Big Data Forschung im Auftrag des Bundesrats am Soziologischen Seminar
Wie kann Herausforderungen im Zusammenhang mit grossen Datenmengen begegnet werden? Sophie Mützel geht als Leiterin eines Forschungsteams dieser Frage im Rahmen eines Nationalen Forschungsprogramms auf den Grund.
Jeder Click online, jeder Kommentar, Post und Tweet, jedes Liken, Teilen und Taggen, jeder Kauf, jede Suchanfrage, jedes Einloggen, jede Kreditkartentransaktion, jede Nutzung von Apps – diese und noch viele Handlungen mehr, offline wie online, generieren grosse Mengen von Daten. Für datengetriebene Wirtschaftszweige haben diese Daten und deren Auswertung das Potential, grosse ökonomische Mehrwerte zu schaffen, wie z.B. durch personalisiertes Marketing oder optimierte Organisationsabläufe. Doch es gibt auch Bedenken, z.B. welche Auswirkungen kommerzielle Auswertungen im Hinblick auf systematische Diskriminierung haben. Um die wissenschaftlichen Grundlagen für die Nutzung von grossen Datenmengen und deren Analyse erarbeiten zu können, hat der Bundesrat das Nationale Forschungsprogramm 75 „Big Data“ (NFP 75) mit einem Finanzrahmen von 25 Mio. CHF ins Leben gerufen. Das mit einer Fördersumme von 654'000 Franken unterstützte Projekt von Sophie Mützel, Ph.D., seit 2014 Assistenzprofessorin am Soziologischen Seminar, Schwerpunkt Medien und Netzwerke, ist eines von insgesamt 36 genehmigten Projekten, die Fragen der Informationstechnologie, der gesellschaftlichen Herausforderungen sowie praktische Anwendungen untersuchen.
Big Data: methodische Herausforderungen für die Soziologie
Zusammen mit drei Doktorierenden forscht Mützel für 3.5 Jahre zum Thema „Facing Big Data: Methods and Skills Needed for a 21st Century Sociology“. Das Projekt widmet sich den methodischen Herausforderungen für die Disziplin Soziologie, die sich mit dem Aufkommen von grossen Datenmengen ergeben. Die Soziologie, verstanden als Disziplin, die mit Hilfe von theoretischen Konzepten und einem methodischen Werkzeugkasten empirische Phänomene analysiert, um das Soziale zu erklären, könnte in einer führenden Position sein, um sich an der Analyse des digital geprägten Sozialen zu beteiligen. Doch sind es momentan andere Disziplinen, die sich an der Untersuchung dieses weitreichenden Wandels der Daten und Methoden beteiligen. Ein möglicher Grund dafür liegt in fehlenden methodischen Kenntnissen und damit verbunden einer fehlenden analytischen Vision von Untersuchungen und Erkenntnismöglichkeiten. Der methodische Werkzeugkasten der Soziologie, klassischerweise geprägt von Stichproben, Regressionsverfahren oder qualitativen Untersuchungen, muss nach Aussagen von möglichen Arbeitgebern u.a. in Medienunternehmen, Beratungsfirmen oder im Marketing erweitert werden, um Soziologinnen und Soziologen die Erhebung, die Bereinigung, die Analyse und die Interpretation von grossen, oftmals unstrukturierten, nicht-numerischen Daten zu ermöglichen. Womit genau der Werkzeugkasten erweitert werden soll, erarbeitet das Projekt, indem es die Methoden und Instrumente der drei Felder Soziologie, Data Science und Datenjournalismus untersucht. Damit schliesst das Projekt an Lehrangebote des Soziologischen Seminars an, die sich mit Themen wie Big Data, der digitalen Ökonomie, digitalen Kulturen und Communities, Algorithmen sowie deren Analysemethoden beschäftigen.
Neben dem am Soziologischen Seminar angesiedelten Projekt ist auch an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ein Projekt bewilligt worden, das sich ebenfalls den gesellschaftlichen Herausforderungen widmet. Das Projekt von PD Dr. Mira Burri befasst sich mit „The Governance of Big Data in Trade Agreements: Design, Diffusion and Implications" (gefördert mit 550'000 Franken).
Mit insgesamt 1,2 Mio. Franken handelt es sich um das bislang grösste für die Universität Luzern im Rahmen eines Nationalen Forschungsprogramms eingeworbene Fördergeld-Volumen. Die beiden Luzerner Wissenschaftlerinnen vermochten sich gegen eine beachtliche Konkurrenz durchzusetzen: Für das NFP 75 gingen insgesamt 172 Projektskizzen ein; im Bereich zu den gesellschaftlichen Herausforderungen wurden lediglich acht Projekte bewilligt.