Klimapolitik: Folgekosten beeinflussen öffentliche Meinung

Eine Studie von Forschenden der Universitäten Luzern und Glasgow hat die öffentliche Einstellung zur EU-Importsteuer auf CO₂-intensive Güter untersucht. Die schwer abschätzbaren Auswirkungen der Massnahme lassen die Meinungen noch schwanken.

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Symbolbild: ©istock.com/martin_33

Mit dem CO₂-Grenzausgleichssystem – englisch: «Carbon Border Adjustment Mechanism» (CBAM) – der Europäischen Union (EU) sollen emissionsintensive Importgüter aus Ländern mit keiner oder schwacher CO₂-Regulierung verteuert werden (s. Box unten). Die Befürworterinnen und Befürworter dieser Importsteuer argumentieren, mit der Regelung würden heimische Arbeitsplätze geschützt und dem Wegzug von Firmen in weniger regulierte Länder entgegengewirkt. Kritikerinnen und Kritiker sagen, die Massnahme behindere den freien Handel und treibe Preise in die Höhe. Patrick Bayer, Professor für Politische Ökonomie der Universität Glasgow und  Lehrbeauftragter am Politikwissenschaftlichen Seminar der Universität Luzern, und Lena Maria Schaffer, Professorin für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Inter- und Transnationale Beziehungen, haben Bürgerinnen und Bürger aus vier europäischen Ländern – Deutschland, Ungarn, Schweiz und dem Vereinigten Königreich – dazu befragt.

Verglichen etwa mit nationalen CO₂-Abgaben, für die in früheren Studien etwa ein Drittel der Befragten ihre Zustimmung äusserten, finden die CBAM-Massnahmen rund 10% mehr Zuspruch. Je nach Land fällt dieser aber um 6–10 Prozentpunkte ab, wenn die Befragten über potenziell steigende Preise für betroffene Importgüter informiert werden. Die Studienteilnehmenden änderten ihre Einstellung auch nicht, wenn in der Befragung der durch den CBAM begünstigte Erhalt von Arbeitsplätzen betont wurde. Interessanterweise änderte sich dies aber, wenn die Umfrageteilnehmenden aufgefordert wurden, die Folgen des CBAM nicht für sich selbst als Individuen, sondern für ihre Region oder ihr Land als Ganzes zu bewerten. Insgesamt gibt es noch eine grosse Anzahl an Bürgerinnen und Bürger, die sich bisher keine klare Meinung gebildet haben.

Diese Punkte legen nahe, so die Studienautoren, dass die öffentliche Meinung je nach Darstellung der klimapolitischen Massnahme beeinflussbar ist. Insbesondere die sinkende Unterstützung für das CO₂-Grenzausgleichssystem im Falle der Betonung von potentiellen Mehrkosten eröffnet politischen Parteien, die sich gegen verstärkten Klimaschutz positionieren wollen, die Möglichkeit, die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten strategisch zu verschieben. Die Studienautoren merken weiter an, dass dem CBAM etwa bei Wahlen der jüngeren Vergangenheit in politischen Debatten zwar keine grosse Bedeutung zugemessen wurde, sich dies in Zukunft mit weiter zunehmender Polarisierung der Klimapolitik jedoch schnell ändern könnte.

Patrick Bayer, Lena Maria Schaffer
Distributional Consequences shape public Support for the EU Carbon Border Adjustment Mechanism: Evidence from four European Countries
Environmental Research Letters, Volume 19, Number 8
Open Access-Abruf der Studie

Die Studie wurde im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) geförderten Forschungsprojekts «Beyond Policy Adoption: Implications of Energy Policy on Parties, Publics and Individuals» durchgeführt.

Projektseite SNF

 

Besteuerung emissionsintensiver Importe

Um den globalen Temperaturanstieg unter 2 °C zu halten, wurde beim Pariser Klimaabkommen von 2015 ein dynamisches Anreizsystem für Klimaschutzmassnahmen, das sogenannte «Ratcheting», erdacht. Dieses gibt den Vertragsstaaten vor, ihre Klimaziele mit der Zeit schrittweise zu erhöhen. Die Sorge um sogenanntes «Carbon Leakage», also die Verlagerung von CO₂-Emissionen in Länder ausserhalb der EU und der Wegzug von Firmen als Reaktion auf strengere Klimaregulierungen, bildet Anlass zu Massnahmen, welche die Kluft zwischen der Erhöhung der Klimaziele und dem Schutz der nationalen Wirtschaften überbrücken können. In diesem Kontext soll der «Carbon Border Adjustment Mechanism» (CBAM) der Europäischen Union die verstärkt CO₂-regulierten europäischen Produzenten vor unregulierten und damit günstigeren Importen schützen. Der CBAM ist im Oktober 2023 in eine Probephase gestartet und soll im Januar 2026 voll implementiert sein.