«Wissen sollte für alle frei verfügbar sein»

Prof. Dr. Mira Burri und ihr Team wurden für den Handelsrecht-Datensatz TAPED mit dem diesjährigen «Open Science Preis» der Universität Luzern ausgezeichnet. Im Interview spricht sie über ihr Forschungsprojekt und weshalb es so wichtig ist, dass Forschungsdaten und -ergebnisse frei zugänglich sind.

Prof. Dr. Mira Burri, Professorin für Internationales Wirtschafts- und Internetrecht

Mira Burri, in einigen wenigen Worten, was ist TAPED?

Mira Burri: TAPED steht für «Trade Agreement Provisions on Electronic-Commerce and Data» und ist ein umfassender Datensatz, der die Entwicklungen im Bereich des digitalen Handelsrechts nachverfolgt. Ziel von TAPED ist es, einen Überblick über die in verschiedenen Freihandelsabkommen (FHA) enthaltenen Regelungen zum digitalen Handel zu bieten. Der Datensatz umfasst dabei eine detaillierte Erfassung und systematische Kodierung aller seit dem Jahr 2000 abgeschlossenen Abkommen. Aktuell deckt TAPED mehr als 450 FHA ab, in denen 130 verschiedene Aspekte kodiert wurden.

Was zeichnet den Datensatz aus, insbesondere in Bezug auf «Open Science»?

Der offene Zugang und die Nachnutzbarkeit: Der Datensatz ist frei verfügbar und kann unkompliziert heruntergeladen werden, was eine breite Zugänglichkeit sicherstellt. Zusätzlich ist er unter einer freien Lizenz verfügbar, die es Nutzenden aus verschiedensten Bereichen ermöglicht, auf die Daten zuzugreifen und sie weiterzuverwenden.

Ein weiterer Vorteil des TAPED-Datensatzes ist sein hoher Grad an Interoperabilität: Das Format ist so gestaltet, dass es für die Weiterverarbeitung geeignet ist und dadurch einen offenen Wissensaustausch begünstigt. Dank der umfangreichen Metadaten, die dem Datensatz beigefügt sind, wird es Nutzenden ermöglicht, weiterführende Analysen durchzuführen und die Daten für eigene Forschungsprojekte zu nutzen.

Wieso ist es wichtig, dass dieser Datensatz frei zugänglich ist?

Die offene Zugänglichkeit des TAPED-Datensatzes ist von zentraler Bedeutung, weil er damit sein volles Potenzial entfalten kann. Der Nutzen des Datensatzes steigt, wenn er von möglichst vielen Nutzenden verwendet wird. Nebst den Forschenden können so auch politische Entscheidungsträger, die auf verlässliche Daten angewiesen sind, um aktuelle Entwicklungen und Trends im digitalen Handel zu analysieren, den Datensatz verwenden. Je mehr Personen auf den Datensatz zugreifen und damit arbeiten können, desto wertvoller wird er als Referenzinstrument. Der freie Zugang ist insbesondere für Forschende aus Regionen oder Institutionen mit begrenzten finanziellen Mitteln von Bedeutung, da sie oft keinen Zugang zu teuren Datenbanken haben. Mit TAPED bieten wir eine Art demokratisierte Ressource an, die sicherstellt, dass alle Forschenden gleiche Möglichkeiten haben, auf diese Daten zuzugreifen.

Inwiefern ist das für Sie als Forscherin von Nutzen?

Der freie Zugang des Datensatzes trägt zur Sichtbarkeit und Transparenz unserer eigenen Forschungsarbeit bei. Wir können in unseren Publikationen auf TAPED verweisen und unsere eigenen Ergebnisse durch die veröffentlichten Daten nachvollziehbar und überprüfbar machen. Dies unterstützt die Qualitätssicherung unserer Arbeit und bietet gleichzeitig anderen Forschenden die Möglichkeit, Rückmeldungen zu geben, die wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung des Datensatzes liefern. Die verstärkte Sichtbarkeit fördert somit auch den fachlichen Austausch und inspiriert zu neuen Kooperationsmöglichkeiten.

Wie sind Sie dazu gekommen Open Science in der Praxis anzuwenden – liegt dem ein bestimmtes Erlebnis oder ein bestimmter «Aha-Moment» zugrunde?

Es ist weniger ein einzelnes Erlebnis als vielmehr eine tief verwurzelte Überzeugung: Mein Team und ich sehen es als grundlegende Verantwortung, dass Forschung, die durch öffentliche Gelder finanziert wird, auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Idee, dass Wissen, welches im Dienst der Gesellschaft entsteht, nicht für wenige Privilegierte, sondern für alle verfügbar sein sollte, ist für uns ein zentraler Antrieb.

Zusätzlich ist Open Science heutzutage ein internationaler Standard, dem wir als Forschende, die sich mit globalen Themen wie dem digitalen Handel befassen, verpflichtet sind. Im internationalen Austausch von Wissen und Daten ist Offenheit essenziell: Ein Datensatz wie TAPED würde viel an Wert und Relevanz verlieren, wenn er nur einem begrenzten Kreis zugänglich wäre. Wenn wir uns in einem internationalen Forschungsumfeld bewegen, besteht nahezu keine Alternative zu Open Science, da dies die Voraussetzung für den Wissensaustausch über institutionelle und nationale Grenzen hinweg ist.

Welche Tipps würden Sie jungen Forschenden in den Rechtswissenschaften geben, die Open Science in ihre Arbeit integrieren möchten?

Statt konkreter Tipps möchte ich dem Forschungsnachwuchs eher eine klare Aufforderung mit auf den Weg geben: Sie können durch die Integration von Open Science in ihre Arbeit nur profitieren. Der offene Zugang zu Forschungsergebnissen erhöht die Sichtbarkeit. Ich empfehle, sich frühzeitig an die zuständigen Stellen der Universität zu wenden – viele Universitäten und ihre Bibliotheken, wie hier in Luzern, haben mittlerweile spezialisierte Open Science Teams, die in allen Fragen unterstützend zur Seite stehen. Diese Stellen sind oft sehr hilfsbereit und können etwa über Finanzierungsmöglichkeiten für Open Access Publikationen oder die Wahl geeigneter Verlage informieren.

Darüber hinaus gibt es finanzielle Fördermöglichkeiten für Open Access Publikationen, die gezielt genutzt werden sollten. Viele Universitäten oder Forschungsförderer stellen Mittel für Publikationskosten bereit. Solche Unterstützung hilft, die Kosten zu reduzieren und Open Science auch für Nachwuchsforschende im Bereich der Rechtswissenschaften attraktiv und umsetzbar zu machen.

Das Interview führten Dominik Matter und Simone Rosenkranz, beide Teil des Open Science Teams der Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern.

Mehr Infos:

Newsmeldung zur Verleihung des Open Science Preises
«TAPED»-Websitebereich und -Download
Mehr Informationen zu Open Science an der Universität Luzern
Langfassung des Interviews