Bei der Erneuerung von Kirche und Gesellschaft sollten Leader nicht nur auf den eigenen «Spirit» setzen

Vom 19. bis 21. Juni 2024 treffen sich internationale Wissenschaftler und engagierte Führungspersonen aus Kirche und Wirtschaft in Luzern zur «International Conference on Theology and Leadership». Die Professur für Pastoraltheologie der Theologischen Fakultät der Universität Luzern lädt, zusammen mit ihrem Partner, dem Institut für Führung und Sozialethik (ILSE) der Evangelischen Theologischen Fakultät im belgischen Leuven ein, über die Frage nachzudenken: Wo ist der Spirit, der (Heilige) Geist, in unserer Führung?

Im vergangenen Jahr hat die Professur für Pastoraltheologie der TF den Forschungsschwerpunkt «Theologie und Leadership» geschaffen. Geforscht werden soll rund um die Frage «Welche Art der Führung ist für Gemeinden der Zukunft förderlich?». Patrick Renz, Lehr- und Forschungsbeauftragter am Lehrstuhl und Verantwortlicher der Konferenz sagte damals «differenzierte Leadership kann helfen, dass Gemeinden aus innerer Kraft und Erneuerung zu blühenden Gemeinschaften heranwachsen». Damit soll der stattfindende Umbruch in der Schweizer Kirchenlandschaft positiv unterstützt werden.

Der Heilige Geist ist kein «nice to have»

Dass es sich bei diesem neuen Schwerpunkt um ein aktuelles und viel diskutiertes Thema handelt zeigt die Tatsache, dass mehr als 30 Wissenschaftler:innen der Aufforderung zur Einreichung von Arbeiten rund um das Thema Leadership und Theologie nachgekommen sind. Unter den sechs Hauptreferierenden sind auch der bekannte emeritierte Pastoraltheologie Prof. Dr. Dr. Paul M. Zulehner und die Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz Rita Famos.

«Die Kirche ist von Gott her gesehen eine Theokratie (Jesus ist der Herr: Röm 10,9), folglich aus menschlicher Sicht zunächst eine Anarchie: Herrschaft von Menschen über Menschen ist in einer wirklich christlichen Kirche unzulässig. Damit aber die Kirche leben und handeln kann, braucht es zugleich eine menschengemachte Ordnung.» Mit dieser Aussage verdeutlicht Paul M. Zulehner, dass Leadership zu Kirche und Theologie gehört, dass die Leitungs-Kultur in allen Bereichen des kirchlichen Lebens aber auf dem Prüfstand des Evangeliums steht. Rita Famos ihrerseits ergänzt diese Aussage zur Frage «Was braucht es bei Theologie und Leadership und was braucht es nicht» mit der Antwort: «Kirche im evangelisch-reformierten Verständnis braucht die geistbegabte Orientierung an Gottes Wort, um die immer neu in der Kirche und mit der Kirche gerungen werden muss. Verworfen wird dagegen jede Führungsautorität und Kult um Führungspersönlichkeiten, die ein Sonderwissen und exklusive Kompetenzen behaupten.» Dabei hält sie fest, dass der Heilige Geist kein «nice to have», sondern konstitutiv für das Sein der Kirche ist. «Die Herausforderung besteht darin, das Vertrauen auf die göttliche Geistpräsenz hochzuhalten und nicht in der Hoffnung auf schnellere Ergebnisse allein auf den eigenen Spirit zu setzen.»

Pionierarbeit in einer Zeit der Umbrüche

Christian Preidel, Professor für Pastoraltheologie in Luzern macht klar, dass Leadership keine Frage einer kleinen Elite ist. «Theologisch betrachtet geht es um die Frage, wie alle Menschen als Hörende des Wortes Gottes handlungsmächtig werden können.» Dabei macht er deutlich, dass es ein langer, aber lohnenswerter Weg für Kirche und auch Gesellschaft ist, zu einem neuen Verständnis von Führung zu kommen, dass auf die Gemeinschaft statt auf den einzelnen Leader setzt.  «Der Spirit des Leadership, den wir uns zum Thema genommen haben, destabilisiert deshalb auch Machtverhältnisse um der befreienden Botschaft Gottes an alle Menschen willen. Damit können wir als Theologie etwas zu einem neuen Verständnis von Leadership beitragen, das uns alle etwas angeht.»

Mit der internationalen Konferenz leistet die theologische Fakultät Pionierarbeit. Patrick Renz meint: «Dank der internationalen Konsortiums kommen Wissenschaftler:innen aus aller Welt zusammen, ihre Forschungsresultate miteinander zu diskutieren. Angesichts multipler Krisen – man kann wahrhaft von einer Kirchenkrise, einer Leadership-Krise, und einer Gesellschaft in grossen Umbrüchen sprechen – kann die interdisziplinäre und wissenschaftliche Reflektion einen Beitrag hin zu einer lebendigen Kirche leisten. Gleichzeitig erfährt auch Leadership grundsätzlich eine neue Sinnzentrierung».