Lucerne Academy: "Die grosse Mehrheit ist restlos begeistert"
Bereits zum zehnten Mal findet an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern die Lucerne Academy for Human Rights Implementation statt. Im Interview erklärt Co-Direktorin Prof. Dr. Martina Caroni, was diese Summer School so besonders macht.
Martina Caroni, wie haben Sie die bisherige Summer School erlebt?
Martina Caroni: Sehr gut. Es ist zwar eine kleine Gruppe, aber die Teilnehmenden sind sehr interessiert und aufgeweckt und haben sehr unterschiedliche Backgrounds. In den Kursen wurde äusserst angeregt und kontrovers diskutiert. Das ist das Schöne daran.
Sie sprechen die unterschiedlichen Backgrounds der Studierenden an. Wo sehen Sie die Unterschiede zu einer normalen Vorlesung?
In einer normalen Vorlesung geht man weniger auf ein einziges menschenrechtliches Problem ein, sondern versucht eher den grossen Zusammenhang herzustellen. Bei der Lucerne Academy kann ich auf eine Fragestellung vertieft eingehen und diese von verschiedenen Seiten beleuchten. Und da ist es schön, wenn die Teilnehmenden unterschiedlicher Herkunft sind. Dabei kommen von afrikanischen Studierenden ganz andere Fragen als von einer Nepalesin oder einer Brasilianerin. Die Schweizerin vertritt in dieser Runde nochmals eine ganz andere Sichtweise. Das macht den Reiz aus, sowohl für Teilnehmende als auch für Lehrende.
Woraus ist die Summer School entstanden? Woher kam die Idee dafür?
Die Idee war einerseits, eine Summer School zu schaffen, die anders ist als die bestehenden. Deshalb hat man den Moot Court (Anm. d. Red. fiktive Gerichtsverhandlung) als zentrales Element hinzugenommen. Andererseits sollte die Sichtbarkeit der Universität Luzern und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät erhöht werden. Man wollte den Fokus auf Menschenrechte legen und etwas Neues wagen. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät ist, wie die Universität Luzern, jung und dynamisch. Die Summer School versucht, diese Merkmale in die Welt hinauszutragen.
Der Moot Court war also von Anfang an dabei?
Ja; der Fokus lag seit dem Beginn auf der "Implementation", das heisst auf der praktischen Um- und Durchsetzung von Menschenrechten. Wir wollten nicht nur in der Theorie bleiben, sondern für angehende Juristinnen und Juristen, die mit Menschenrechten arbeiten möchten, eine praktische Erfahrung schaffen. Der Moot Court spielt hier eine zentrale Rolle. Dabei müssen sich die Teilnehmenden überlegen, wie sie argumentativ vorgehen und somit das theoretisch Gelernte umsetzen können.
Wie muss man sich den Moot Court vorstellen? Wie läuft diese fiktive Gerichtsverhandlung ab?
Es gibt zwei Phasen: eine schriftliche und eine mündliche. Zum einen müssen die Teilnehmenden schriftliche Eingaben beim fiktiven Gericht machen. Dabei handeln sie zum Beispiel aus Sicht der Beschwerdeführer und müssen begründen, was sie im konkreten Fall geltend machen und wie sie dies begründen. Sie müssen aber auch die gegnerische Perspektive, jene des Staates einnehmen und argumentieren, weshalb aus dieser Sicht keine Menschenrechtsverletzung besteht. Man hat also zwei Parteien – Staat und Individuum – und muss aus der jeweiligen Sicht argumentieren.
In der mündlichen Phase treten jeweils zwei Gruppen gegeneinander an. Das eine Team übernimmt die Rolle der Beschwerdeführer, die eine Menschenrechtsverletzung geltend machen. Die andere Gruppe vertritt den Staat und muss entsprechend argumentieren. Die zeitlich limitierten Plädoyers beider Parteien werden durch Fragen der Richterinnen und Richter unterbrochen. Mit diesen Fragen testet das Gericht, wie sattelfest die Kenntnisse der Teilnehmenden sind und wie sie ihre Argumente der Dynamik einer Gerichtsverhandlung anpassen können.
Was macht den besonderen Reiz aus für die Studierenden?
Sie können das Gelernte praktisch anwenden. Die Teilnehmenden müssen mündlich plädieren. Das kostet den einen oder anderen Überwindung, aber es ist auch reizvoll und äusserst lehrreich. Es kommt immer wieder vor, dass Studierende über sich hinauswachsen. Das mitzuerleben ist wunderbar.
Gibt es Studierende, die wiederholt teilnehmen?
Nein, das möchten wir bewusst nicht. Das Erlebnis soll etwas Einmaliges bleiben. Wir versuchen, interessierte Luzerner Studierende zu einer Teilnahme an einem anderen an der Uni Luzern angebotenen Moot Court zu motivieren, damit sie weitere Erfahrungen sammeln können. Die Summer School soll in gewisser Weise auch als Einstieg ins "Moot Courting" dienen, da dieses Format in der Schweiz noch nicht so präsent ist in der Ausbildung wie im Ausland.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Teilnehmenden?
Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden sind restlos begeistert. Und das trotz des sehr anstrengenden und umfangreichen Programms in diesen drei Wochen. Neben den Vorlesungen müssen die Studierenden die Memorials für den Moot Court verfassen und sich auf die mündliche Phase vorbereiten. Dazu kommen Prüfungen und zwei ganztägige Exkursionen – eine nach Genf und eine nach Strassburg. Es ist eine intensive, aber sehr lehrreiche Zeit, die niemand missen möchte. Das sehen wir auch daran, dass die Alumni der Lucerne Academy dieser weiterhin verbunden sind und im Alumni Network aktiv Werbung für die Summer School machen sowie Interessierte vor der Teilnahme beraten und begleiten.
Zur Summer School
An der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern findet zurzeit die Lucerne Academy for Human Rights Implementation statt. Während drei Wochen werden Kurse zum Thema Menschenrechte und Migration angeboten. Die Summer School legt ihren Fokus auf die praktische Seite bei der Prozessführung und Verteidigung der Menschenrechte. An der diesjährigen Summer School nehmen zehn Studierende aus sieben Nationen teil. Das Programm beinhaltet neben verschiedenen Kursen und Lunchtime-Seminaren zwei Exkursionen zu den Menschenrechtsinstitutionen in Genf und Strassburg sowie einen Moot Court.
Co-Direktion
Die Summer School wird von einem Co-Direktorium bestehend aus Prof. Dr. Martina Caroni, Professorin für öffentliches Recht, Völkerrecht und Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht sowie Prof. Dr. Sebastian Heselhaus, Professor für Europarecht, Völkerrecht, Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung geführt. Sarah Kehl, MLaw, ist Associate Director der Lucerne Academy und leitet in dieser Funktion die Summer School.
Interview: Nicole Aeschlimann, Praktikantin Öffentlichkeitsarbeit