Ob Klimawandel, Pandemien oder Bekämpfung von Desinformation: Wissenschaft spielt eine zentrale Rolle. Was viele nicht wissen: Dahinter steht ein wenig bekanntes, aber grundlegendes Menschenrecht: das Recht auf Wissenschaft.

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Bereits 1948 in der «Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte» verankert und später durch den «Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte» (UNO-Pakt I) rechtlich bindend gemacht, verpflichtet das Recht auf Wissenschaft die Staaten, den Zugang zu wissenschaftlichem Fortschritt und seinen Anwendungen zu fördern. Dennoch fristete dieses Menschenrecht lange ein Schattendasein und wurde treffend als «Dornröschen der Menschenrechte» bezeichnet.

Dieses Schattendasein hat verschiedene Gründe. Zum einen wurde das Recht auf Wissenschaft lange als ein rein programmatisches Ziel angesehen, das von Staaten schrittweise umgesetzt werden soll. Diese Auffassung hat den irreführenden Eindruck erweckt, es handle sich um ein unverbindliches Prinzip ohne einklagbaren Charakter. Dabei verkennt diese Sichtweise die tatsächliche Rechtsnatur dieses Menschenrechts, das über klare Verpflichtungen verfügt und durchaus durchsetzbar ist – sei es vor Gerichten oder anderen zuständigen Instanzen.

Zugang und gleichzeitig Schutz

Der Schutzbereich des Rechts auf Wissenschaft ist breit gefächert und umfasst eine Vielzahl von Aspekten. Es sichert nicht nur den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern schützt auch die Freiheit der Forschung und fördert die internationale Zusammenarbeit. Darüber hinaus umfasst es den Zugang zu neuen Technologien, die auf wissenschaftlichen Fortschritten basieren, und verpflichtet Staaten, diese zugänglich zu machen. Ein Beispiel hierfür ist der Zugang zu Impfstoffen während der Covid-19-Pandemie. Hier zeigt sich, wie entscheidend es ist, dass wissenschaftliche Errungenschaften und Technologien allen Menschen zugutekommen. Ein weiterer zentraler Aspekt des Rechts auf Wissenschaft ist seine Rolle für die Demokratie. Der Zugang zu wissenschaftlichem Wissen fördert das kritische Denken und hilft, Desinformation entgegenzuwirken. In einer Zeit, in der «Fake News» und postfaktische Politik die öffentliche Meinung beeinflussen, ist die Fähigkeit, wissenschaftlich fundierte Informationen zu verstehen und anzuwenden, von entscheidender Bedeutung. Gleichzeitig bietet das Recht auf Wissenschaft einen ethischen Rahmen, um die Risiken und Vorteile neuer Technologien abzuwägen und sicherzustellen, dass diese im Einklang mit den Menschenrechten stehen.

Als Menschenrecht verpflichtet das Recht auf Wissenschaft die Staaten, es zu respektieren, zu schützen und zu erfüllen. Die Verpflichtungen der Staaten sind vielfältig: Sie müssen den Zugang zu wissenschaftlichen Informationen gewährleisten, die notwendige Infrastruktur für Forschung und Entwicklung bereitstellen und gleichzeitig die Freiheit der Wissenschaft schützen. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, internationale Zusammenarbeit zu fördern. Aber auch nichtstaatliche Akteure wie Unternehmen und NGO spielen eine zentrale Rolle. Unternehmen, die neue Technologien entwickeln, tragen die besondere soziale Verantwortung, sicherzustellen, dass diese nicht nur profitgetrieben, sondern auch sozialverträglich und zugänglich sind.

Das Recht auf Wissenschaft ist schliesslich nicht absolut und kann eingeschränkt werden. Diese Einschränkungen müssen jedoch streng gesetzlich geregelt sein und dürfen nur dem allgemeinen Wohl in einer demokratischen Gesellschaft dienen. Ein Beispiel hierfür ist die Regulierung von Technologien wie künstlicher Intelligenz, die sowohl Chancen als auch Risiken birgt. Hier kann das Recht auf Wissenschaft als normativer Rahmen dienen, um ethische sowie menschenrechtliche Standards zu setzen und die Menschenwürde zu schützen.

Zunehmende Wichtigkeit

Abschliessend lässt sich festhalten: Das Recht auf Wissenschaft gewinnt angesichts globaler Herausforderungen wie Klimawandel, Pandemien und der Regulierung neuer Technologien zunehmend an Bedeutung. Es sichert den Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und Anwendungen und bietet zugleich einen ethischen Rahmen für deren verantwortungsvolle Nutzung. Dieses Menschenrecht sollte nicht länger in den Elfenbeintürmen der Wissenschaft verbleiben, sondern verstärkt in den gesellschaftlichen und politischen Dialog einfliessen, um seinen Beitrag zu sozialem Fortschritt und demokratischer Teilhabe zu leisten.

Monika Plozza hat zur Thematik dieses Beitrags ihre Doktorarbeit verfasst. Die von Professorin Martina Caroni erstbetreute Studie trägt den Titel «The Human Right to Science – Down to the Core: Promoting its Justiciability in International Law» und wurde mit dem Dissertationspreis 2024 für die beste Doktorarbeit an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern ausgezeichnet.

Monika Plozza

Wissenschaftliche Oberassistentin am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Völkerrecht und Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht
www.unilu.ch/monika-plozza