Wie soll der Mensch mit Tieren umgehen? Aus ethischer Sicht sollte der Eigenwert der Tiere respektiert sowie gleichzeitig der Würdebegriff für Menschen vorbehalten bleiben. Eine Herleitung, welche die Komplexität der Thematik aufzeigt.

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Zu Beginn erscheint es wichtig, drei primäre Grenzen der nun folgenden Ausführungen hervorzuheben: Erkenntnistheoretisch gilt es zu bedenken, dass es hier erstens ein Mensch ist, der von einem menschlichen Standpunkt aus über Tiere aus einer ethischen Perspektive nachdenkt. Zweitens werden diese ethischen Überlegungen innerhalb der Grenzen der menschlichen Vernunft angestellt. Drittens stützen sie sich auf den heutigen Stand der sich ständig weiterentwickelnden Forschung ab.

«Würde» und «Wert»

Wenn man ethisch über Tiere nachdenkt, bietet sich auf den ersten Blick an, auch Tieren – wie den Menschen – eine Würde zuzusprechen. Bevor man dies tut, erweist es sich als ratsam, sich kurz vor Augen zu führen, was bei der Menschenwürde der Begriff «Würde» umfasst: Menschenwürde bringt ein absolutes Instru­mentalisierungsverbot zum Ausdruck. Men­schen sollen – den Überlegungen von Imma­nuel Kant folgend – niemals nur als Mittel zum Zweck, sondern immer auch als Zweck an sich respektiert werden. Es ist bewusst von Men­schenwürde und nicht vom Wert des Menschen die Rede, um zu untermauern, dass Menschen kein Preisschild angehängt werden darf.

Der Begriff «Eigenwert der Tiere» ist dem Begriff der «Würde der Tiere» vorzuziehen.

Im Falle von Tieren kann es durchaus legitim sein, Abwägungen anzustellen, wenn es etwa darum geht, mit Forschung an Tieren das Leben von Menschen zu retten. Daher ist der Begriff «Eigenwert der Tiere» dem Begriff der «Würde der Tiere» vorzuziehen. Der Eigenwert der Tiere legt den primären Fokus auf das Gedeihen des Tieres und sekundär auf die Schmerzempfin­dung.

Gleiche Rechte?

An dieser Stelle könnte jedoch der Einwand erfolgen, dass doch Tiere wie Menschen verletzbar sind sowie Schmerzen empfinden und dass somit die Grundlage für die «Würde der Tiere» sowie für die Forderung nach gleichen Rechten für Tiere wie für Menschen gegeben sei. In der Tat teilen Menschen mit Tieren ihre Verletzbarkeit und ihre Schmerz­empfindlichkeit. Letzteres begründet jedoch nur die moralische Relevanz von Tieren, nicht aber die für die Würde notwendige Moralfähig­keit. Moralische Relevanz bedeutet, dass es ethisch von Bedeutung (und nicht indifferent) ist, wie man mit Tieren umgeht. Moralfähigkeit hingegen beinhaltet das Vermögen, für sich selbst verbindliche ethische Prinzipien und Normen zu erkennen und sein Handeln daran ausrichten zu können. Während Menschen mit Moralfähigkeit gedacht werden, werden Tiere als moralisch relevant verstanden.

Diese Unterscheidung, die dann auch in der Zusprache von unterschiedlichen Rechten mündet, begründet auch das Prinzip der Verletzbarkeit. Menschen und Tiere teilen eine Verletzbarkeit. Menschen formulieren unter anderem wegen der Verletzbarkeit von Tieren für Tiere Tierschutzgesetze. Die direkte Schlussfolgerung, dass Menschen und Tiere die gleichen Rechte haben sollen, weil sie beide eine Verletzbarkeit teilen, ist insofern nicht zulässig, als drei Punkte (und davon vor allem der dritte Punkt) berücksichtig werden sollten:

  • Die Menschen einigen sich – aufgrund ihrer Verletzbarkeit – auf für sich selbst als Menschen geltende Rechte. Das Prinzip der Verletzbarkeit begründet den moralischen Anspruch, weil sich Menschen – in ein paar Worten zusammengefasst – im Zuge der Bewusstwerdung ihrer eigenen Verletzbarkeit als rationalste und klügste Lösung im Zuge der Eigeninteressenverfolgung gegenseitig Menschenwürde und Menschenrechte zusprechen, um sich vor der mit ihrer Verletzbarkeit verbundenen Ungewissheit zu schützen, da Menschen nie wissen, ob, wann und wie schlimm sich ihre Verletzbarkeit in eine konkrete Verletzung transformiert – das heisst, die Menschen wissen nie, ob sie diejenigen sein werden, die helfen müssen oder denen geholfen werden muss. Zusätz­lich verfassen die Menschen für andere Wesen wie die Tiere, mit denen Menschen eine Verletzbarkeit teilen, entsprechende Tierschutzgesetze. Diese basieren auf ihrer Selbstwahrnehmung und der Wahrnehmung der eigenen Verletzbarkeit und davon abgegrenzt auf der Wahrnehmung von Tieren und deren Verletzbarkeit.
  • Es ist denkbar, dass der Mensch – im Bewusstsein von und in der Anerkennung der Verletzbarkeit von Tieren – sich selbst als Mensch anders denkt als ein Tier bzw. dass der Mensch seine eigene Verletzbarkeit, die er mit anderen Menschen teilt, anders denkt als die Verletzbarkeit von Tieren.
  • Beim Prinzip der Verletzbarkeit geht es nicht nur um die rein empirisch wahrnehmbare Verletzbarkeit, sondern es geht vor allem darum, wie der Mensch diese denkt. Im Zentrum stehen die Auseinandersetzung mit und die Reflexion der Verletzbarkeit sowie die moralischen Konsequenzen, die das Prinzip der Verletzbarkeit bei den Menschen auslöst. Der Mensch ist also nicht Träger von Men­schenrechten, weil er verletzbar ist, sondern aufgrund des Prinzips der Verletzbarkeit, das zum gegenseitigen Zuspruch von Menschen­würde und Menschenrechten führt, den Unterschied zur Verletzbarkeit von Tieren deutlich macht und ein unterschiedliches Verständnis der Verletzbarkeit vom Men­schen und der Verletzbarkeit von Tieren begründet. Im Unterschied denkt man – unter Berücksichtigung der eingangs formulierten Vorbemerkungen – zum Beispiel Tiere nicht unbedingt so, dass sie sich mit ihrer Verletz­barkeit auseinandersetzen und sich im Zuge der Bewusstwerdung ihrer Verletzbarkeit gegenseitig Tierrechte zusprechen.

Notwendigkeit des Tierschutzes

Gleichzeitig gilt es darauf hinzuweisen, dass hiermit nicht automatisch die Möglichkeit kategorisch verleugnet wird, dass Tieren theoretisch ähnliche oder substanziell gleiche moralische Rechte zugesprochen werden könnten. Es sollte vermieden werden, ein Konkurrenzverhältnis zwischen dem Schutz der Menschenwürde und dem Tierschutz zu konstruieren. Es handelt sich um kein Entwe­der-oder. Vielmehr sollte – gleichzeitig mit dem Schutz der Menschenwürde – auch der Schutz des Tieres um seiner selbst willen und des Wohls des Tieres vorangetrieben werden.

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Peter G. Kirchschläger

Ordinarius für Theologische Ethik und Leiter des Instituts für Sozialethik (ISE)
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