Forschung zum jüdisch-christlichen Dialog
Im deutschsprachigen Raum ist der jüdisch-traditionelle Blick auf das Christentum fast gänzlich unbekannt. Dr. des. Jörg Ahrens möchte diese Lücke schliessen. Dafür hat er vom Nationalfonds ein Stipendium für einen Forschungsaufenthalt erhalten.
Die Haltung der jüdischen Orthodoxie zum jüdisch-christlichen Dialog und die zentralen Positionen zum Christentum sind bis anhin nicht vollständig geklärt. "Obschon orthodoxe Rabbiner nach dem Holocaust auf eine schnelle Korrektur der christlichen Lehre und der Überwindung des Judenhasses mittels Dialog hofften, führten die Haltungen der Gesellschaft und der Kirche dazu, dass sie sich aus den Dialogbemühungen wieder zurückzogen", so Jörg Ahrens. Sprachliche Barrieren hätten zudem bewirkt, dass die Quellen zum jüdisch-traditionellen Blick auf das Christentum und den Dialog mit ihm im deutschsprachigen Raum bislang kaum Beachtung fanden. Ahrens: "Mein Forschungsprojekt möchte sich diesem Desideraten annehmen und einen Blick auf diese fast unbekannte Perspektive werfen." Denn spätestens seit der Veröffentlichung zweier Erklärungen orthodoxer Rabbiner zum Christentum (2015: "Den Willen unseres Vaters im Himmel tun: Hin zu einer Partnerschaft zwischen Juden und Christen"; 2017: "Zwischen Jerusalem und Rom") stelle sich die Frage, ob es eine "jüdische Theologie des Christentums" und damit auch eine theologische Dimension des christlich-jüdischen Dialogs geben könne.
Im Rahmen seines Projekts "Eine jüdische Theologie des Christentums? Traditionelle jüdische Quellen zum Christentum" forscht Jörg Ahrens in den "Anglo-Jewish Archives", insbesondere in dem des britischen Council of Christians and Jews sowie in den Nachlässen von James William Parkes, William Wynn Simpson, Selig Brodetsky und dem Rabbiner Joseph H. Hertz. Ziel seiner Forschung ist es, zu bestätigen, dass die traditionellen jüdischen Quellen des 19. und 20. Jahrhunderts nicht nur das Fundament für die jüdisch-orthodoxen Dokumente zum Christentum, sondern auch zu einer noch zu entwickelnden "jüdischen Theologie des Christentums" bilden.
Gastinstitution in Southampton
Für sein Forschungsprojekt reist Jörg Ahrens im Januar 2020 für eineinhalb Jahre an das Parkes Institute der University of Southampton, England. Möglich macht dies ein sogenanntes Early-Postdoc.Mobility-Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds (SNF). Für das Parkes Institute hat er sich entschieden, weil es "das älteste und eines der weltweit führenden Zentren für das Studium und die Forschung der jüdisch-christlichen Beziehungen ist". Zudem sei die Infrastruktur hervorragend; die Bibliothek und das Archiv würden mehr als 30'000 Werke zu jüdischen Studien des 15. Jahrhunderts bis zur Gegenwart umfassen. Ahrens wird vor Ort von Professorin Claire Le Foll betreut, welche spezialisiert auf die Geschichte des Judentums in Osteuropa des 19. und 20. Jahrhunderts ist. Da es sich dabei um den Schwerpunktzeitraum von Ahrens’ Forschung handelt, ist er sich sicher, dass sie ihm bei der "Einordnung der jüdischen Haltung gegenüber Nichtjuden in dieser Zeit" behilflich sein kann. Jörg Ahrens hat an der Universität Luzern bereits seine Dissertation realisiert; dies im Rahmen eines SNF-Projekts zum Thema "Die Konferenz von Seelisberg (1947) als ein internationales Gründungsereignis des jüdisch-christlichen Dialogs im 20. Jahrhundert" unter der Leitung von Prof. Dr. Verena Lenzen.