerer Zeit intensiv mit Themen wie Big Data oder Fake-News auseinander. Seit wann beschäftigen Sie sich mit diesen Themen? Sind Sie seither kritischer im Internet unterwegs?
Angetrieben von meinem Interesse, mit grossen Textdaten zu arbeiten, beschäftige ich mich seit gut zehn Jahren mit der Digitalisierung und den Chancen, die sie uns bietet. In meiner Forschung als Soziologin arbeite ich vor allem mit digitalisierten Zeitungsartikeln, um im gesellschaftlichen Diskurs Muster aufzudecken und diese einzuordnen. Von grossen digitalisierten Texten gelangt man sehr schnell zu den digitalen Texten und so begann ich, mich immer mehr mit der Digitalisierung selbst zu befassen.
Mein Umgang mit dem Internet ist vor allem reflektiert und neugierig. Sicher bin ich besonders aufmerksam, wo und wie ich mich einlogge und welche digitalen Spuren ich hinterlasse. Jedoch wecken natürlich neue Plattformen mein Interesse: Was kann mir diese Plattform bieten, weshalb ist sie genau so aufgebaut, welche Informationen werden ausgetauscht und wie? Oder auch das Phänomen von Influenzern, wie funktioniert deren wirtschaftliches Modell und der Austausch von Daten für Profite?
Wem würden Sie diese Vorlesung ans Herz legen? Sie ist ja auch für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Braucht es Vorwissen, um ihr folgen zu können?
Ich kann diese Vorlesung allen Studierenden empfehlen, da sie sehr breit aufgebaut ist und fundamentale Erkenntnisse vermittelt. Ich würde sie zudem allen Personen empfehlen, die sich informieren wollen, wie sich die digitale Transformation aktuell gestaltet und wie sich die kultur- und sozialwissenschaftliche Diskussion dazu momentan verhält. Alle, die sich dafür interessieren, sind herzlichst eingeladen. Ich denke, dass viel Vorwissen schon dadurch gegeben ist, dass die Digitalisierung, ihre Stärken und Schwächen, medial stetig diskutiert werden. Somit kann eine interessierte Öffentlichkeit gut und gerne zuhören und mitdiskutieren.
Daten, Gastdozierende, Themen
Alle Termine und Durchführungsorte der kostenlosen Ringvorlesung «Digitaler Wandel. Interdisziplinäre Sichtweisen auf Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung» finden Sie hier im Vorlesungsverzeichnis.
Die Vorlesung findet ab Mittwoch, 2. März, alle zwei Wochen statt. Dozierende, Themen und Daten entnehmen Sie dem Flyer.
Eine eigene Seite hat auch der Schwerpunkt Digitalisierung der Kultur- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät.