Margit Wasmaier-Sailer, Professorin für Fundamentaltheologie, fragt – Manuel Oechslin, Professor für Internationale Ökonomie, antwortet.
Als Forscher erlaube ich mir, die Wirtschaftswissenschaften in den Vordergrund zu rücken. Also: Wie können wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse helfen, aktuelle Krisen zu meistern? Die Wirtschaftswissenschaften gehen davon aus, dass Ressourcen grundsätzlich knapp sind. Und dies gilt nicht nur für natürliche Ressourcen, sondern auch für «menschengemachte» wie etwa Produktionsanlagen oder Expertise. Dieser Gedanke führt uns unmittelbar zur Fragestellung, die vielen wirtschaftswissenschaftlichen Problemen zugrunde liegt: Wie kann ein gewünschtes Resultat mit möglichst geringem Ressourceneinsatz – also möglichst ökonomisch – erreicht werden?
Stichwort Klimawandel: Um das Klima zu stabilisieren, braucht es eine Energiewende, einen Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energieträgern – ein Unterfangen gigantischen Ausmasses. Es ist deshalb von grosser Wichtigkeit, ökonomisch, also ohne Verschwendung knapper Ressourcen, vorzugehen. Doch wie sieht ein ökonomisches Vorgehen aus? Sollten Verbote zum Zuge kommen? Oder wäre es besser, die Nutzung fossiler Energieträger sukzessive zu verteuern? Und falls Letzteres: Sollte dies eher mit einem System der CO2-Besteuerung oder über den Handel mit Emissionszertifikaten erfolgen? Die Wirtschaftswissenschaften liefern, natürlich im Verbund mit anderen Disziplinen, Antworten hierzu.
Für die Energiewende sind auch neue Erkenntnisse zu klimaverträglicher Energieproduktion und -speicherung unabdingbar. Die Wirtschaftswissenschaften zeigen auf, wie die Institutionen im Bereich der Forschung und Entwicklung ausgestaltet werden sollten, damit es einen möglichst grossen und schnellen Erkenntnisgewinn gibt. Was ist die Rolle des Staates bzw. der Universitäten? Was gehört in die Hände der Privatwirtschaft? Wie sollten Patente ausgestaltet sein, um ein zügiges Innovationstempo zu sichern? Tempo ist namentlich bei der Stabilisierung des Klimas das Gebot der Stunde. Die Wichtigkeit schneller Innovation hat uns jüngst aber auch die Pandemie vor Augen geführt: Je eher ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht, desto effektiver lässt sich die Dynamik einer Pandemie brechen, umso schneller gelingt die Rückkehr zur Stabilität.
Schliesslich liefern die Wirtschaftswissenschaften auch Erkenntnisse im Kontext von Krieg und Frieden. Mit der Spieltheorie offerieren sie einen analytischen Rahmen, mithilfe dessen konsistent über die eigenen Handlungsalternativen – und die möglichen Antworten des Gegners – nachgedacht werden kann. Hat Putin wirklich einen Anreiz, eine taktische Atomwaffe einzusetzen? In der Zeit nach dem Kollaps der russischen Aggression helfen wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse beim Wiederaufbau der Ukraine. Hoffen wir darauf, dass diese Zeit eher früher als später kommt.