Die silbernen Pfauengefässe im Historischen Museum Luzern machen nicht nur durch ihre prunkvolle Verarbeitung auf sich aufmerksam. Die Salz- und Pfeffergefässe sind auch Ausdruck sich verändernder Wirtschafts- und Gesellschaftsbedingungen sowie kunsthandwerklicher Umorientierungen ihrer Zeit.
Die zwei in Form von Pfauen gestalteten Objekte lassen durch die ästhetische Verarbeitung ihren Verwendungszweck als Salz- und Pfeffergefässe beinahe verkennen. Die beiden Gegenstände, die einst im Besitz einer Familie Dangel aus Beromünster (LU) waren, wurden 1939 dem Historischen Verein Zentralschweiz vermacht. Dessen damaliger Präsident überbrachte die Objekte 1941 dem Historischen Museum Luzern als Leihgabe.
An den pokalartigen Gefässsockel befinden sich Ortsmarken bestehend aus einem sogenannten Baselstab, dem Hirten- oder Bischofsstab im Wappen von Dörfern und Städten der Region Basel, und einem «B», die aus der Zeit zwischen 1660 und 1680 stammen. Die durch eine Basler Schmiedezunft vorgenommene Stempelung garantierte einen bestimmten Silberfeingehalt und damit die Silberqualität. Eine meist zusätzlich vorhandene Meistermarke, welche die Signatur des Kunstschmieds – städtische Handwerkszünfte in dieser Zeit können als reine Männerdomäne angenommen werden – darstellte, lässt sich an den vorliegenden Pfauenobjekten nicht erkennen. Auch wenn damit der Hersteller der Silberstücke unbekannt bleibt und auch keine eindeutige Auslegung über den Herstellungs- und Verwendungskontext der Silbergefässe gemacht werden kann, lassen sich entlang der beiden Silberobjekte dennoch kulturhistorische Fährten aufnehmen.
Lokaler Reichtum dank globalem Handel
Die Verarbeitungstechnik der Salz- und Pfeffergefässe erinnert an die Nürnberger und Augsburger Silberschmiedekunst, die um das 17. Jahrhundert ihre grösste Bedeutung erlangte und auch von Schweizer Gold- und Silberschmieden aufgegriffen wurde. Silber war in Europa bis ins 16. Jahrhundert ein sehr wertvolles Edelmetall, das nur spärlich vorkam und unter mühsamem Arbeitsaufwand beschafft werden musste. Bis dahin diente es hauptsächlich als Kapitalanlage für die Kirche. Mit unternehmerischen Bestrebungen errichteten europäische Kaufmannsleute im 16. Jahrhundert koloniale Handelsrouten, über die Luxusgüter wie Silber aber auch Gewürze wie Pfeffer nach Europa gebracht wurden. Mit dem Zugang zu den neuen Rohstoffquellen sank der Silberpreis in der Schweiz und die Handelsstrukturen brachten reiche Geschäftsleute hervor. Ab dem 16. Jahrhundert konnten sich so immer öfter auch wohlhabende Bürgerinnen und Bürger Gebrauchssilber leisten, was den Schweizer Silberschmieden eine neue Kundschaft einbrachte.
Die Reformation trug dann aber ganz massgeblich zur Umorientierung des Absatzmarktes schweizerischer Gold- und Silberschmiedekunst bei. Da die reformierte Kirche – im Gegensatz zur katholischen Kirche – beim sakralen Dekor auf Einfachheit setzte, verloren Schweizer Kunsthandwerker die Kirche als hauptsächliche Auftraggeberin edler Prunkstücke. Somit wichen diese vermehrt auf den nichtklerikalen Markt aus. Der ästhetische Einfluss der kirchlichen Vorbilder blieb jedoch auch im bürgerlichen Tafelgeschirr bestehen.
Wertvolle Naturalien und prunkvolle Ästhetik
Es sind die in dieser Grösse ausschliesslich im tropischen Indopazifik vorkommenden Kaurischneckengehäuse, welche die eigentliche Gewürzschale der Silbergefässe bilden. Das Ersetzen des Gewürzbehältnisses durch einen anderen Werkstoff als Silber macht insbesondere bei einem Salzgefäss Sinn, da Salz mit Silber chemisch reagiert und letzteres korrodiert. Interessant in Bezug auf die Materialwahl des Kaurischneckengehäuses ist, dass das Wort «Porzellan» vom italienischen Namen der Kaurischnecke «Porcellana» her stammt. Einerseits vereint die Einarbeitung von Kaurischneckengehäuse in die Prunkobjekte so zwei noch heute für die Herstellung von Tafelgeschirr verwendete Materialarten. Andererseits verbinden das Edelmetall und die Gehäuse der Kaurischnecke, dass sie weit verbreitet als Kapitalanlage, als Währung (Kaurigeld und Silbermünzen), aber auch als Bestandteile für ästhetische Schmuckstücke genutzt wurden. Die Pfauen als Sinnbild für Reichtum und Schönheit scheinen diese Elemente auch auf symbolischer Ebene zu umfassen.
Gehobener Verwendungszweck
Dass die hier beschriebenen Gegenstände als bürgerliches Tafelgeschirr gedacht waren, passt sowohl zur Geschichte der Salz- und Pfeffergefässe als auch zu der bereits im 15. Jahrhundert empfohlenen und im 17. Jahrhundert manifestierten Tischregel, welche den Gesitteten nahelegte, die Speise nicht direkt ins offene Salzgefäss zu tunken, sondern das Salz via Messerspitze über das Gericht zu streuen. So müssen auch bei den vorliegenden Pfauengefässen das Salz und der Pfeffer unter besonders hoher Sorgfalt den Naturschalen entnommen werden, damit die gewundene Innenform der Schneckengehäuse nicht beschädigt wird.
Auch wenn der Verwendungszweck der Pfauenobjekte als Salz- und Pfeffergefässe sehr wahrscheinlich ist, lassen die im Zuge des Seminars durchgeführten Recherchen vermuten, dass ihr Herstellungsgrund in erster Linie auf ein bürgerliches Gabenritual zurückzuführen ist. So kann angenommen werden, dass die wertvollen Prunkstücke als Geschenk für eine bürgerliche Hochzeit oder als Gabe für einen Amtsantritt oder Zunfteintritt in Auftrag gegeben wurden.
Geben die Pfauengefässe auch nicht ganz all ihre Geheimnisse preis, so zeugen sie doch klar von den Veränderungen der Wirtschafts- und Gesellschaftsbedingungen ihrer Zeit und vom Vorhandensein einer Prise Prunk im Alltag des Schweizer Bürgertums.
Öffentlicher Anlass am 24. Oktober 2023
Die Langfassung dieses Artikels entstand im Seminar «Sachen machen. Dinge als Quellen der Kulturanalyse» bei Marianne Sommer, Professorin für Kulturwissenschaften. In diesem Seminar setzen sich Studierende mit Objekten aus dem Historischen Museum Luzern auseinander und publizieren dazu Beiträge auf der Open-Access-Plattform LORY. Einige der Resultate werden wieder an einem öffentlichen, kostenlos besuchbaren Anlass, dem nach dreijährigem Unterbruch wieder stattfindenden LORY-Abend (Agenda-Eintrag), im Museum präsentiert.
Vera Gujer
Studentin im Masterstudiengang Kulturwissenschaften